Gerichtliche örtliche Zuständigkeit bei Filesharing-Fällen

Gerichtliche örtliche Zuständigkeit bei Filesharing-Fällen
21.12.2012827 Mal gelesen
23.12.2012: Urteil des AG Frankfurt am Main ging in die richtige Richtung – leider aufgehoben in Berufungsinstanz

Bietet jemand urheberrechtlich geschützte Werke durch sog. Filesharing-Programme im Internet an und setzt sich der Rechteinhaber dagegen zur Wehr, so kann der Rechtsverletzer - meisten nach erfolgter Abmahnung - vor einem Zivilgericht auf Schadensersatz wegen der Rechtsverletzung verklagt werden.

 

Fraglich ist, welches Gericht für diese Klage örtlich zuständig ist. Obwohl sich die gerichtliche Zuständigkeit im Urheberrecht hauptsächlich nach allgemeinen zivilprozessualen Regeln richtet, ist eine Ermittlung des zuständigen Gerichtes nicht immer eindeutig möglich.

 

Vor Augen halten muss man sich dabei folgenden Interessenskonflikt zwischen dem Rechteinhaber und dem Rechtsverletzer. Die gerichtliche Zuständigkeit kann gerade bei geringen Streitwerten von einigen hundert Euro für den Ausgang eines Verfahrens mit ausschlaggebend sein. Wird beispielsweise X aus München von dem Rechteinhaber eines urheberrechtlich geschützten Werkes in Hamburg verklagt und steht eine Schadensersatzforderung von € 500,00 im Raum, so ist es fraglich, ob sich wegen einer solchen Summe die Rechtsverteidigung des X überhaupt lohnt. Der Hintergrund ist, dass die Fahrtkosten des Beklagten und dessen Anwalt die Klagforderung übersteigen.

 

Allgemeine Regel

 

Um die hier liegende Problematik besser verstehen zu können, muss man sich mit den Grundsätzen der Zivilprozeßordnung (ZPO) vertraut machen. Zunächst einmal bestimmt die ZPO in den §§ 12 und 13, dass eine Person, welche verklagt werden soll, ihren Gerichtsstand an ihrem Wohnsitz hat, so die allgemeine Regel.

 

Auf das vorliegende Beispiel übertragen würde das heißen, das X in München verklagt werden müsste. Von diesem Grundsatz wird nur abgewichen, soweit ein sachlicher Grund dies rechtfertigt. Ein solcher sachlicher Grund wäre die größere Sachnähe eines Gerichts zum Streitgegenstand. Beispielsweise ist bei Klagen über Rechte an Grundstücken das Gericht, das in dem Bezirk liegt, in dem auch das Grundstück liegt, zuständig.

 

Ausnahme

 

Einen solche Ausnahme aufgrund "Sachnähe" bestimmt § 32 ZPO. Diese Vorschrift gilt für Urheberrechtsverletzungen durch das Anbieten von urheberrechtlich geschützten Werken im Internet.

 

§ 32 ZPO legt den Gerichtsstand für unerlaubte Handlungen fest: örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk die Handlung begangen worden ist. Eine unerlaubte Handlung stellt einen widerrechtlichen Eingriff in die Rechte Dritter dar.

 

Der klassische Fall einer unerlaubten Handlung ist beispielsweise ein Verkehrsunfall. Haben X aus München und Y aus Berlin einen Verkehrsunfall miteinander in Stuttgart, so kann nach § 32 ZPO ein Gericht in Stuttgart örtlich für diese Klage zuständig sein.

 

Auch eine Urheberrechtsverletzung stellt eine unerlaubte Handlung dar. Damit ist zunächst der Anwendungsbereich des § 32 ZPO eröffnet. Findet dieser § 32 ZPO nun für Urheberrechtsverletzungen, welche im Internet begangen wurden, Anwendung, so wird er "fliegender Gerichtsstand" genannt.

 

Dieser Name ist daraus entstanden, da nach § 32 ZPO jedes Gericht örtlich zuständig ist, in dessen Bezirk die unerlaubte Handlung begangen worden ist. Da die Rechtsverletzung im Internet stattfand und dieses weltweit abgefragt werden kann, ist damit jedes Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk Internet verfügbar ist, da Dritte das urheberrechtlich geschützte Werk im Internet abrufen können. Praktische Folge aus dieser Rechtsauffassung ist, dass jedes Gericht in Deutschland örtlich zuständig ist.

 

Der Kläger hat damit die Wahl, wo er den Rechtsverletzer verklagen kann. Er kann damit das Gericht an seinem eigenen Sitz auswählen, oder ein Gericht, das ihm besonders klägerfreundlich erscheint. Dies widerspricht aber der grundsätzlichen Interessenlage, welche die Gerichtsstandsbestimmungen in der ZPO regeln. Diese Regeln in der ZPO legen grundsätzlich fest, dass sich der Gerichtstand nach dem Sitz des Beklagten richtet. Dies soll einen Interessenausgleich zwischen den Interessen des Beklagten und des Klägers gewährleisten. Der Kläger kann den Zeitpunkt seines Angriffs wählen, d. h. wann er Klage erhebt. Dafür ist als Ausgleich das Gericht am Wohnsitz des Beklagten zuständig, so der Grundsatz.

 

Von diesem Grundsatz weicht § 32 ZPO ab, da der Kläger die Wahl hat, welches Gericht er für seinen Angriff auswählt. Ursprünglich beruht die Regelung des § 32 ZPO auf dem Gedanken der Sachnähe, welcher eine leichtere Aufklärung verspricht.

 

Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main

 

Diesem Gedanken läuft eine Anwendung des § 32 ZPO auf sog. Filesharing-Fälle zuwider. Dies sieht auch das Amtsgericht Frankfurt am Main in seinem Urteil vom 13.02.2012, Az. 31 C 2528/11 so. Es erklärte sich für eine auf § 32 ZPO gestützte Klage eines Rechteinhabers für örtlich unzuständig. Es begründete seine Rechtsauffassung damit, dass § 32 ZPO bei Filesharing-Fällen einen Wahlgerichtsstand des Klägers begründen würde, welcher keine sachliche Rechtfertigung habe. Eine Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes bei Rechtsverletzungen im Internet wird in der Form gemacht, daß nur Gerichte zuständig sind, in deren Gebieten sich die Rechtsverletzung bestimmungsgemäß auswirken sollte. Dies ist insoweit gefestigte Rechtsprechung. Eine bestimmungsgemäße Auswirkung im Bezirk des Amtsgerichts Frankfurt am Main sah das Amtsgericht Frankfurt am Main vorliegend nicht gegeben. Dies begründete es damit, daß der Rechtsverletzer es beim Anbieten von urheberrechtlich geschütztem Material in sog. Peer-to-peer Netzwerken nicht beeinflussen könne, wo überall das urheberrechtliche geschützte Material im Internet abgerufen würde. Im Ergebnis sei deswegen § 32 ZPO unanwendbar.

 

Diese Entscheidung geht in die richtige Richtung, sie wurde allerdings von der 6. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main am 18.07.2012 in der Berufung aufgehoben. Letztendlich muß diese Frage vom Bundesgerichtshof abschließend geklärt werden, damit Rechtsklarheit besteht, oder der Gesetzgeber muß die gesetzliche Regelung ändern.

 

Die oben dargestellten Ausführungen zeigen, dass § 32 ZPO von seinem ihm immanenten Grundgedanken der Sachnähe und seiner historischen Entstehungsgeschichte nicht auf "Filesharing-Fälle" paßt.

 

Es bleibt hierbei zu hoffen, dass sich die richtige Rechtsansicht des Amtsgerichts Frankfurt am Main in der Rechtsprechung langfristig durchsetzen wird.