Scheinselbstständigkeit im Transportgewerbe: Dürfen Kurierfahrer als Subunternehmer eingesetzt werden?

Soziales und Sozialversicherung
01.05.20111763 Mal gelesen
Kurierfahrer werden häufig als Subunternehmer beschäftigt. Man will Sozialversicherungsbeiträge sparen. Dies führt vielfach zu Scheinselbständigkeit. Pauschale Beurteilungen sind aber falsch. Jeder Fall ist anders. Die Behörden müssen sorgfältig prüfen.

 Dies geschieht nicht immer, wie folgender Fall einer völlig überzogenen Vorgehensweise zeigt: Die Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover (vormals LVA) hatte eine Gruppe von Kurierfahrern, die für ein anderes Transportunternehmen als Subunternehmer tätig waren, als scheinselbständig eingestuft. Von dem Transportunternehmer wurden zunächst Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 325.437,72 DM ( = 166.393,66 EUR) gefordert. Auf seinen Widerspruch wurde die Forderung zunächst auf 265.246,17 DM ( = 135.618,58 EUR), später noch einmal auf 100.170,58 EUR reduziert. Der Unternehmer erhob Klage, die in erster Instanz vom Sozialgericht Hannover abgewiesen wurde. Im Berufungsverfahren beanstandeten die Richter des Landessozialgerichts dass die Behörde, die zudem beweispflichtig war, die entscheidenden tatsächlichen Fragen, auf die es für die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit ankommt, nicht ausreichend geklärt hatte. Einer der betroffenen Kurierfahrer, der im Termin selbst anwesend war, hatte über seine Tätigkeit Auskunft gegeben. Auf Anraten des Gerichts hob die Prozessvertreterin der DRV noch in der Verhandlung den streitigen Beitragsbescheid in Bezug auf diesen Fahrer auf. Aus prozessökonomischen Gründen und zur Vermeidung einer langen Beweisaufnahme, deren Ergebnis angesichts des langen Zeitablaufs nicht voraussehbar war, schlossen die Parteien hinsichtlich eines weiteren Fahrers einen Vergleich dahingehend, dass auch insoweit der Prüfbescheid aufgehoben wurde. Dieser Vergleich wurde nach Ablauf einer Widerrufsfrist, die die DRV verstreichen ließ, rechtskräftig. Die Restforderung beträgt nach Abschluss des Verfahrens noch gut 5.000,00 EUR (von ursprünglich 166.393,66 EUR).

Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 09.07.2007

Streitwertbeschluss

Vergleichsprotokoll LSG

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