EuGH stopft Schlupfloch zweiter EU-Führerschein - Der "Fall Weber"

Autounfall Verkehrsunfall
24.11.20082242 Mal gelesen

Ein neues Urteil des Europäischen Gerichtshof stellt einmal mehr klar, dass das System der gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen kein Schlupfloch für Verkehrssünder ist. Wer in einem Staat den Führerschein verliert soll sich nicht mit einem zweiten Führerschein aushelfen können. Schon ab dem Vorfall, der ein Verfahren zur Aberkennung einer Fahrerlaubnis in Gang setzt, soll die Möglichkeit der Aberkennung einer anschließend in einem anderen EU-Mitgliedsland erteilten Fahrerlaubnis gegeben sein. 

In seiner Begründung erinnert der EuGH zunächst daran, dass der allgemeine Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der von den EU-Mitgliedsstaaten ausgestellten Führerscheine zuvorderst aufgestellt wurde, um die Freizügigkeit von Personen zu erleichtern, die sich in einem anderen Mitgliedsland niederlassen als demjenigen, in dem sie ihre Fahrprüfung abgelegt haben. Die Anerkennung solcher Führerscheine habe ohne jede Formalität zu erfolgen. 

Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gilt nicht uneingeschränkt  
 
Dann verweisen die Richter jedoch auf die in Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/ 439 / EWG statuierte Ausnahme vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, die es jedem einzelnen Mitgliedsstaat insbesondere aus Gründen der Verkehrssicherheit gestattet, die eigenen innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis auf jeden Inhaber eines Führerscheins anzuwenden, der seinen Wohnsitz in seinem Hoheitsgebiet hat. So sei ein Mitgliedsstaat auch jederzeit berechtigt, die Anerkennung eines Führerscheins für das eigene Hoheitsgebiet zu verweigern, der von einem anderen Mitgliedsstaat einer Person ausgestellt wurde, auf die im eigenen Hoheitsgebiet eine Maßnahme der Einschränkung, Aussetzung, Entziehung oder Aufhebung der Fahrerlaubnis angewendet wurde.     
 
Im aktuellen Fall, der vor dem Landgericht Siegen als Strafsache wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verhandelt wird, hatte ein Mann in Tschechien eine neue Fahrerlaubnis erworben, während in Deutschland schon ein Bußgeldverfahren wegen Fahrens unter Einfluss von berauschenden Mitteln (Cannabis, Amphetamin) lief. Einen Tag nach Zustellung des Bußgeldbescheides wurde ihm nach Ablegung einer Prüfung ein tschechischer Führerschein ausgestellt. Etwa zwei Monate später gab der frischgebackene Inhaber einer zweiten EU-Fahrerlaubnis seinen deutschen Führerschein freiwillig bei der Verwaltungsbehörde seines Heimatortes ab, nachdem ihm von der Behörde mitgeteilt wurde, dass ein Verfahren zur Aberkennung seiner deutschen Fahrerlaubnis im Gange war.
 
Einige Monate später hatte der vermeintlich clevere Inhaber einer zweiten EU-Fahrerlaubnis dann das Pech in eine Polizeikontrolle zu fahren. Darauf wurde er vom Amtsrichter wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt. Hiergegen legte er Berufung ein. Das Landgericht setze das Strafverfahren zunächst aus und richtete an den EuGH die vorab zu entscheidende Frage, ob die Behörde das Recht hat, einer von einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellten "zweiten EU-Fahrerlaubnis" die Anerkennung zu verweigern, wenn die Entziehung der (deutschen) Fahrerlaubnis auf einem Fehlverhalten fußt, das noch in die Zeit vor Erteilung der zweiten EU-Fahrerlaubnis fällt.
 
Die EU-Richter beantworten Vorlagefrage mit einem klaren Ja.
 
Sie sahen es als entscheidend an, dass gegen den Betroffenen im Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen EU-Fahrerlaubnis bereits ein Fahrverbot verhängt worden war und vor allem, dass der Vorfall, der sowohl zum dem Fahrverbot als auch zu dem späteren Entzug der Fahrerlaubnis geführt hat (Fahren unter Drogeneinwirkung) bei Ausstellung der zweiten Fahrerlaubnis bereits feststand, auch wenn ein Entzug der Fahrerlaubnis in diesem Zeitpunkt noch nicht ausgesprochen war.
 
Die Luxemburger Richter betonen, dass es nicht zuletzt das Vertrauen unterminieren würde, auf welchem das System der gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen beruhe, wenn ein Führerscheininhaber der straf- oder verwaltungsgerichtlichen Ahndung einer Zuwiderhandlung durch eine Führerscheinmaßnahme einfach dadurch entgehen könnte, dass er sich unverzüglich in einen anderen Mitgliedsstaat begibt und dort eine so genannte zweite EU-Fahrerlaubnis erwirbt.
 
So halten die EU-Richter es auch mit nicht mit Geist und Wortlaut der EU-Führerscheinrichtlinie für vereinbar, dass jemand Inhaber von mehr als einer EU-Fahrerlaubnis sein kann. Auch schon deshalb müsse die die Gültigkeit einer EU-Fahrerlaubnis abzuerkennen sein, wenn jemand im Zeitpunkt ihres Erwerbs noch Inhaber einer früher erteilten EU-Fahrerlaubnis ist.       
 
Das Urteil, das der EuGH am 20.11.2008 verkündet hat (C-1/07) wird unter der Bezeichnung "Weber" in die Reihe der Entscheidungen (vgl. Kapper, Halbritter, Wiedemann und Funk, Zerche) eingehen, welche zur Auslegung der EG-Führerscheinrichtlinie gesprochen wurden.    
 
Nähere Informationenen: www.cd-recht.de