Berliner Testament
1 Allgemein
Das Berliner Testament ist ein Unterfall des gemeinschaftlichen Testaments. Dabei setzen sich Ehegatten gegenseitig als Erben ein und bestimmen, dass nach dem Tod des Längstlebenden der beiderseitige Nachlass an einen Dritten fallen soll (Schlusserbe, zumeist die gemeinsamen Kinder).
Hinweis:
Die Ausführungen zu dem Berliner Testament gelten gleichermaßen auch für Lebenspartner, § 10 Abs. 4 LPartG.
Ziel des Berliner Testaments ist die Erhaltung des Vermögens zugunsten des überlebenden Ehegatten. Der Schlusserbe soll sein Erbrecht im Zeitpunkt des Versterbens des ersten Ehegatten nicht geltend machen. Er erhält sein Erbe mit dem Tod des überlebenden Ehegatten, das Versterben des Längerlebenden ist somit eine aufschiebende Bedingung für das Erbrecht des Schlusserben. Widersetzt sich der Schlusserbe dieser Anordnung, so wird sein Erbe durch eine entsprechende Klausel in beiden Erbfällen auf den Pflichtteil beschränkt, siehe unten "Pflichtteilsklausel".
Unter erbschaftssteuerlichen Gesichtspunkten ist das Berliner Testament nicht zu empfehlen, wenn durch den Erbfall die Freibeträge überschritten werden. Denn beide Vermögensübertragungen unterliegen der vollen Erbschaftsteuer.
2 Formen
Es werden zwei Formen des Berliner Testaments unterschieden, die jeweils zu unterschiedlichen Verfügungsbeschränkungen führen.
- a)
Trennungsprinzip:
Wählen die Ehepartner die Form des Trennungsprinzips, setzen sie sich gegenseitig als Vorerben und den Dritten als Nacherben ein. Nacherbfall ist der Tod des längerlebenden Partners.
Der Längerlebende wird dadurch Inhaber zweier Vermögensmassen: Seines eigenen Vermögens und des Vermögens seines verstorbenen Ehepartners.
- b)
Einheitsprinzip:
Im Falle des Einheitsprinzips geht das Vermögen des Erstversterbenden gänzlich auf den längerlebenden Ehegatten über. Dieser wird Vollerbe, die Vermögensmassen des Erstversterbenden und die des längerlebenden Ehegatten verschmelzen zu einer Einheit. Mit dem Tode des Längerlebenden wird der Dritte Schlusserbe.
Enthält das Testament keine eindeutigen Bestimmung, so ist durch Auslegung zu ermitteln, welche Form gewählt worden ist. Im Zweifel soll gemäß § 2269 BGB das Einheitsprinzip gelten.
3 Verfügungsbeschränkungen
Beide Formen führen zu unterschiedlichen Verfügungsbeschränkungen des längerlebenden Ehegatten:
- a)
Trennungsprinzip:
Gemäß §§ 2113, 2115 BGB ist die Verfügung eines Vorerben über ein Grundstück, Recht an einem Grundstück, Schiff oder Schiffsbauwerk unwirksam, wenn das Recht des Nacherben dadurch beeinträchtigt würde. Unwirksam sind auch unentgeltliche Verfügungen oder Verfügungen aufgrund eines Schenkungsversprechens, sofern sie einen Erbschaftsgegenstand betreffen.
- b)
Einheitsprinzip:
Der längerlebende Ehegatte ist in seiner Verfügungsbefugnis nicht beschränkt.
Von dem überlebenden Ehegatten vorgenommene Verfügungen an Dritte, bei denen es sich nicht um die Schlusserben handelt, können grundsätzlich nicht verhindert werden, von den oben genannten Verfügungsbeschränkungen abgesehen. Die Schlusserben können erst nach dem Tod des (letzten) Erblassers in Beeinträchtigungsabsicht vorgenommene Schenkungen gemäß der §§ 2287, 818 BGB zurückfordern.
Hinweis:
Zu den Voraussetzungen siehe den Beitrag "Erbrecht - beeinträchtigende Schenkungen".
4 Wiederverheiratungsklausel
Die in dem Berliner Testament getroffenen wechselseitigen Verfügungen der Eheleute sind nach dem Tod des Erstversterbenden nicht mehr abänderbar. Auch bei dem Eingehen einer neuen Ehe bleibt es bei den Verfügungsbeschränkungen. Zum Schutz des überlebenden Ehepartners werden daher oftmals für den Fall der Wiederverheiratung des Längerlebenden sogenannte Wiederverheiratungsklauseln aufgenommen. Der Eintritt der aufschiebenden Bedingung wird somit auf den Zeitpunkt der Wiederverheiratung fingiert.
Im Rahmen einer Wiederverheiratungsklausel vereinbaren die Eheleute, wie das Vermögen des Erstversterbenden aufzuteilen ist, damit der Längerlebende in der Verwertung seines Vermögens wieder frei wird.
5 Pflichtteilsklausel
Grundsätzlich ist es den Schlusserben unbenommen, mit dem Tode des Erstversterbenden zumindest ihren Pflichtteil geltend zu machen und damit den Zweck des Berliner Testaments zu vernichten. Oftmals wird daher eine sogenannte Pflichtteilsklausel aufgenommen, die auch als Jastrowsche Klausel oder Verwirkungsklausel bezeichnet wird:
Danach wird das Erbe eines Schlusserben, der nach dem Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil geltend macht, auch bei dem Tod des Letztversterbenden auf den Pflichtteil begrenzt.
Welches Verhalten im Einzelfall ausreicht, ist mit der Klausel allerdings noch keineswegs eindeutig festgelegt und richtet sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen des Testierenden:
Im Allgemeinen ist aus der objektivierten Sicht des Erblassers davon auszugehen, dass der Erblasser mit der Sanktionsklausel seinen überlebenden Ehegatten nicht nur vor einer vorzeitigen Schmälerung der als Einheit gesehenen Erbmasse oder Gefahr einer solchen schützen, sondern ihm auch und gerade die persönlichen Belastungen ersparen wollte, die mit einer Auseinandersetzung mit dem (angeblich) Pflichtteilsberechtigten regelmäßig verbunden sind.
Die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen im Sinne der Pflichtteilsstrafklausel erfordert dementsprechend ein entsprechendes ernsthaftes Verlangen des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erben, nicht dessen erfolgreiche, womöglich gerichtliche Durchsetzung oder die wirksame Ausschlagung des Nacherbes (OLG Düsseldorf 18.07.2011 - I-3 Wx 124/11).
Auslegungsprobleme ergeben sich, wenn ein gemeinschaftliches Testament zwar eine Pflichtteilsklausel, aber keine Einsetzung von Schlusserben enthält. Einigkeit besteht in der Rechtsprechung in der Frage, dass eine Sanktionsklausel gegen die pflichtteilsberechtigten gemeinschaftlichen Kinder der Ehegatten u.U. als bindende Schlusserbeneinsetzung für den Fall, dass sie nicht den Pflichtteil verlangen, auszulegen sein kann.
Jedoch kann eine Pflichtteilsklausel allein nicht zwingend eine stillschweigende Schlusserbeneinsetzung zu entnehmen sein. Wenn nicht festgestellt werden, dass die Eheleute, die sich gegenseitig als Erben eingesetzt und im Hinblick auf ihre Kinder eine Pflichtteilsstrafklausel in den Erbvertrag aufgenommen haben, die Kinder als Schlusserben einsetzen wollten, so darf ein solcher Wille nicht unterstellt werden. Die Pflichtteilsstrafklausel genügt aber als Anhaltspunkt für eine solche Auslegung, wenn der Gesamtzusammenhang des Erbvertrags oder weitere Umstände (auch außerhalb der letztwilligen Verfügung) dafür sprechen. Andererseits wird aber dann, wenn sich aus der Auslegung der Pflichtteilsstrafklausel und aller anderen Umstände der Testamentserrichtung nicht ergibt, ob eine stillschweigende Schlusserbeneinsetzung oder nur eine "reine" Pflichtteilsstrafklausel gewollt war, im Zweifel davon auszugehen sein, dass die Erblasser lediglich den Strafcharakter der Pflichtteilsstrafklausel als Inhalt ihrer letztwilligen Verfügung wollten, nicht jedoch eine Schlusserbeneinsetzung ihrer Kinder (OLG Düsseldorf 14.01.2014 - I-3 Wx 64/13).