Auskunftspflicht der Mutter gegenüber dem Scheinvater – Thema „Kuckuckskinder“

Familie und Ehescheidung
10.11.2011754 Mal gelesen
Nach BGH XII ZR 136/09 habe die Frau hat kein Recht, dem unterhaltszahlenden Scheinvater den biologischen Vater zu verschweigen, wenn Sie dem Scheinvater versichert habe, er sei der Erzeuger des Kindes.

Der Schutz der Intimsphäre der Frau sei in dieser Konstellation nicht höher zu bewerten, als das Recht des Scheinvaters auf effektiven Rechtschutz, um sich das Geld vom schadensersatzpflichtigen biologischen Vater zurückzuholen. Diese Wertung, die schon von den Vorinstanzen (AG Rendsburg und LG Schleswig) vorgenommen wurde, hat das höchste deutsche Zivilgericht bestätigt.

Geklagt hatte ein Mann, der davon ausgegangen war, mit seiner Lebensgefährtin ein Kind gezeugt zu haben. Das Paar hatte bis zum Frühjahr 2006 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt. Im Frühsommer 2006 trennten sie sich endgültig. Am 18. Januar 2007 gebar die Beklagte einen Sohn. Nachdem die Beklagte den Kläger zuvor aufgefordert hatte, die Vaterschaft für "ihr gemeinsames Kind" anzuerkennen, erkannte dieser bereits vor der Geburt mit Zustimmung der Beklagten die Vaterschaft an. Er zahlte der inzwischen von ihm getrennt lebenden Frau etwa 4500 Euro Erstausstattung und Unterhalt. In der Folgezeit kam es zwischen beiden zu verschieden Streitigkeiten vor Gericht. In einem Verfahren zur Regelung des Umgangsrechts wurde ein psychologisches Gutachten eingeholt, dessen Kosten der Kläger jedenfalls teilweise zahlen musste. In einem Rechtsstreit über Betreuungs- und Kindesunterhalt verständigten sich die Parteien auf Einholung eines Vaterschaftsgutachtens. Auf der Grundlage dieses Gutachtens stellte das Familiengericht in einem weiteren Verfahren fest, daß der Kläger nicht der Vater des 2007 geborenen Sohnes der Beklagten ist. Weil die Frau die Auskunft über den leiblichen Vater verweigerte, und gleichzeitig Alimente von einem anderen Mann erhielt, zog der Scheinvater vor Gericht.

Die Beklagte schulde dem Kläger nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Auskunft über die Person, die ihr während der Empfängniszeit beigewohnt habe. Die Frau müsse dem Kläger helfen, seinen wirtschaftlichen Schaden abzuwenden. Zwar berühre die Verpflichtung zur Auskunft über die Person des Vaters ihres Kindes das Persönlichkeitsrecht der Mutter nach Art. 2, Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG, das auch das Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre umfaßt und zu dem die persönlichen, auch geschlechtlichen Beziehungen zu einem Partner gehören. Ein unzulässiger Eingriff in dieses Recht liege nicht vor, weil die Auskunftspflichtige bereits durch ihr früheres Verhalten Tatsachen ihres geschlechtlichen Verkehrs während der Empfängniszeit offenbart hatte, die sich als falsch herausgestellt haben. Damit hatte sie zugleich erklärt, daß nur der Kläger als Vater ihres Kindes in Betracht kam und diesen somit zum Vaterschaftsanerkenntnis veranlasst. In einem solchen Fall wiege ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht regelmäßig nicht stärker als der ebenfalls geschützte Anspruch des Mannes auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG zur Durchsetzung seines Unterhaltsregresses nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung.

Diese Rechtsprechung entspricht der allgemeinen auch gesetzgeberischen Tendenz, das Recht des vermeintlichen Vaters auf Kenntnis seiner Vaterschaft und des wahren Erzeugers zu stärken und ist zu begrüßen.

Ein ohne Zustimmung des Kindes bzw. des gesetzlichen Vertreter eingeholter Vaterschaftstest (Abstammungsgutachten) ist zwar nach wie vor für alle Gerichtsverfahren unverwertbar. Das Gericht kann jedoch auf Antrag einen Vaterschaftstest anordnen, dessen Ergebnis im weiteren Verfahrensverlauf als Beweis verwertbar ist, wenn in der Anfechtungsklage nicht lediglich behauptet wird, man sei nicht der biologische Vater, sondern vielmehr nachprüfbare Umstände vorgetragen werden, die an der biologischen Abstammung erhebliche Zweifel wecken.

Der seit 2008 existierende § 1598a BGB hat dem Scheinvater das Recht eingeräumt, seine biologische Urheberschaft feststellen zu lassen. Zur Klärung der Abstammung können Mutter und Vater vom jeweils anderen sowie vom Kind und dieses von den Elternteilen wechselseitig verlangen, daß diese in eine genetische Abstammungsuntersuchung einwilligen und die Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe dulden. Auf Antrag eines Klärungsberechtigten hat das Familiengericht eine nicht erteilte Einwilligung zu ersetzen und die Duldung einer Probeentnahme anzuordnen.

 

Rechtsanwalt Holger Hesterberg

Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im DAV.

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