Zuständigkeit der Deutschen Gerichte bei bestimmungsgemäßer Abrufbarkeit von Onlineinhalten innerhalb Deutschlands

Internet, IT und Telekommunikation
04.01.20101119 Mal gelesen
1. In letzter Zeit häufen sich die Gerichtsentscheidungen, die zu dem sogenannten fliegenden Gerichtsstand Stellung nehmen. Dem sogenannten fliegenden Gerichtsstand begegnet man insbesondere im Wettbewerbs-, Urheber- und Markenrecht, vor allem dann, wenn es um Verstöße im Internet geht.
 
2. Dabei versteht man unter dem sogenannten fliegenden Gerichtsstand die Anrufung eines Gerichts, an dem die beanstandende Handlung begangen worden ist, wobei es ausreicht, dass an dem betreffenden Ort eines von mehreren Tatbestandsmerkmalen verwirklicht wird. Insbesondere da, wo Handlungs- und Erfolgsort auseinanderfallen, kann die Zuständigkeit mehrerer Gerichte begründet sein. Da beispielsweise bei Angeboten im Internet der Erfolgsort überall dort sein kann, wo das Angebot selbst abgerufen werden kann, ergibt sich eine größere Anzahl von örtlich zuständigen Gerichten.
 
3. Es sind jedoch einige Gerichtsentscheidungen bekannt geworden, die in diesen Bereichen die Anrufung eines Gerichts innerhalb Deutschlands beschränken wollen und zwar dahingehend, dass zu dem angerufenen Gericht hinsichtlich des geltend gemachten Verstoßes ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen muss. So hatte beispielsweise das Amtsgericht Frankfurt am Main in seiner Entscheidung vom 13.02.2009 unter dem Aktenzeichen 32 C 2323/08 angenommen, dass in einem urheberrechtlichen Rechtsstreit die Anrufung eines Gericht, an dem weder der Kläger noch der Beklagte seinen Sitz hat, als rechtsmissbräuchlich zu werten sei, und wies dementsprechend die Klage als unzulässig zurück.
 
4. Dass diese Ansicht allerdings nur von vereinzelten Gerichten so vertreten wird, zeigt der nachfolgende Fall mit Auslandberührung. Das entscheidende Gericht hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts auch dann gegeben ist, wenn der mutmaßliche Verstoß auf einer Internetseite begangen wird, die von einem Unternehmen in und aus Österreich betrieben wird. Das dort ansässige Gericht hatte auf der Internetseite einen Stadtplanausschnitt veröffentlicht, an dem das in Deutschland ansässige Unternehmen die ausschließlichen Nutzungsrechte hatte. Dieses Unternehmen hatte dem anderen Unternehmen weder eine ausschließliche noch eine einfache Lizenz für die Nutzung dieses Stadtplans eingeräumt. Zudem wurde, was hier die Besonderheit des Falls ist, im Rahmen der mündlichen Verhandlung zudem festgestellt, dass die beklagte Partei in der Vergangenheit Geschäftsbeziehungen mit deutschen Kunden hatte und jederzeit auch wieder eingehen würde.
 
5. Das Landgericht München hat in seinem Urteil vom 30.07.2009, Aktenzeichen 7 O 13895/08, noch einmal bestätigt, dass die Zuständigkeit deutscher Gerichte sich nach dem Grundsatz des bestimmungsgemäßen Abrufs richtet. Bei der bestimmungsgemäßen Abrufbarkeit sei dabei auf die Sichtweise eines durchschnittlich informierten Betrachters abzustellen, wobei es vor allem auf die Ausgestaltung und Zielrichtung des Internetauftritts ankomme. Da insoweit sich das Angebot auf der Internetseite nicht nur auf Kunden in Österreich beschränke, sondern sich auch an deutsche Interessenten richte, sei also die Internetseite auch bestimmungsgemäß in Deutschland abrufbar. Deswegen sei auch die Zuständigkeit des Landgerichts München I gegeben.

6. Der sogenannte fliegende Gerichtsstand bei Verletzungen von immateriellen Rechten ist seit Jahrzehnten ein anerkannter Grundsatz, der beispielsweise im Markenrecht durch den BGH auch ausdrücklich entschieden wurde. Nichts anderes kann daher für das Wettbewerbs- und Urheberrecht gelten, weil eine Ungleichbehandlung mangels triftiger Gründe auszuscheiden hat. Die Einschränkung der Anrufbarkeit eines Gerichts würde auf eine Verweigerung des gesetzlichen Richters im Sinne des Art. 101 Abs. 1 GG hinauslaufen, was ebenfalls nicht akzeptabel wäre. Somit muss die Anrufung eines jeden Gerichts innerhalb Deutschland zulässig sein.
 
7. Dies stellt m.A. nach auch kein untragbares Ergebnis für den Schuldner beziehungsweise Beklagten dar. Denn eins sollte man sich dabei immer vor Augen halten: Derjenige, der die potentiell großen Chancen des Internets wahrnimmt, muss auch die damit verbundenen Nachteile zu tragen bereit sein.
 
8. In diesem Sinne mag es vereinzelte Gerichte geben, die den fliegenden Gerichtsstand einschränken wollen. Die weit überwiegende Ansicht geht aber nach wie vor davon aus, dass bei Verstößen im Internet jedes Gericht in Deutschland zulässigerweise anrufbar und örtlich zuständig ist.
 
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© 04.01.2010
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