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Beschäftigungspflicht

 Normen 

§§ 611, 613 BGB i.V.m. § 242 BGB

 Information 

Die von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Rechtspflicht zur Beschäftigung (BAG 24.06.2015 - 5 AZR 462/14; BAG 22.07.2014 - 9 AZR 1066/12) bedeutet, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer grundsätzlich vertragsgemäß beschäftigen muss, wenn dieser es verlangt. Rechtsgrundlage hierfür sind §§ 611, 613 BGB i.V.m. § 242 BGB, wobei die Generalklausel des § 242 BGB dabei ausgefüllt wird durch die Wertentscheidung der Art. 1 und Art. 2 GG (Persönlichkeitsrechte - BAG 27.02.1985 - GS 1/84).

Aber es bestehen Grenzen:

Der allgemeine Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur mit Begrenzungen anzuerkennen (BAG 15.06.2021 - 9 AZR 217/20):

"Der allgemeine Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers (...) setzt (..) voraus, dass das Interesse des Arbeitnehmers an seiner Beschäftigung das des Arbeitgebers an seiner Nichtbeschäftigung überwiegt. (...) Der Beschäftigungsanspruch kann ausgeschlossen sein, wenn eine Beschäftigung des Arbeitnehmers, z.B. wegen Auftragsmangels oder einer Umorganisation, die auf einer rechtmäßigen unternehmerischen Entscheidung beruht, nicht (mehr) möglich ist. (...) Der Arbeitgeber trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich das Überwiegen der von ihm geltend gemachten schutzwürdigen Interessen ergeben soll, weil er hieraus für sich günstige Rechtsfolgen ableitet. Er hat die tatsächlichen Grundlagen für den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs schlüssig vorzutragen und im Fall des Bestreitens zu beweisen."

Der Arbeitgeber kann eine Freistellung insofern nur erzwingen, wenn er gute Gründe hat:

"Nur wenn der Arbeitgeber überwiegende und schutzwerte Interessen vorzuweisen hat, kann der Arbeitnehmer nach einer Abwägung der Interessen beider Seiten unter Umständen auch gegen seinen Willen suspendiert werden", so das LAG Schleswig-Holstein (06.02.2020 - 3 SaGa 7 öD/19).

Für die finanzielle Absicherung bei Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers sorgen die Vorgaben für den Annahmeverzug gemäß § 615 Satz 1 BGB (LAG Köln 24.05.2016 - 12 Sa 677/13).

Hinweis:

Zu den Anforderungen einer Beschäftigungspflicht bei einer eingeschränkten Leistungsmöglichkeit des Arbeitnehmers siehe den Beitrag "Leidensgerechter Arbeitsplatz" sowie zur Beschäftigungspflicht bei Vorliegen einer Schwerbehinderung siehe den Beitrag "Schwerbehinderte Arbeitnehmer - Beschäftigungspflicht".

 Siehe auch 

Annahmeverzug

Arbeitsentgelt ohne Arbeit

Direktionsrecht

Krankheitsbedingte Kündigung

Leidensgerechter Arbeitsplatz

Personenbedingte Kündigung

Schwerbehinderte Arbeitnehmer

Bährle: (Weiter-)Beschäftigungspflicht hat Vorrang vor einer Kündigung; Das Recht der Wirtschaft - RdW 2012, 15

Dörner/Luczak u.a.: Handbuch des Arbeitsrechts; 16. Auflage 2022

Kleinebrink: Die Beschäftigungspflicht auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz; Fachanwalt Arbeitsrecht - FA 2011, 66