Betriebsübergang neutralisiert keine vertragliche AVR-Bezugnahme - BAG, Urteil vom 23.11.2017 - 6 AZR 683/16

Arbeitsrecht Kündigung
27.11.2017209 Mal gelesen
Der kirchliche Arbeitgeber ist bisweilen recht großzügig. Die im Auftrag des Herrn geleistete Arbeit wird dann sogar besser bezahlt als profane. Das zeigt sich vor allem an Entgelterhöhungen, wenn in der Privatwirtschaft ganzjährig Fastenzeit angesagt ist. Und was ist bei einem Betriebsübergang?

Der Sachverhalt: Arbeitnehmer A. war im Rettungsdienst tätig, sein Arbeitgeber dem Diakonischen Werk angeschlossen. A.'s Arbeitsvertrag sah die Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) des Diakonischen Werks in ihrer jeweils geltenden Fassung vor. Nach einem Betriebsübergang weigerte sich der neue - nun weltliche - Arbeitgeber, die AVR-Entgelterhöhungen zu übernehmen.

Das Problem: Wenn ein Betrieb auf einen neuen Inhaber übergeht, "so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein." So will es das Gesetz. Der neue Arbeitgeber muss seine "neuen" Mitarbeiter - platt gesagt - so bezahlen wie der alte. Da nützt ihm auch der Glaube an die kirchliche Sonderstellung der AVR nichts.

Das Urteil: "Die dynamische Geltung der AVR hängt nicht davon ab, dass der Arbeitgeber ein kirchlicher ist." Die dynamische Bezugnahme auf die AVR verpflichtet den Betriebserwerber, "Änderungen der AVR wie zB Entgelterhöhungen im Arbeitsverhältnis nachzuvollziehen." Da hilft ihm nicht mal Unionsrecht (BAG, Urteil vom 23.11.2017, 6 AZR 683/16, Pressemitteilung).

Die Konsequenz: A. hat einen gesicherten Anspruch auf die AVR-Entgelterhöhungen. Nicht nur in diesem Jahr, auch in den vielen, die da noch kommen. Sein Arbeitgeber kann ihm zwar eine Vertragsänderung anbieten, aber warum sollte A. die annehmen? Er würde damit auf gesicherten Besitzstand verzichten. Bleibt noch eine Änderungskündigung - und die ist nur in Ausnahmefällen sozial zu rechtfertigen.

Die grundlegende Norm: § 613a Abs. 1 BGB

"(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird."