Pfandfreibeträge beim Unterhalt (§ 850 d ZPO) einerseits und die Besonderheiten in Frankfurt am Main und in Berlin.

Familie und Ehescheidung
22.11.200613226 Mal gelesen

Es tauchen immer wieder die Probleme auf, die mit dem unterschiedlichen Pfändungsschutz des § 850 c ZPO auf der einen Seite und den Sondervorschriften über die pfändbaren Einkünfte bei Unterhaltsforderungen zusammenhängen.

 

§ 850 c ZPO, der zum 01.01.2002 neu gefasst wurde, zieht die Pfändungsgrenzen beim Arbeitslohn gegenüber nicht bevorrechtigten, gewöhnlichen Gläubigern, die nicht Inhaber eines Unterhaltsanspruches sind.

 

Hier hat der Gesetzgeber gerechnet und kalkuliert und bestimmt, was einem Menschen, der Unterhaltspflichten gegenüber einer ganz bestimmten Zahl von Angehörigen hat, pfandfrei zu verbleiben habe.

 

Gänzlich anders sehen die Dinge aus, wenn Unterhaltsgläubiger vollstrecken.

 

Denen sollen ja gerade zumindest die Beträge, die § 850 c ZPO zu ihrem (also der Unterhaltsberechtigten) Schutz von der Pfändung freigestellt hat, auch zugute kommen, und die unpfändbaren Beträge sollen in einem einigermaßen vernünftigen Verhältnis zwischen dem Unterhaltspflichtigen und den Unterhaltsberechtigten aufgeteilt werden.

 

Dementsprechend entscheidet über die dem Unterhaltsschuldner zu belassenden Pfandfreibeträge im Wege der Einzelprüfung der Vollstreckungsrechtspfleger des jeweiligen Amtsgerichts in eigener Verantwortung gem. § 850 d ZPO.

  

In aller Regel werden diese Pfandfreibeträge des Unterhaltsschuldners gegenüber pfändenden Unterhaltsgläubigern mit € 720,00 bemessen.

 

Abweichungen sind möglich, auch eine geringfügige Anhebung, nachdem die Pfandfreibeträge des § 850 c ZPO zum 01.07.2005 angehoben worden sind:

  

Der Sonderfreibetrag gegenüber Unterhaltansprüchen muss niedriger liegen als der Selbstbehalt, den die Familiengerichte den Unterhaltsschuldnern zubilligen. Wäre das nicht so, müsste jeder Anwalt jedem Unterhaltschuldner raten, den Unterhaltsprozess bis zum Urteil nach Kräften zu verzögern: Wenn dann einige tausend € an Rückstand aufgelaufen sind, der Pfandfreibetrag des § 850 d ZPO so hoch wäre wie die Selbstbehalte der Düsseldorfer Tabelle, könnte  - logisch  - der Rückstand nie mehr beigetrieben werden.

 

Obwohl dies der Beschwerdekammer des Landgerichts Frankfurt am Main sehr wohl bekannt ist, setzt sich diese in Vollstreckungsbeschwerden eiskalt darüber hinweg. Dort wird gerechnet, welchen Anspruch ein Unterhaltsschuldner nach SGB II hätte, und wenn der - mit Blick beispielsweise auf die Höhe der Wohnungskosten und der PKW-Betriebskosten - höher liegt auch z.B. als der Mindestselbstbehalt gegenüber minderjährigen Kindern, wird dieser höhere Pfandfreibetrag festgesetzt. Die Frankfurter Familienrichter können in Mangelfällen, wenn sie es mit unwilligen Unterhaltsschuldnern zu tun haben, ihr Urteile sofort in den Papierkorb schieben.

 

Es gibt im Übrigen auch niemanden, der diesen unmöglichen Zustand des Kampfs der Familienrichter gegen die Vollstreckungsrichter mal zu bereinigen sucht. Man ballt die Hand in der Tasche zur Faust: Die Problemlösung interessiert niemanden: Jeder macht seinen Job.

  

Deshalb Aufruf an alle Unterhaltsschuldner: Auf nach Frankfurt am Main; dort dürft Ihr wohnen, ordentlich gemeldet sein, und dürft Euch ganz offiziell hinter Beschlüssen des Landgerichts verstecken, wenn ihr keinen Kindesunterhalt mehr zahlen wollt.

 

Etwas beschwerlicher, weil mit Umzügen alle halbe Jahr verbunden (gut zu kombinieren mit Mietnomadentum) aber sehr effektiv ist auch ein Umzug nach Berlin. Dort ist nur die Hälfte der Gerichtsvollzieherstellen besetzt, die vorhandenen Gerichtsvollzieher sind frustriert, weil der letzte Vollstreckungsvorgang, bei dem auch was gepfändet wurde, etwa 30 Jahre zurückliegt (nur wenig übertrieben). Die Einwohnermeldeämter antworten lustlos, wie so ziemlich alles in dieser Stadt bis auf den 1. Bürgermeister lustlos reagiert, als Westdeutscher weiß man nicht mal, welche Gerichtsvollzieherverteilerstelle bei welchem Gericht man anschreiben soll.

 

Wer dort, ich sagte es, alle halbe Jahr umzieht, ist für die nächsten 30Jahre sicher.

  

Merke: In diesem Land genießt der Schutz der Schuldnerinteressen eine höhere Beachtung als der Schutz der (Unterhalts)gläubiger:  Seit 2002 sind die Nettolöhne kaum gestiegen, aber die Selbstbehalte zweimal erhöht worden. Im Mangelfall heißt das Umschichtung 1:1 vom Unterhalt in den Selbstbehalt der Väter.

 Eckhard Benkelberg

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht

Emmerich am Rhein

www.famrecht.de