Die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich leider nicht beruhigt. Immer wieder erleben Mandanten Situationen, die man niemandem wünscht. Ein krasser Fall, der leider kein Einzelfall ist, ist folgender: Ein Mandant dachte, sein Leben sei perfekt, er hatte gerade die Geburt seines zweiten Kindes miterlebt und dachte, dass nichts das familiäre Glück trüben könne. Noch während seines Urlaubes - wegen der Geburt - "kontaktierte" ihn sein Arbeitgeber, um ihn davon zu unterrichten, dass sein Arbeitsplatz weggefallen sei und dass man ihm trotzdem noch ein "großzügiges" Angebot - Aufhebungsvertrag - unterbreiten wolle. Wenn er dieses nicht annehme, dann würde er eben betriebsbedingt gekündigt.
Über Anstand und Moral kann gerade in der heutigen Zeit lange gestritten werden, aber in einer solchen Situation sind diese Diskussionen wenig zielführend. In einem solchen Moment führt eine "Vogel-Strauß-Politik" nicht weiter, vielmehr geht es darum, auf der Basis einer Analyse der rechtlichen, und nicht zuletzt auch wirtschaftlichen, Position kurzfristig eine geeignete Strategie zu entwickeln. Dies ist für den arbeitsrechtlichen Laien, der das Zusammenspiel der verschiedensten arbeitsrechtlichen Komponenten (z.B. Arbeitsvertrag, gesetzliche Regelungen, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, etc.) nicht kennt, nur schwer oder gar nicht möglich. Insbesondere sind gerade im Arbeitsrecht vielfältige Fristen zu beachten! Darüber hinaus ist es meine Überzeugung, dass die rein rechtliche Betrachtung oder Bearbeitung eines solchen Falles nicht zu einem optimalen Gesamtergebnis führt.
In dem konkreten Fall musste zunächst die wirtschaftliche Grundlage der Familie (Eltern und zwei kleine Kinder sowie Verpflichtungen hinsichtlich der gerade erworbenen Eigentumswohnung) gesichert werden. Obwohl der Arbeitgeber das Kündigungsverfahren schon eingeleitet hatte (die diesbezügliche Anhörung des Betriebsrates war schon auf dem Weg), konnte die "Maschinerie" noch gestoppt werden. Hier lag auf der Hand, dass nicht nur Frauen sondern auch Männer Elternzeit beantragen können. Mit der Elternzeit an sich ist jedoch konkret noch nichts gewonnen, da der "Elternzeitler" zwar Sonderkündigungsschutz genießt, dafür jedoch keine nennenswerten Einkünfte mehr hat. Zusätzlich musste hier noch der elternzeitbezogene Teilzeitanspruch (nicht zu verwechseln mit dem Teilzeitanspruch gem. TzBfG!) eingefordert werden.
Die arbeitsrechtlichen Aspekte dieses Falles sind damit jedoch noch nicht erschöpft, da der Mandant zum Zeitpunkt der "angedrohten Kündigung" ca. 4 Jahre in dem Unternehmen beschäftigt war. Da in diesem Unternehmen ein Beschäftigungssicherungstarifvertrag (mit dem Ausschluss ordentlicher betriebsbedingter Kündigungen bis ins Jahr 2010) galt, der ab einer Mindestbetriebszugehörigkeit von 5 Jahren für den Einzelnen wirkte, war es möglich, durch entsprechende Maßnahmen mit der Elternzeit in diesen "sicheren Hafen" zu gelangen.
Im Ergebnis konnte somit die wirtschaftliche Grundlage der Familie auf etwas niedrigerem Niveau (wg. Teilzeittätigkeit) gesichert werden. Wie dieser Zeitgewinn genutzt wird, ist jetzt Sache des Mandanten bzw. seiner Familie.
Dieses Beispiel zeigt, dass es gerade im Arbeitsrecht keine pauschalen Lösungen und Ratschläge geben kann, da jeder Einzelfall, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der individuellen Wünsche und Vorstellungen, anders gelagert ist.
Wichtig ist jedoch, das sobald einem das "Bauchgefühl" oder der Instinkt sagt, dass am Arbeitsplatz etwas nicht mehr stimmt, die Situation durch einen Fachmann (Fachanwalt für Arbeitsrecht) analysiert wird, um dann gemeinsam eine individuelle Strategie im Vorfeld zu entwickeln und umzusetzen.
Hinsichtlich der anwaltlichen Kosten im Arbeitsrecht ist zu beachten, dass aufgrund gesetzlicher Besonderheiten im Arbeitsrecht, eine rechtzeitig abgeschlossene Rechtsschutzversicherung dringend anzuraten ist.
Thomas Baumhäkel
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht
08.01.20081048 Mal gelesen