Redtube: Wird aus der größten Abmahnwelle jetzt die größte Betrugswelle?

Internet, IT und Telekommunikation
17.12.20131774 Mal gelesen
Berichten von Heise, Golem und Co. zufolge wurden die IP Adressen der Abgemahnten im Redtube Fall vermutlich über sogenannte Traffic Broker ermittelt, in diesem Fall über den Dienst „Traffic Holder“ Das heißt, die Betroffenen wären zum großen Teil bewusst auf diese Seite gelockt worden. Dabei sollen die IP Adressen abgefangen worden sein. Sollte dies zutreffen, hätte der Fall der Redtube Abmahnungen ein nicht zu übertreffendes Niveau an Kriminalität erreicht.

UPDATE 17.12.2013 - 10:50 h - Statement von RA Christian Solmecke zu den neuen Berichten darüber, dass die Betroffenen gezielt auf Redtube gelenkt worden sind: 

"Wenn das wahr ist, haben wir es vermutlich mit gewerbsmäßigem Betrug zu tun. Das würde dann hohe Haftstrafen für alle Beteiligten, die von der Masche wussten oder wissen mussten, bedeuten. Sollten sich die Vermutungen wirklich bewahrheiten, dann hätten wir es hier mit einem gigantischen Kriminalfall zu tun. Interessant dürfte in diesem Zusammenhang die Haftung der Anwälte sein. Auch wenn wir unterstellen, dass die Abmahner Anwälte nichts von der Herkunft der IP Adressen wusste, so hätten sie trotzdem nicht blauäugig 20.000-30.000 Menschen Abmahnungen dürfen. Das hat mittlerweile auch die Staatsanwaltschaft Köln mitbekommen, die meinen Informationen zufolge nun die Ermittlungen aufgenommen hat. Der Fall hat jetzt eine ganz neue Qualität bekommen. Sämtliche Diskussionen darüber, ob hier eine Urheberrechtsverletzung gegeben ist oder nicht, sind damit hinfällig. Sollte sich dieser Betrugsfall tatsächlich erhärten, hätten die Betroffenen sogar ein Recht darauf, die gezahlten Vergleichsbeträge wieder zurückzufordern. Fraglich ist natürlich, ob die Gelder nicht schon längst vom Konto geräumt worden sind. Angesichts der massiven Ungereimtheiten gehe ich jedenfalls nicht davon aus, dass die Abgemahnten künftig noch mit weiterem anwaltlichen Druck - so wie es oft in den Filesharing Fällen der Fall ist - rechnen müssen. Sollte den Betroffenen weiter Druck gemacht werden und sollte sich der Betrugsvorwurf bestätigen, hätten auch die Betreiber der Abmahnkanzleien mit langjährigen Haftstrafen zu rechnen."

UPDATE ENDE

Wie funktioniert der Traffic Holder?

Der Traffic Holder ist ein Dienst, der bei einem Klick der Nutzer auf einer Seite, diesen erstmal auf eine andere Webseite leitet. Diese Webseite gehört dann einer Firma, die auf diesem Wege auf ihr Produkt aufmerksam machen will.

Der Nutzer klickt also erstmal aus Neugier auf ein Bild, das sich auf der besuchten Webseite befindet und wird dann ohne sein Zutun auf eine andere Seite weitergeleitet, die nichts mit der angeklickten Information zu tun haben muss.

Im Falle der Redtube Abmahnungen vermutet "Golem", dass die The Archive AG genau so einen Dienst in Anspruch genommen hat: "Offenbar hat die The Archive AG deutsche Nutzer mittels eines Skripts via Skimmed Traffic auf Redtube.com weitergeleitet und dabei per Proxy IP-Adressen mitgeloggt, statt eine Ermittlungssoftware einzusetzen."

Die Nutzer wurden auf folgende Seiten weitergeleitet: 49655.movfile.net und retdube.net. Heise erklärt: "retdube.net fungierte in dieser Kette also wohl als eine Art Proxy, dem Traffic unwissender Nutzer zugeführt wurde. Auf diesem Proxy, so ist anzunehmen, dürften die "Ermittler" IP-Adressen geloggt haben." Erst danach wurde der Nutzer auf die Seite Redtube.com weitergeleitet. Selbstverständlich ist sowas wohl nur denjenigen passiert, die ohnehin auf gewissen "Untergrund-Webseiten" wie illegalen Streaming Seiten oder anderen pornographische Portale gesurft haben. Dennoch hatten die meisten keine Ahnung, dass sie auf Redtube weitergeleitet werden. Sollte sich dieser Verdacht bewahrheiten, läge hier ein klarer Fall von Betrug vor. Es kann auch nicht sein, dass die IP Adresse ermittelt wurde, bevor die Rechtsverletzung begangen wurde. Das würde bedeuten, dass Menschen abgemahnt wurden, die möglicherweise sofort die Seite weggeklickt haben und noch nicht mal potentiell eine Urheberrechtsverletzung begangen haben.

Können die Rechteinhaber selbst die IP Adressen ermitteln?

Viele regen sich darüber auf, dass die The Archive AG hier anscheinend selbst die IP Adressen ermittelt hat. Dies ist für sich genommen jedoch unproblematisch. Bei den Filesharing Abmahnungen von Rechtsanwalt Rasch ist es sogar so, dass der Rechtsanwalt gleichzeitig auch der Chef der Ermittlungsfirma ist. Dass die Rechteinhaber und die Ermittlungsfirma identisch sind, ist für das zivilrechtliche Abmahnverfahren unerheblich. Lediglich im Strafverfahren kann es problematischer sein.

Wieviel wusste U C?

Zunächst einmal halten wir fest, dass wir hier weder Kollegen noch Mitbewerber angreifen wollen. Wir gehen erst einmal davon aus, dass die Abmahnanwälte hier nicht in die von den Medien vermuteten Praktiken der Rechteinhaber eingeweiht waren. Allerdings könnte der Kanzlei U C durchaus vorgeworfen werden hier fahrlässig gehandelt zu haben. Es wäre zu erwarten gewesen, dass sich die Abmahnanwälte vertiefter mit der Herkunft der IP Adressen auseinandersetzen. Zumindest dürfte die Kanzlei von nun an die Abmahnungen nicht weiter verfolgen dürfen, zum Beispiel indem die nicht gezahlten Forderungen an Inkassobüros weiterverkauft werden. Dies würde ein aktives Mitwirken am Betrugstatbestand bedeuten.

Welche Möglichkeiten haben die Abgemahnten nun?

1.Sie können ihre Rechtsanwaltskosten zurückfordern (§ 97a IV 1 UrhG).

2.Sie können Strafanzeige erstatten. Wir raten jedoch dazu diese mit professioneller Hilfe zu gestalten.

3.Sie können sich an den Datenschutzbeauftragten wenden und Beschwerde einlegen.

4.Sie können direkt beim Landgericht Köln eine Beschwerde gegen die Auskunftsbeschlüsse einlegen.

Problematisch bei den vorstehenden Möglichkeiten ist jedoch, dass am Ende auch noch jemand da sein muss, der die Zeche zahlt. Das bedeutet, dass selbst dann, wenn man ein Prozess auf Rückzahlung der Anwaltskosten gewinnt, möglicherweise kein Geld zur Rückzahlung bei den Verurteilten mehr aufzufinden ist.

Fazit: Fest steht, dass die IP Adressen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf legalem Weg ermittelt worden sind. Es könnte sich hier demnach nicht nur um eine der größten Abmahnwellen handeln, sondern auch um einen riesen Massenbetrugsfall.

Mehr zur Problematik der ermittelten IP Adressen im Redtube Fall in unserem Video, das Sie hier aufrufen können.