Ein 1949 geborener, mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannter Schwerbehinderter arbeitete seit 1969 in einem Baden-Württembergischen Betrieb in der Stadt Ludwigsburg als Monteur. Die Stadt Ludwigsburg war über Jahrzehnte der einzige Produktionsstandort seines Arbeitgebers. Unser Monteur war zuständig für die Montage des "A".
Der Arbeitgeber schloss mit dem Betriebsrat im Oktober 2008 einen Interessenausgleich. Dabei wurde die Stilllegung der Produktion im Betrieb Ludwigsburg zum 31.10.2008 beschrieben und deren Verlagerung an den neu angemieteten Produktionsstandort in Reutlingen geregelt. Dabei sollen die betroffenen Arbeitnehmer nach Reutlingen versetzt werden. Sollten die betroffenen Mitarbeiter den angebotenen neuen Arbeitsplatz in Reutlingen nicht annehmen, sollte der Arbeitgeber zum Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen berechtigt sein, wobei die betroffenen sechs Arbeitnehmer im Interessenausgleich namentlich benannt wurden, unter anderem auch unser Monteur. Der Betriebsrat stimmte bereits im Interessenausgleich der Versetzung zu. Nach einem Sozialplan hat der Arbeitgeber für die betroffenen Mitarbeiter einen Pendelbus zur Verfügung zu stellen. Außerdem erhält jeder betroffene Arbeitnehmer als Ausgleich für die tägliche Fahrtzeit eine Ausgleichszahlung in Höhe von 250,00 EUR brutto monatlich. Der Pendelbus fährt regelmäßig morgens um 6.00 Uhr an der alten Betriebsstätte in Ludwigsburg ab. Arbeitsbeginn in Reutlingen ist um 7.00 Uhr.
Am 5. November wurde unser Monteur sodann von Ludwigsburg nach Reutlingen versetzt.
Unser Monteur hält seine Versetzung für unwirksam. Er meint, seine Versetzung würde nicht billigem Ermessen entsprechen. Er benötige nunmehr 2,5 bis 3,5 Stunden täglich als Fahrtzeit zwischen Wohnort und Arbeitsort in Reutlingen, was selbst Arbeitslosen nicht zugemutet würde und deshalb auch im Arbeitsverhältnis nicht von ihm verlangt werden könne. Außerdem leide er an Diabetes, sowie an Bluthochdruck.
Er klagt beim Arbeitsgericht, dass sein Arbeitgeber verpflichtet werden möge, ihn weiterhin in Ludwigsburg zu beschäftigen, hilfsweise, dass das Gericht die Unrechtmäßigkeit der Versetzungsanordnung aussprechen möge.
Der Arbeitgeber meint, dass die Versetzung billigem Ermessen entspräche. Vor der Versetzung habe die Wegstrecke zwischen Wohnort und Arbeitsort in Ludwigsburg ausweislich Google maps 12,3 Kilometer betragen, wofür der Monteur 22 Minuten einfach benötigt habe. Nunmehr betrage die Wegstrecke zwischen Wohnort und dem Arbeitsort Reutlingen insgesamt 68,4 Kilometer, was in 56 Minuten zu bewerkstelligen sei. Dies sei nicht unzumutbar. Wegen der inzwischen vollzogenen gänzlichen Verlagerung der Produktion nach Reutlingen sei zumindest zuletzt keine Auswahlentscheidung mehr möglich gewesen. Deshalb sei auch eine Beschäftigung in Ludwigsburg nicht mehr möglich.
Das Landesarbeitsgericht wies den Hauptantrag des Monteurs ab und gab dem Hilfsantrag statt.
Der Arbeitgeber sei hinsichtlich der Pflicht, den Monteur in Ludwigsburg zu beschäftigen, von der Leistungspflicht befreit, denn die Erfüllung der Beschäftigungspflicht würde für den Arbeitgeber einen Aufwand erfordern, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Monteurs stünde. Denn der Arbeitgeber habe die gesamte Produktion von Ludwigsburg nach Reutlingen verlagert. Er unterhalte in Ludwigsburg keine Produktionsstätte mehr. Es könne ihm nicht zugemutet werden, nur für einen einzigen Monteur eigens einen Montagearbeitsplatz in Ludwigsburg neu einzurichten.
Der Antrag, den Arbeitgeber auf Beschäftigung in Ludwigsburg zu verurteilen war daher abzuweisen.
Der Feststellungsantrag des Monteurs ist indes begründet. Die Versetzungsanordnung des Arbeitgebers war rechtswidrig.
Enthält ein Arbeitsvertrag keine ausdrücklichen Regelungen zum Arbeitsort, gilt der Betriebsort als vertraglich festgelegter Arbeitsort. Gilt aber der Betriebsort als vertraglich festgelegter Arbeitsort, umfasst das allgemeine Weisungsrecht des Arbeitgebers grundsätzlich nicht die Versetzung des Arbeitnehmers an einen anderen Arbeitsort. Die Befolgung einer Betriebsverlagerung an einen anderen Ort kann dann nicht mehr einseitig verlangt werden. Selbstverständlich könne in diesen Fällen aber vertraglich ein Versetzungsvorbehalt vereinbart werden.
Das Gericht führt sodann aus, das dies im vorliegenden Fall nicht geschehen sei.
(Quelle: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10.12.2010; 18 Sa 33/10
Vorinstanz: Arbeitsgericht Reutlingen, Urteil vom 20.05.2010; 1 Ca 28/10)
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