Gerichtsvollzieher
Verordnungen der Länder zur Abgeltung der Bürokosten der Gerichtsvollzieher (GVEntschVO)
Gerichtsvollzieherordnungen der Länder (GVO), so z.B. für NRW: GVDVVO und GVO/GVGA-EBAV 2012,NW
Geschäftsanweisungen der Länder für Gerichtsvollzieher (GVGA)
1 Allgemein
Der Gerichtsvollzieher ist ein selbstständiges Organ der Rechtspflege:
Der Gerichtsvollzieher ist eines der Vollstreckungsorgane der Zivilprozessordnung. Andere Vollstreckungsorgane sind:
das Prozessgericht
das Grundbuchamt
das Insolvenzgericht
das Zwangsversteigerungsgericht
Gerichtsvollzieher haben in der Justiz eine Sonderstellung. Sie sind (Landes-)Beamte und einem bestimmten Amtsgerichtsbezirk zugeordnet, unterhalten jedoch ein eigenes Büro. Sie sind in ihrer Arbeit weitestgehend weisungsfrei, unterliegen jedoch der Dienstaufsicht des Amtsgerichts.
Die Zuständigkeit des jeweiligen Gerichtsvollziehers ergibt sich aus der Gerichtsvollzieher-Verteilerstelle des für die Zwangsvollstreckung zuständigen Amtsgerichts.
2 Ausbildung
Die Ausbildung erfolgt als landesrechtlich geregelte Sonderlaufbahn in der Laufbahngruppe 1, zweites Einstiegsamt in der Justiz an den Ausbildungszentren der Justiz der Länder und dauert ca. zwei Jahre.
3 Aufgaben
Der Gerichtsvollzieher ist zuständig für die Durchführung der Zwangsvollstreckung gemäß den §§ 753 ff. ZPO.
Die Aufgaben des Gerichtsvollziehers sind im Einzelnen bundeseinheitlich in den Gerichtsvollzieherordnungen der Länder geregelt. Es sind u.a.:
Wegnahme beweglicher Gegenstände im Wege der Zwangsvollstreckung
Durchführung der Zwangsvollstreckung bei der Herausgabe von Grundstücken und Schiffen gemäß § 885 f. ZPO
Abnahme der eidesstattlichen Versicherung
Räumung
Durchführung der Vorpfändung
Zustellung im Parteibetrieb
Versteigerung gepfändeter Sachen
Neben der Präsenzversteigerung kann der Gerichtsvollzieher den Gegenstand gemäß § 814 Absatz 2 ZPO auch im Wege einer Online-Auktion versteigern.
4 Hinwirken auf eine gütliche Einigung
Die gütliche Erledigung des Vollstreckungsauftrages ist in § 802b ZPO geregelt. Danach soll der Gerichtsvollzieher in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedacht sein.
Konkret regelt § 802b Abs. 2 ZPO die Voraussetzungen für eine Stundungsbewilligung. Die Fassung der Vorschrift soll deutlich machen, dass zwischen zwei Varianten der materiellrechtlichen Stundungsbewilligung (Einräumung einer Zahlungsfrist oder Ratenzahlung) und deren verfahrensrechtlichen Folgen (Vollstreckungsaufschub) zu unterscheiden ist.
Die Stundungsbewilligung setzt das Einverständnis des Gläubigers voraus, das vermutet wird. Der Gerichtsvollzieher ist daher aufgrund des Vollstreckungsauftrags zur Stundungsbewilligung befugt, wenn der Gläubiger in seinem Antrag derartige Maßnahmen nicht ausdrücklich ausschließt. Insbesondere kann er sein Einverständnis auf Mindestraten und Höchstfristen beschränken; der Gerichtsvollzieher ist daran gebunden. Erforderlich ist zudem eine glaubhafte Darlegung des Schuldners, die Forderung innerhalb von zwölf Monaten zu begleichen.
§ 802b Abs. 3 ZPO verpflichtet den Gerichtsvollzieher, den Gläubiger unverzüglich über den Zahlungsplan und den Vollstreckungsaufschub zu unterrichten. Der Gläubiger soll damit die Möglichkeit erlangen, einem vom Gerichtsvollzieher bewilligten Vollstreckungsaufschub zu widersprechen. Den nicht formgebundenen Widerspruch muss der Gläubiger gegenüber dem Gerichtsvollzieher unverzüglich erklären, um alsbald Rechtsklarheit zu schaffen.
5 Weisungen
Der Gerichtsvollzieher unterliegt bei der Ausführung der Vollstreckung den Weisungen des Gläubigers. Das Weisungsrecht umfasst Beginn, Art und Umfang der Vollstreckung und ist begrenzt durch die gesetzlichen Vorgaben.
Der Inhalt des Weisungsrechts des aufsichtsführenden Vollstreckungsrichters ist umstritten und nicht gesetzlich geregelt.
6 Rechtsbehelfe
Innerhalb der Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung kann die Arbeit des Gerichtsvollziehers mit der Vollstreckungserinnerung überprüft werden.
Das allgemeine Verhalten des Gerichtsvollziehers kann mit der Dienstaufsichtsbeschwerde gerügt werden.
7 Schutzmaßnahmen
Gerichtsvollzieher sind in der Vergangenheit bei der Durchführung von Vollstreckungshandlungen wiederholt von Schuldnern oder von dritten Personen körperlich angegriffen und erheblich - zum Teil sogar tödlich - verletzt worden. Dabei hat sich gezeigt, dass zwar in vielen Fällen im Vorfeld der Vollstreckungshandlung polizeiliche Erkenntnisse über eine bestehende Gefahr vorgelegen haben, Gerichtsvollzieher hierüber jedoch nicht informiert waren.
Zur Verbesserung des Schutzes bei Vollstreckungsmaßnahmen wurde mit § 757a ZPO zum 01.01.2022 ein Auskunfts- und Unterstützungsersuchen des Gerichtsvollzieghers geschaffen:
Absatz 1:
Absatz 1 regelt, dass der Gerichtsvollzieher die zuständige Polizeidienststelle um Auskunft ersuchen kann, ob nach polizeilicher Einschätzung bei einer durchzuführenden Vollstreckungshandlung eine Gefahr für Leib oder Leben des Gerichtsvollziehers oder einer weiteren an der Vollstreckungshandlung beteiligten Person besteht. Voraussetzung ist zunächst, dass die Durchführung einer Vollstreckungshandlung bevorsteht. Von einer Vollstreckungshandlung losgelöste Auskunftsersuchen sind nach der Gesetzesbegründung nicht zulässig. Die Gefahr für Leib oder Leben kann vom Schuldner oder auch von einer dritten Person ausgehen. Eine dritte Person kann etwa ein Mitbewohner des Schuldners, dessen Partner oder eine Person aus dessen sozialem Umfeld sein.
Es müssen Anhaltspunkte für eine Gefahr für Leib oder Leben bestehen; nicht ausreichend ist etwa eine Gefahr für materielle Güter. Die Gefahr muss bei der Durchführung der Vollstreckungshandlung bestehen. Sie muss ferner für den Gerichtsvollzieher oder für eine weitere an der Vollstreckungshandlung beteiligte Person bestehen. Solche Personen können beispielsweise Mitarbeiter eines Schlüsseldienstes oder einer Spedition sein. Die Einschätzung der Polizeidienststelle ergibt sich in erster Linie aus polizeilichen Erkenntnisquellen. Sofern der Gerichtsvollzieher der Polizeidienststelle zusätzlich Informationen zu Anhaltspunkten, die eine Gefahr begründen können, übermittelt, können auch diese Informationen zu der Einschätzung der Polizeidienstelle beitragen.
Absatz 2:
Absatz 2 regelt, welche Angaben das Auskunftsersuchen nach Absatz 1 zu enthalten hat. Er verfolgt nicht nur das Ziel, den Mindestinhalt des Auskunftsersuchens zu bestimmen, sondern enthält gleichzeitig die datenschutzrechtliche Befugnis für Gerichtsvollzieher, die aufgeführten personenbezogenen Daten des Schuldners an die zuständige Polizeidienststelle zu übermitteln.
Absatz 3:
In Absatz 3 wird geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Ersuchen um Unterstützung durch die polizeilichen Vollzugsorgane nach vorherigem Auskunftsersuchen zulässig ist.
Absatz 4:
Absatz 4 regelt u.a., unter welchen Bedingungen der Gerichtsvollzieher auch ohne Auskunftsersuchen ein Unterstützungsersuchen stellen kann. Gleichwohl können Gerichtsvollzieher auch in diesen Fällen zunächst ein Auskunftsersuchen stellen.
Absatz 5:
Satz 1 regelt, dass bezüglich der Auskunft der Polizeidienststelle der Gerichtsvollzieher anderen Personen als dem Schuldner eine Einsicht der Akten nicht gestatten und eine Abschrift der Auskunft nicht erteilen darf. Die Vorschrift gilt sowohl für Positivauskünfte ("Es besteht eine Gefahr") als auch für Negativauskünfte ("Es besteht keine Gefahr").