Gilt die Scharia in Europa?

Hofeigenschaft im landwirtschaftlichen Erbrecht
13.12.2017112 Mal gelesen
Griechenland schränkt geltende Regeln der Scharia ein.

Was? In Griechenland gilt noch die Scharia? Sie haben richtig gehört! In einer kleinen Provinz namens West-Thrakien im Nordwesten Griechenlands gilt bis heute ein geschichtliches Überbleibsel des Osmanischen Reiches. Dort gilt im Erbrecht und im Familienrecht teilweise noch das islamische Recht der Scharia für die dort lebende muslimische Minderheit. Die linke Regierung in Athen will dem nun ein Ende setzen. Aber wie kommt es, dass das erst jetzt geschehen soll?

 


Ausnahmeregelung von 1923

Wer früher Asterix und Obelix gelesen hat, fühlt sich vielleicht an den Widerstand der Gallier erinnert. In der Provinz West-Thrakien leben bis heute rund 100.000 Griechen muslimischen Glaubens, die sich selbst aber als ethnische Türken ansehen. Hintergrund ist folgender:

1923 mussten nach mehreren Kriegen rund 1,5 Millionen Griechen die Türkei verlassen, im Gegenzug mussten rund 400.000 Türken aus Griechenland wieder in die Türkei zurückkehren. Sie wurden in das jeweils andere Land zwangsumgesiedelt. Allerdings vereinbarten Athen und Ankara damals, zwei kleine Gruppierungen von dem Tausch auszunehmen - eine orthodox-christliche Minderheit in Istanbul und eine muslimische Minderheit im Nordwesten Griechenlands.

 

 

Erbrecht und Familienrecht nach der Scharia

Für die in Griechenland verbleibende muslimische Minderheit entwickelte sich eine institutionalisierte islamische Paralleljustiz. Drei Muftis, die den Status griechischer Beamter haben, entscheiden bis heute in Scheidungs- und Sorgerechtsfällen im Familienrecht sowie im Erbrecht bei Erbschaftsfragen.

Die Entscheidungen der Muftis müssen zwar von dem örtlichen Landgericht bestätigt werden - nur so ist die Regelung überhaupt mit dem griechischen Rechtsstaat vereinbar. Also gibt es theoretisch durchaus eine demokratische Legitimation und die Möglichkeit, bei Unvereinbarkeit der Entscheidung mit dem griechischen Recht ihre Ungültigkeit festzustellen.

 

 

Griechische Gerichte segnen ab

Problem ist vielmehr, dass die Bestätigung der Entscheidungen durch die griechische Justiz lediglich als Formalie behandelt wird. Die Richter stellten die Urteile der Muftis nie wirklich in Frage. Daher kam es in der Vergangenheit immer wieder zu haarsträubenden Schlagzeilen von muslimischen griechischen Minderjährigen, die nach dem Segen der Muftis verheiratet worden waren.

Nun will die griechische Regierung diese Regelung reformieren. In Zukunft sollen nur bei der Zustimmung beider Streitparteien die Muftis entscheiden können. Andernfalls soll die griechische Justiz urteilen. Fragt sich: Sind im Fall der minderjährigen Ehe überhaupt die Tochter, oder nicht vielmehr die Eltern zustimmungsberechtigt? Gibt es keine Überprüfung der Entscheidung auf Vereinbarkeit mit Grundrechten, jedenfalls den europäischen?

Wie sich eine derartige Parallelregelung in einem europäischen Mitgliedstaat so lange halten konnte, bleibt vollkommen unverständlich. Umso besser, dass das Thema endlich angegangen wird. Bleibt zu hoffen, dass der Gesetzesentwurf sich auch im griechischen Parlament durchsetzen wird.

 

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