Arbeitsrecht Bonn: Schmähkritik auf Facebook reicht für Kündigung nicht aus (Bay. VGH Febr. 2012)

Arbeitsrecht Kündigung
23.03.2012329 Mal gelesen
In sozialen Netzwerken geäußerte ehrenrührige Aussagen über Kunden des Arbeitgebers, vermögen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit letztlich auch die Annahme eines besonderen Falles (MuSchG) nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen.

 Bei den Äußerungen kommt es darauf an, ob das so genannte posting im privaten Bereich von facebook, oder öffentlich erfolgt ist.

Die schwangere Klägerin hatte auf ihrem privaten facebook-Konto über einen Kunden ihres beigeladenen Arbeitgebers, bei dem sie als Sicherheitsmitarbeiterin im Empfangsbereich eingesetzt war, folgendes gepostet:

"Boah kotzen die mich an von xxxxx, da sperren sie einfach das Handy, obwohl man schon bezahlt hat . und dann behaupten die es wären keine Zahlungen da. Solche Penner . Na ja, ab nächsten Monat habe ich einen neuen Anbieter ."

Der Arbeitgeber begründete seinen Antrag, eine außerordentlich fristlose Kündigung aus wichtigem Grund im Sinne des § 626 BGB nach § 9 Abs. 3 MuSchG zuzulassen im Wesentlichen damit, dass die Klägerin die Aussage öffentlich über Facebook verbreitet habe. Das Gewerbeaufsichtsamt ließ mit Bescheid die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu.

Die Klägerin bekam vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Recht.

Gemäß § 9 Abs. 3 MuSchG kann die für den Arbeitsschutz zuständige Oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle  in besonderen Fällen, die nicht mit dem Zustand einer Frau während der Schwangerschaft oder ihrer Lage bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung in Zusammenhang stehen, ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklären.

Der besondere Fall des § 9 Abs. 3 Satz 1 MuSchG ist mit dem "wichtigen Grund" des § 626 BGB nicht gleichzusetzen. Ein solcher Fall kann demzufolge nur ausnahmsweise dann angenommen werden, wenn außergewöhnliche Umstände das Zurücktreten der vom Gesetz als vorrangig angesehenen Interessen der Schwangeren hinter die gewichtigeren Interessen des Arbeitgebers rechtfertigen.

Das Verwaltungsgericht hat nicht nur Bedeutung und Tragweite des Kündigungsschutzes Schwangerer, sondern auch die des Grundrechts der Meinungsfreiheit fehlerhaft gewichtet. Da die Ausführungen der Klägerin das Verhalten des Kunden kritisieren, nicht aber das Unternehmen pauschal  diffamieren, dürfte die Annahme einer unzulässigen Schmähkritik oder gar ehrverletzenden Beleidigung von vorneherein fernliegen. Vielmehr erweisen sich die Äußerungen der Klägerin noch als vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt.
Unrichtig auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, es mache keinen Unterschied ob ein "posting" über den öffentlichen oder den so genannten privaten Bereich erfolge, denn auch im letzteren Fall habe der Benutzer mit einer Veröffentlichung zu rechnen und könne nicht von einer vertraulichen Kommunikation im Sinne der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ausgehen.
Unterstellt, es würde sich tatsächlich um diffamierende oder ehrverletzende Äußerungen handeln, so wäre hier von Bedeutung, ob es sich um eine vertrauliche Kommunikation mit ihren Internetfreunden gehandelt hat oder nicht. Denn derartige Äußerungen in vertraulichen Gesprächen vermögen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit letztlich auch die Annahme eines "besonderen Falles" im Sinne von § 9 Abs. 3 Satz 1 MuSchG nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen.
Der Arbeitnehmer darf anlässlich solcher Gespräche nämlich regelmäßig darauf vertrauen, dass seine Äußerungen nicht nach außen getragen werden. Er muss nicht damit rechnen, dass durch sie der Betriebsfrieden gestört und das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber belastet wird.

Es würde deshalb wohl darauf ankommen, ob das so genannte"posting" im lediglich privaten Bereich von Facebook, oder eben öffentlich erfolgt ist, zumal nach der Rechtsprechung des BAG der Erfahrungssatz gilt, dass angreifbare Bemerkungen, die im  kleineren Kollegenkreis erfolgen, regelmäßig in der sicheren Erwartung geäußert werden, sie würden nicht über den Kreis der Gesprächsteilnehmer hinaus dringen. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, ein Benutzer von facebook dürfe, selbst dann, wenn er nur über seinen privaten facebook account eine Äußerung verbreite, nicht darauf vertrauen, dass diese im vorgenannten Sinne vertraulich bleibe, ist deshalb  ohne Grundlage.

Rechtsanwalt Sagsöz, Bonn

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Quelle:

Bay. VGH, Beschluss vom 29.02.2012
Aktenzeichen: 12 C 12.264
Bay. VGH-online