LG Schweinfurt: Zur Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechtes durch Wikipedia-Beitrag

Internet, IT und Telekommunikation
10.12.2012577 Mal gelesen
Wann können Erben die Löschung eines etwa bei Wikipidia eingestellten Beitrages wegen ehrverletzender Äußerungen z.B. durch Beleidigungen über den Verstorbenen verlangen? Hierzu gibt es eine interessante Entscheidung des Landgerichtes Schweinfurt.

orliegend ging es um einen Beitrag, der in Wikipedia ohne nähere Sichtung veröffentlicht wurde. In diesem Artikel wurde über einen Rechtsanwalt berichtet. Unter anderem wurde behauptet, dass dieser bis 1939 der NSDAP angehört habe. Dies sei nicht richtig, weil er dort nur bis 1934 mitgewirkt habe. Darüber hinaus habe er einen "Täter" verteidigt, der in einem Mordfall freigesprochen worden sei. Durch diese Wortwahl habe der unzutreffende Eindruck entstehen sollen, dass er seinen Verhaltenskodex als Strafverteidiger verletzt und er durch seine Verteidigung bewirkt habe, dass ein Mörder freigesprochen worden sei. Auch treffe nicht zu, dass er 1952 als Anwalt erneut zugelassen worden ist.

 

Hier gegen ging der Sohn des Verstorbenen vor und verlangte von dem Betreiber von der Internetplattform- Wikipedia die Löschung des Beitrages vom Server. Hilfsweise verlangt er, dass die betreffenden Äußerungen entfernt werden. Der Betreiber hafte hierfür als Störer. Ihm obliege als Forenbetreiber eine Prüfungspflicht hinsichtlich der von Dritten eingestellten Beiträge. Denn es sei damit zu rechnen gewesen, dass Wikipedia für schwerwiegende Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes missbraucht werde.

 

Das Landgericht Schweinfurt wies die Klage mit Urteil vom 23.10.2012 (Az. 22 O 934/10) ab.

  

Störerhaftung bei Wikipedia erst ab Kenntnisnahme

Hierzu führte das Gericht aus, dass eine Haftung des Betreibers einer Webseite wie Wikipedia - auf der Dritte ihrer Äußerungen einstellen können - als Störer erst ab dem Zeitpunkt in Betracht kommt, wo dieser von der rechtswidrigen Äußerung eines Dritten hinreichend substantiiert Kenntnis erlangt hat (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2012 Az. VI ZR 93/10). Diese Voraussetzung liegt hier vor.

 

Strenge Anforderungen an Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechtes

Zweifelhaft ist jedoch, ob durch die Behauptungen in dem Beitrag das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen verletzt wird, das vor allem die Angehörigen geltend machen können. Die Anforderungen sind hier strenger als bei Lebenden. Die Verstorbenen sollen vor unwahren Behauptungen und Erniedrigungen sowie vor groben Einstellungen seines Bildes oder seiner Lebensleistungen geschützt werden.

 

Eine derart schwere Verletzung kommt hier nach den Feststellungen des Gerichtes nicht in Betracht. Denn es war unstreitig, dass der Verstorbene zunächst mal Mitglied der NSDAP war. Hinsichtlich der Behauptung der Verteidigung eines "Täters" ist zu beachten, dass ein Verstoß gegen Standesrecht nicht schwerwiegend genug ist. Selbst wenn Behauptung in Bezug auf die erneute Zulassung als Rechtsanwalt nicht stimmt, ergibt sich hieraus keine Ehrverletzung. Dies würde nur dann in Betracht kommen, wenn in dem Artikel darüber berichtet wird, weshalb er die erste Zulassung als Rechtsanwalt verloren hat. Hierüber steht jedoch nichts im Wikipedia-Beitrag.

   

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Rechtsanwalt Christian Solmecke