Erbschaftsteuer ohne Erbschaft - Besteuerung selbst bei nicht geltend gemachten Pflichtteilsrechten!

Erbschaftssteurrecht
04.07.201770 Mal gelesen
Bestimmte nahe Angehörige haben bekanntermaßen ein Pflichtteilsrecht, wenn sie von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Das ist z.B. bei dem beliebten „Berliner Testament“ der Fall, bei dem sich die Ehegatten wechselseitig zu alleinigen Erben und die Kinder zu Schlusserben des zuletzt versterbenden Ehe

Bestimmte nahe Angehörige haben bekanntermaßen ein Pflichtteilsrecht, wenn sie von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Das ist z.B. bei dem beliebten "Berliner Testament" der Fall, bei dem sich die Ehegatten wechselseitig zu alleinigen Erben und die Kinder zu Schlusserben des zuletzt versterbenden Ehegatten benennen. Beim Tod des ersten Ehegatten erben die Kinder zunächst nicht und können daher den Pflichtteil gegenüber dem länger lebenden Ehegatten geltend machen, müssen das aber nicht. Erst wenn der Pflichtteil geltend gemacht wird, entsteht Erbschaftsteuer, die dann aus dem erhaltenen Pflichtteil ja auch bestritten werden kann. Damit respektiert der Fiskus die oftmals im Näheverhältnis der Beteiligten begründete Entscheidung, den Pflichtteil nicht geltend zu machen.

In einem neueren Urteil (Urteil vom 7. Dezember 2016, DStR 2017, 724) hat der BFH über die Besteuerung derivativ erworbener Pflichtteilsansprüche geurteilt. Gemeint ist der Fall, dass ein Erblasser aufgrund eines vorangegangenen Erbfalls einen Pflichtteilsanspruch erworben hat, diesen jedoch nicht gegen den Pflichtteilsverpflichteten geltend gemacht hat und diesen Anspruch nun vererbt. Der BFH entschied, dass dieser vom Erblasser nicht geltend gemachte Pflichtteilsanspruch zum Nachlass gehört und als solcher bei Anfall der Erbschaft besteuert wird und zwar unabhängig davon, ob der Erbe den Pflichtteilsanspruch geltend mache oder nicht ! Der geerbte Pflichtteilsanspruch wird also anders als der eigentliche Pflichtteilsanspruch besteuert. Der BFH begründet dies damit, dass der Pflichtteilsberechtigte zwar wegen etwaiger Näheverhältnisse ein schützenswertes Interesse an der Nichtgeltendmachung des Pflichtteilsanspruches haben könne. Dieses bestehe jedoch nicht bei dem Erben des Pflichtteilsberechtigten. Dies gelte auch dann, wenn der Erbe selbst in einem Näheverhältnis zu dem Pflichtteilsverpflichteten stehe.

Dieses Urteil birgt sozialen Sprengstoff und wird sicher zu einigen Erbstreitigkeiten führen. Denn Erben werden jetzt oftmals gezwungen sein, vom Erblasser noch nicht geltend gemachte Pflichtteilsansprüche einzufordern, um die Steuer überhaupt bezahlen zu können.

Fazit und Empfehlung:

Im Erbfall sollten Erben prüfen, ob dem Erblasser aufgrund eines vorangegangenen Erbfalls Pflichtteilsansprüche zustanden. Diese unterfallen der Besteuerung. Will der Erbe aus persönlichen Gründen den Pflichtteilsanspruch nicht geltend machen, müsste mit dem Verpflichteten eine Einigung über die Tragung der Steuern erreicht werden.

Effektiv vermeiden lässt sich dieses Problem nur, wenn die Beteiligten rechtzeitig einen Pflichtteilsverzichtsvertrag unterzeichnen, was bisher aus Kostengründen oft unterblieben ist, sich aber nunmehr rechnen kann.