Viele Entscheidungen wurden mittlerweile zum neuen Unterhaltsrecht gefällt. Eine zentrale Frage lautete, ob der Unterhalt, der aufgrund der Betreuung eines minderjährigen Kindes gezahlt wird, zeitlich befristet werden kann. Die Gericht haben dies verneint.
1. Die Sachverhalte sind ähnlich. Ein minderjähriges Kind wird von der Mutter betreut; die Kindesmutter arbeitet Halbtags; das Kind geht entweder noch in den Kindergarten oder bereits in die Schule.
So auch in dem Fall des Kammergerichts Berlin (Az.: 18 UF 160/07):
Die Parteien streiten um den nachhelichen Unterhalt. Einer der Elternteile - hier die Ehefrau- betreut ein minderjähriges Kind, daß beispielsweise in eine Kita mit Nachmittagsbetreuung ging und später zur Schule. Die Ex- Frau arbeitete und hattein 69 % -ige Stelle als Lehrerin. Sie machte Unterhalt geltend. Die Ex - Frau machte nun Betreuungsunterhalt ab dem 01.07.2006 geltend. Der Ex- Mann war der Auffassung, daß aufgrund des neuen Unterhaltsrechts kein Betreuungsunterhalt mehr geschuldet sei. Der Ex - Mann wollte zumindest, daß der Anspruch zeitlich befristet werde. Das Amtsgericht lehnte eine Befristung ab und veruteilte den Ehemann zur Unterhaltszahlung auch über den 1.1.2008 hinaus. Der Mann legte dagegen Berufung ein.
2. Rechtlicher Hintergrund
Ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt besteht bei der Betreuung von gemeinsamen Kindern, die aus der Ehe stammen. Elternteile, die ihr Kind betreuen, haben zunächst für die Dauer von drei Jahren nach der Geburt des Kindes Anspruch auf Betreuungsunterhalt, der sog. Basisunterhalt (§1570 I 1 BGB n.F.). Unter gewissen Voraussetzungen ist er gem. §1570 Abs. 1 S. 2 und 3 sowie Abs. 2 BGB zu verlängern. In den Verfahren ging es nunmehr darum, ob der Basisunterhalt und/oder der verlängerte Betreuungsunterhalt zeitlich befristet werden kann.
3. Urteil des Kammergerichts Berlin vom 25.04.2008, Az.: 18 UF 160/07
Das Kammergericht Berlin lehnte eine Befristung ab.
Zunächst legte das Gericht aber dar, daß der betreuende Elternteil, darlegen und beweisen müsse, daß es ihr aus Kinderswohlgründen derzeit nicht zugemutet werden kann, einer vollen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dies sei hier gegeben:
"Denn ein so kleines Kind, das gerade zur Schule gekommen ist, bedarf weiterhin der intensiven Pflege und Betreuung durch einen Elternteil. Dem betreuenden Elternteil nunmehr eine vollschichtige Erwerbstätigkeit abzuverlangen, hieße, die Belange des Kindes erheblich zu beeinträchtigen. Ein gerade erst eingeschultes Kind benötigt noch in erheblichem Umfang die Zuwendung und Betreuung eines Elternteils, was mit nicht unerheblichem zeitlichen Aufwand verbunden ist. Jedes Kind sollte sich darauf verlassen können, daß es jedenfalls nach dem Hortbesuch zu Hause auf einen Elternteil trifft, der genügend Zeit hat, sich ihm zu widmen und nicht durch die Führung des Haushaltes (....) daran gehindert ist. "
Eine Befristung lehnte das Kammergericht wie folgt ab:
"Eine Pflicht zur Befristung des Anspruchs noch während der Zeit der Minderjährigkeit ergibt sich weder aus der Neufassung des Gesetzes selbst noch aus §1578b BGB. Zwar legt die Aufspaltung des Anspruchs in einen Basisunterhalt von drei Jahren und Folgeunterhalt aus kind- und ehebezogenen Gründen nahe, (...) eine Befristung auszusprechen, soweit absehbar ist, daß der Verlängerungsgrund wegfallen wird."
Dies ergebe sich aber nicht aus dem Gesetz und halten die Gerichte auch nicht für geboten.
"Denn unverändert gilt - auch nach der neuen Rechtslage seit 1.1.2008 -, dass der Betreuungsunterhaltsanspruch aus sich heraus begrenzt ist, nämlich durch die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes während seiner Minderjährigkeit, und sich der genaue Zeitpunkt des Wegfalls der der Betreuungsbedürftigkeit bis zum 18. Lebensjahr - wie bisher auch - nicht exakt vorherbestimmen lässt. Es entspricht aber vor allem nicht dem Grundsatz der nachehelichen Solidarität, auf de die Verlängerung nach §1570 II BGB maßgeblich abstellt, den Unterhaltsanspruch zu befristen und den betreuenden Elternteil für die Zeit danach auf eine prozessuale Durchsetzung seines Anspruchs zu verweisen. (...)Wann die Betreuungsbedürftigkeit des gemeinsamen Kindes endet und die Klägerin wieder einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen kann, steht derzeit noch nicht fest und kann auch nicht (...) sicher prognostiziert werden, weil die weitere Entwicklung des Kindes nicht vorhersehbar ist. "
4. Weitere Entscheidungen anderer Gerichte
a) Urteil des OLG München vom 04.06.2008, Az.: 12 UF 1125/07
Das OLG München lehnte eine zeitliche Begrenzung des Betreuungsunterhaltes wegen der "unsicheren Prognose" der Kindesentwicklung ab. Außerdem sei eine "konkrete zeitliche Begrenzung" in §1570 BGB nicht vorgesehen.
b) Hammer Unterhaltsleitlinien
In Ziffer 17.1. 1. schreibt das OLG Hamm:
"Betreut ein Ehegatte ein gemeinschaftliches Kind, das noch nicht drei Jahre alt ist, so besteht keine Verpflichtung, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Der Umfang der danach regelmäßig einsetzenden Erwerbsobliegenheit - eine sogleich vollschichtige Erwerbsobliegenheit wird vielfach nicht in Betracht kommen - richtet sich nach Billigkeitsgesichtspunkten im Einzelfall, besonders nach den bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung, den Belangen des Kindes (etwa Fremdbetreuungsfähigkeit, physischer und psychischer Gesundheitszustand) und der erfolgten bzw. geplanten Rollenverteilung der Eltern in der Ehe sowie der Dauer ihrer Ehe.
Wenn danach eine verlässliche Fremdbetreuung des Kindes (Kindergarten, Kita, Schule) objektiv möglich ist und soweit Kindesbelange oder vertrauenstatbestände nicht entgegenstehen, nimmt die Mehrheit der Senate an, dass mit einem Alter des betreuten Kindes von mehr als drei Jahren vielfach schon eine geringfügige Erwerbstätigkeit erwartet werden kann, die mit dem Ende des ersten Grundschuljahres und sodann mit dem Ende des ersten Jahres auf der weiterführenden Schule über eine halbschichtige bis hin zu einer vollschichtigen Tätigkeit auszudehnen ist. Werden mehrere minderjährige Kinder betreut, bestimmt sich die Erwerbsobliegenheit nach den Umständen des Einzelfalles.
Derjenige Elternteil, der das Bestehen einer Erwerbsobliegenheit in Abrede stellt, hat die hierfür maßgebenden Umstände darzulegen und zu beweisen. Dies gilt auch, wenn ein - grundsätzlich nicht zu befristender - Titel über Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB abgeändert werden soll"
c) Kölner Unterhaltsleitlinien
In Ziffer 17.1.1. schreibt das OLG Köln:
"Der Titel über den zeitlichen Basisunterhalt nach § 1570 Abs. 1 S. 1 BGB ist grundsätzlich nicht zu befristen. Eine Befristung des Titels über Betreuungsunterhalt im übrigen kommt nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht (BT-Dr. 16/1830 S. 19)."
d) Düsseldorfer Leitlinie
Das OLG Düsseldorf äußert sich nur zum Basisunterhalt (Unterhalt bis zum 3. Lebensjahres des Kindes):
"Der Titel über den zeitlichen Basisunterhalt nach § 1570 Abs. 1 S. 1 BGB ist nicht zu befristen."
e) Beschluß des OLG Thüringen vom 24.07.2008 (Az.: 1 UF 167/08)
"Das Amtsgericht hat den Anspruch der Antragstellerin auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1578b BGB zeitlich bis zum 30.06.2011 befristet. Gegen eine Befristung spricht, dass ein nach Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes festzusetzender Betreuungsunterhalt nach § 1570 Abs. 1 S. 2 BGB aufgrund der Unsicherheiten, die in der Entwicklung des Kindes und dessen Reife liegen, zeitlich nicht begrenzt werden kann, weil i. d. R. eine sichere Prognose i. S. von § 258 ZPO i V m § 323 Abs. 1 ZPO, ab welchem Zeitpunkt eine vollständige Drittbetreuung möglich ist und wann die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes endet, nicht getroffen werden kann".
5.Fazit
Die Hoffnung vieler Unterhaltszahler selbst dann ab dem 1.1.2008 keinen Unterhalt mehr zahlen zu müssen, wenn der andere Elternteil das gemeinsame Kind bertreut, hat sich zerschlagen. Zwar gehen die Gericht immer mehr dazu über, dem betreuenden Elternteil eine Teilzeitarbeit zuzumuten, doch damit wird der Unterhalt allenfalls reduziert. Eine Befristung des Betreuungsunterhaltes wird durch die Gerichte abgelehnt. Trotz allem bietet das neue Unterhaltsrecht vielfältige Abänderungsmöglichkeiten. Dazu empfehlen wir Ihnen ein Beratungsgespräche bei einem Fachanwalt für Familienrecht.
6. Quelle
Die o.g. Urteile sind hier nachlesbar:
Urteil des Kammergerichts Berlin vom 25.04.2008, Az.: 18 UF 160/07 in: FamRZ 2008, S. 1942 ff.
Urteil des OLG München vom 04.06.2008, Az.: 12 UF 1125/07 in: FamRZ 2008, S. 1945 ff.
Beschluß des OLG Thüringen vom 24.07.2008 (1 UF 167/08) in: http://www.thueringen.de/olg/urteil/infothek10.html
Die Unterhaltsleitlinien sind u.a. auf den Seiten der jeweiligen Oberlandesgerichte einsehbar.
Für Fragen zu diesen oder anderen Themenkomplexen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Einen Beratungstermin können Sie hier mit uns vereinbaren.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Klaus Wille
und Fachanwalt für Familienrecht
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