Strittiges Sorgerecht: EGMR erklärt Inobhutnahme für rechtmäßig

anwalt24 Fachartikel
26.03.2018168 Mal gelesen
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat sich zu der Inobhutnahme von Kindern der Sekte „Zwölf Stämme“ 2013 geäußert.

Danach habe der teilweise Entzug des Sorgerechtes nicht gegen die Menschenrecht der Eltern und Kinder verstoßen und die Inobhutnahmen seien demnach rechtmäßig gewesen.

Christliche Glaubensgemeinschaft befürwortet Prügelstrafen

Vier betroffene Elternpaare hatten wegen Verletzung ihrer Menschenrechte gegen Deutschland vor dem EGMR geklagt.
Grund war die Inobhutnahme von rund 40 Kindern durch deutsche Behörden 2013. Zuvor war bekannt geworden, dass die Kinder der christlichen Sekte "Zwölf Stämme" regelmäßig Prügelstrafen ertragen mussten. Die aus den USA stammende Sekte beruft sich auf die Bibel und sieht Rutenschläge als angemessen Strafe für Kinder bis 14 Jahren. Ein Fernsehjournalist hatte damals heimlich gefilmte Aufnahmen an das Jugendamt geleitet, auf denen zu sehen war, wie Kinder geprügelt wurden.
Kinder in Deutschland haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung und körperliche Züchtigung ist verboten. Daher wurden einigen Mitgliedern der Sekte das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen.

Sekte geht gegen Sorgerechtsentziehung vor

Die betroffenen Familien dagegen sahen sich in der Entziehung des Sorgerechtes in ihrem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt und zogen vor den EGMR.
Dort stellten sich die Richter allerdings hinter die Entscheidung des deutschen Familiengerichtes: Die Richter bejahten eine schwere Gefährdung des Kindeswohls. Das Risiko einer systematischen und regelmäßigen körperlichen Züchtigung von Kindern könne es rechtfertigen, die Kinder in Obhut zu nehmen.

Jahrelanger Streit um Erziehungsmethoden

Die Glaubensgemeinschaft der "Zwölf Stämme" hatte Behörden und Justiz in Bayern jahrelang beschäftigt. Da die Eltern sich geweigert hatten, ihre Kinder in staatlichen Schulen zu schicken, wurde der Gemeinde eine eigene Schule genehmigt. Auch dort soll es zu körperlicher Züchtigung gekommen sein.
Auch für einige Gemeindemitglieder gab es daher ein strafrechtliches Nachspiel. So wurde eine Erzieherin zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die ohne entsprechende Eignung als Lehrerin in der Privatschule gearbeitet hatte und Prügelstrafen für schlechtes Vorlesen verhängt hatte.
Die Sekte beklagte immer wieder ihre vermeintliche Verfolgung in Deutschland und ist nun weiter in die Nähe von Prag in Tschechien gezogen. Nach eigenen Angaben befinden sich mittlerweile keine Familien der "Zwölf Stämme" mehr in Deutschland.  

Hohe Hürden für die Entziehung des Sorgerechts

In einer grundlegenden Entscheidung 2014 hat das Bundesverfassungsgericht die Voraussetzung, unter denen den leiblichen Eltern das Sorgerecht entzogen werden kann, konkretisiert. Die elterliche Sorge ist im Grundgesetz verankert und kann daher nur unter strengen Voraussetzungen entzogen werden. Ein Entzug ist danach nur gestattet, wenn auf andere Weise eine schwere Gefährdung des Kindeswohls nicht beseitigt werden könne. Die Gründe für eine solche Gefährdung müssen dabei konkret benannt werden. Bis es zu einer endgültigen Entziehung des Kindeswohls kommt, müssen also eine Reihe von Voraussetzungen vorliegen, um einen solchen einschneidenden Eingriff in die primäre Erziehungszuständigkeit der Eltern zu begründen. 

Weitere Informationen zum Thema erhalten sie auch hier: https://www.rosepartner.de/familienrecht/sorgerecht-umgangsrecht.html