BHG-Urteil zu den Grundsätzen der actio pro socio

Wirtschaftsrechtskanzlei ROSE&PARTNER
31.07.20191716 Mal gelesen
Mit Urteil vom 22. Januar 2019 (Aktenzeichen II ZR 143/17) hat der zweite Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zum Verhältnis zwischen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und dem Recht einzelner Gesellschafter, im Wege der actio pro socio gegen einen Mitgesellschafter vorzugehen, entschieden.

Wesen und Funktion der actio pro socio 

Als actio pro socio wird die gerichtliche Geltendmachung von der Gesellschaft zustehenden Sozialansprüchen durch einen Gesellschafter im eigenen Namen gegen einen Mitgesellschafter bezeichnet. Gegenstand einer actio pro socio sind regelmäßig Ansprüche der Gesellschaft gegen einen Gesellschafter auf Einlagen und Nachschüsse oder Erstattungsansprüche der Gesellschaft infolge unzulässiger Auszahlungen oder verdeckter Gewinnausschüttungen an einen Gesellschafter. Grundsätzliche Voraussetzung einer actio pro socio ist, dass der geltend gemachte Anspruch gerade auf dem Gesellschaftsvertrag beruht. Die actio pro socio findet daher keine Anwendung, wenn lediglich sonstige Ansprüche der Gesellschaft, die nicht in der Mitgliedschaft des beklagten Gesellschafters wurzeln, geltend gemacht werden sollen wie etwa der Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens.

Die actio pro socio als wichtiges Instrument im Gesellschafterstreit 

Regelmäßig findet die actio pro socio im Gesellschafterstreit Anwendung, wenn ein Gesellschaftsorgan (z.B. Geschäftsführer der GmbH) sich weigert, Sozialansprüche gegen einen Gesellschafter durchzusetzen. Dies ist häufig dann der Fall, wenn sich der Anspruch der Gesellschaft gegen einen dem Organ nahestehenden Gesellschafter richtet oder das Organ und der Gesellschafter personenidentisch sind.

Auch wenn die Weigerung eines Gesellschaftsorganes, Sozialansprüche gegen einen Gesellschafter durchzusetzen, Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen das Gesellschaftsorgan zur Folge hat und zudem die Möglichkeit besteht, das Organ wegen einer Pflichtverletzung abzuberufen, verfügen Minderheitsgesellschafter regelmäßig nicht über die erforderliche Mehrheit zur Abberufung des pflichtwidrig handelnden Gesellschaftsorgans. Dann bliebt den Minderheitsgesellschaftern nur, im Wege der actio pro socio die Ansprüche der Gesellschaft durchzusetzen, deren Geltendmachung durch das vom Mehrheitsgesellschafter protegierte Gesellschaftsorgan verweigert wird. 

Sachverhalt 

Im vom BGH entschiedenen Fall war die Klägerin als eine von zwei Kommanditistinnen an einer Kommanditgesellschaft beteiligt. Nachdem durch Gesellschafterbeschluss das Haftkapital der Gesellschaft erhöht worden war, weigerte sich die andere Kommanditistin, die im Innenverhältnis auf sie entfallende Einlage an die Gesellschaft zu zahlen. Daraufhin wurde sie von der Gesellschaft auf Leistung der Einlage verklagt. Zusätzlich ging die Klägerin im Wege der actio pro socio gegen die Mitgesellschafterin als Beklagte vor.

BGH geht von Verstoß gegen Treuepflichten aus  

Während der Klage der Gesellschaft gegen die Beklagte in allen Instanzen stattgegeben wurde, wurde die Klage der Gesellschafterin in der Eingangsinstanz abgewiesen. Nachdem die klagende Gesellschafterin in der Berufungsinstanz dann doch erfolgreich war, legte die Beklagte gegen dieses Urteil Revision ein.   

Der BGH entschied, dass die Vorinstanz die Klage der Gesellschafterin in Wege der actio pro socio zu Recht abgewiesen hatte. Da bereits die Gesellschaft die Ansprüche gegen die beklagte Mitgesellschafterin geltend gemacht und eingeklagt habe, sei es von der klagenden Gesellschafterin treuwidrig, selbst zusätzlich im Wege der actio pro socio dieselben Ansprüche gegen die Gesellschaft einzuklagen. Dies gelte bereits aus Kostengründen, da der verklagten Mitgesellschafterin grundlos eine doppelte Kostenlast aufgebürdet werde.

Praktische Relevanz des Urteils

Das Urteil des Bundesgerichtshofes zeigt, dass ein Vorgehen im Wege der actio pro socio nur dann erwogen werden sollte, wenn tatsächlich keine andere Möglichkeit besteht, Sozialansprüche der Gesellschaft durchzusetzen.

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