Erbschaft
1 Allgemein
Als Erbschaft wird das Vermögen (Aktiva und Passiva) des Erblassers bezeichnet, das im Wege der Universalsukzession auf den oder die Erben übergeht.
Erbteile sind die Anteile der Miterben an der Erbschaft. Der Anspruch auf die Erbschaft wird vom Nachlassgericht durch Ausstellung des Erbscheins (§ 2353 BGB) festgestellt.
Zur Erbschaft gehört auch der digitale Nachlass.
2 Besonderheiten bei der Lebensversicherung
Eine Lebensversicherung gehört nur dann zum Erbschaftsvermögen, wenn in dem Lebensversicherungsvertrag keine ausdrückliche andere Bezugsberechtigung besteht.
Grundsätzlich wird in einem Lebensversicherungsvertrag eine Bezugsberechtigung für den Todesfall vereinbart. Dabei kann der Versicherungsnehmer sowohl eine konkrete Person, eine Personengruppe (meine Kinder) oder allgemein die Erben als Bezugsberechtigte für die Todesfallleistungen bestimmen. Der Bezugsberechtigung im Todesfall liegt ein Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall zugrunde.
Bei Tod des Versicherungsnehmers fällt das Geld nicht in die Erbmasse, da es sich bis zum Todesfall im Vermögen der Versicherung befand und der Bezugsberechtigte einen eigenen Anspruch gegen den Versicherer erwirbt.
Entscheidend für die Frage, ob der Bezugsberechtigte die Versicherungssumme aus dem Zuwendungsverhältnis erhält, ist das Valutaverhältnis zwischen dem Verfügenden (verstorbene Person) und dem Begünstigten. Dieses ist eine Schenkung, wobei das Schenkungsangebot nach dem Tode des Versicherungsnehmers durch die Versicherung überbracht wird.
Dabei kommt es in der Praxis immer wieder zu folgenden Rechtsstreitigkeiten:
- a)
Nicht namentlich genannte Bezugsberechtigung:
Bei der Bestimmung der Bezugsberechtigung durch den Versicherungsnehmer handelt es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die erst wirksam wird, wenn sie dem Versicherer zugeht. Sofern der Versicherungsnehmer dabei keine Person namentlich genannt hat, sondern eine Personengruppe bzw. eine Personenbezeichnung ("mein Ehepartner") ist die ist die Bezugsberechtigung im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln.
Dabei sind nach der ständigen Rechtsprechung des BGH bei der Auslegung die Umstände im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung ausschlaggebend. Maßgeblich ist also der bei der Festlegung des Bezugsrechts vorhandene und dem Versicherer gegenüber zum Ausdruck gebrachte Wille des Versicherungsnehmers. Spätere Umstände (z.B. eine Scheidung und Wiederverheiratung) sind hingegen grundsätzlich unerheblich. Insbesondere bleiben nachträgliche Überlegungen oder Absichts- und Änderungserklärungen des Versicherungsnehmers außer Betracht, wenn sie dem Versicherer nicht so mitgeteilt worden sind, dass dieser nach objektivem Empfängerhorizont den Inhalt einer etwaigen Bezugsrechtsänderung erkennen kann.
Beispiel:
Ist der Ehepartner als Bezugsberechtigter genannt, endet die Bezugsberechtigung nicht automatisch durch eine Scheidung. Vielmehr ist nach dem Urteil BGH 14.02.2007 - IV ZR 150/05 die Erklärung dahin gehend auszulegen, dass der mit dem Versicherungsnehmer im Zeitpunkt der Erklärung verheiratete Ehegatte der Begünstigte sein soll.
Die Erklärung des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer, im Falle seines Todes solle "der verwitwete Ehegatte" Bezugsberechtigter der Versicherungsleistung sein, ist auch im Fall einer späteren Scheidung der Ehe und Wiederheirat des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin auszulegen, dass der mit dem Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt der Bezugsrechtserklärung verheiratete Ehegatte bezugsberechtigt sein soll (BGH 22.07.2015 - IV ZR 437/14).
- b)
Widerrufsmöglichkeit der Schenkung durch die Erben:
Bei Verfügungen unter Lebenden zugunsten Dritter auf den Todesfall ist zwischen dem Deckungsverhältnis, d.h. dem im Rahmen des Lebensversicherungsvertrages abgeschlossenen Vertrag zugunsten des Bezugsberechtigten, und dem Zuwendungsverhältnis (Valutaverhältnis) zwischen dem Verfügenden und dem Begünstigten zu unterscheiden. Beide Rechtsverhältnisse unterliegen sowohl hinsichtlich der durch sie begründeten Rechtsbeziehungen als auch mit Blick auf die Anfechtung von Willenserklärungen dem Schuldrecht. Erbrechtliche Bestimmungen finden insoweit keine Anwendung:
Die von einem Verstorbenen zu Lebzeiten begründete Bezugsberechtigung für die Todesfallleistung aus einer Lebensversicherung verschafft dem Begünstigten im Versicherungsfall eine im Deckungsverhältnis jedenfalls insoweit unentziehbare Rechtsstellung, als die Erben des Versicherungsnehmers die Bezugsberechtigung nicht mehr ändern oder widerrufen können. Denn mit Eintritt des Versicherungsfalls erwirbt der bis dahin Bezugsberechtigte ein unentziehbares Recht auf die Versicherungssumme, das nicht nachträglich durch Zugang einer Änderungsverfügung entfallen kann (BGH 14.07.1993 - IV ZR 242/92).
Ob der von einer Bezugsberechtigung Begünstigte die Versicherungsleistung im Verhältnis zu den dem Versicherungsnehmer nachfolgenden Erben behalten darf, beantwortet grundsätzlich allein das Valutaverhältnis. Durch die Auszahlung der Versicherungssumme wird das Angebot auf den Schenkungsvertrag durch den Versicherer übermittelt, den der Bezugsberechtigte durch das Behalten des Geldes annimmt.
Sofern die Versicherungssumme noch nicht an den Bezugsberechtigten ausgezahlt ist, können die Erben jedoch das Schenkungsangebot widerrufen. Sie haben einen Anspruch auf Abtretung der Versicherungsleistung. Folge ist, dass die Versicherungssumme der Erbschaft anfällt (BGH 21.05.2008 - IV ZR 238/06).
Ist die Versicherungssumme ausgezahlt, d.h. die Schenkung vollzogen, haben die Erben grundsätzlich keinen Anspruch auf das Geld. Aber: Es kann ggf. ein Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend gemacht werden.
- c)
Änderung der Bezugsberechtigung:
"Bei einer Lebensversicherung auf den Tod eines anderen erfordert die Änderung der Bezugsberechtigung im Todesfall (..) die schriftliche Einwilligung der versicherten Person" (BGH 25.09.2019 - IV ZR 99/18).