Strategie zur Insolvenzvermeidung trotz Überschuldung

Zivilrecht, Prozess und Zwangsvollstreckung
01.02.20101466 Mal gelesen
Gerade bei Regelinsolvenzen stellt sich die Frage nach Möglichkeiten legaler InsO-Vermeidung ohne Wohnsitzwechsel nach England oder Frankreich und unter Beibehaltung der eigentlichen Handlungsform (also keine limited).Vor diesem Hintergrund sollte nichts unversucht bleiben, eine einvernehmliche Regulierung auf Basis eines SBP herbeizuführen, ggf. auch zwangsweise.

Insolvenzvermeidung (insbes. Regelinsolvenz) trotz Überschuldung

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet: Insolvenzrecht

Wer (mehr oder weniger) unverschuldet zahlungsunfähig oder überschuldet ist und keine realistische Aussicht auf nachhaltige Besserung besteht, wird recht bald darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll wäre, ein Insolvenzverfahren durchzuführen.

Trotz der damit verbundenen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und möglicherweise auch familiären Nachteile und Schwierigkeiten ist in der Regel der Weg in die Insolvenz ratsam, häufig sogar unvermeidbar.

Letzteres gilt namentlich für die Antragspflicht des Geschäftsführers (GF) einer überschuldeten GmbH , tritt aber auch für den Fall ein, dass Gläubiger die Insolvenzbeantragung als Vollstreckungsmittel einsetzen. Dann wird der Schuldner von außen über das Insolvenzgericht meist völlig unvorbereitet und nichtsahnend mit einem durchaus existenzvernichtend wirkend könnenden Insovenzverfahren überzogen mit nur begrenzten Abwehrmöglichkeiten.

Was also ist zu tun, wenn z.B. das Finanzamt wegen Steuerrückständen von 50.000,- EUR gegen den zahlungsunfähigen Schuldner Insolvenzantrag stellt, dieser nicht mal ansatzweise in der Lage ist, das Antragsverfahren durch schlichte Zahlung der kompletten Schuldsumme zu erledigen, andererseits aber mit allen Mitteln jegliche Art von Insolvenzverfahren über sein Vermögen vermeiden möchte, weil ihm klar ist, dass damit im Ergebnis zwangsläufig seine Existenzvernichtung verbunden sein wird.

Ok, in dieser Situation sollte man unbedingt versuchen, die Gläubiger auf der Grundlage eines zuvor erarbeiteten Schuldenbereinigungsplanes (SBP) mit einer Einmalzahlung im Wege des außergerichtlichen Vergleichs abzufinden.

(Bei Vollstreckungsinsolvenzen ist das Gericht zugleich auf die laufenden Vergleichsverhandlungen hinzuweisen und darum zu bitten, vorerst keine kostenauslösenden Maßnahmen - z.B. Gutachterbestellung etc. - auszulösen und auch die dem Schuldner zustehende Erklärungsfrist um 3 - 4 Wochen zu verlängern. Ferner sollte vorsorglich zur Vermeidung eines sonst möglichen Verlustes der persönlichen Restschuldbefreiung ein eigenes Insolvenzantragsverfahren anhängig gemacht werden, wiederum verbunden mit der Bitte, wegen der laufenden Vergleichsverhandlungen einstweilen darüber (noch) nicht zu entscheiden).

Diese, eine vergleichsweise Regelung favorisierende Insolvenzvermeidungsstrategie setzt allerdings voraus, dass der Schuldner in der Lage ist, über Dritte kurzfristig einen Betrag zu organisieren, der mindestens 10 - 12 % der Gesamtschuldsumme entsprechen sollte.

Dieser Teil ist oft der Schwierigste. Andererseits habe ich es in der Praxis mehr als einmal erlebt, das Freunde und Verwandte (ja sogar Banken) zur Leistung bereit waren, nachdem Sie feststellten , dass ein Verlust der Vergleichsumme an die Insolvenzmasse auch bei Scheitern der Vergleichsbemühungen ausgeschlossen ist, weil das im Eigentum des Geldgebers zunächst verbleibende Geld nur dann eingesetzt wird, wenn der Schuldner dadurch komplett schuldenfrei wird, andernfalls die Beträge sofort an die "Sponsoren" zurück zu geben sind, was vernünftiger Weise insgesamt über ein anwaltliches Treuhandkonto abgewickelt werden sollte. Außerdem stieg die Leistungsbereitschaft des persönlichen Umfeldes des Schuldners häufig schlicht auf Grund der Tatsache, dass dessen Aktivitäten zur Schuldenbefreiung als eine Art vertrauensbildende Maßnahme verstanden wurden.

Ist die Bereitstellung des Gesamtabfindungsbetrages gesichert, müssen "nur" noch die Gläubiger überzeugt werden, in jeder andern denkbaren Konstellation mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weniger zu erhalten als im Falle der Annahme des SBP. Und dies entspricht wirklich der Realität!!!

Um diesen wichtigen Umstand den Gläubigern näher zu bringen, habe ich die im Folgenden wörtlich abgedruckte "Entscheidungshilfe" erarbeitet, die alle wichtigen Faktoren enthält, die seitens des Gläubigers bei der Entscheidung pro oder contra SBP berücksichtigt werden sollten. Und offenbar verfehlt diese Analyse ihr Ziel nicht, wie die Häufung zustande gekommener Vergleiche in den letzten 3 -4 Monaten zeigt.

An alle Gläubiger: Mit dem anliegenden Schuldenbereinigungsplan bietet der Schuldner den ihm aktuell möglichen und prognostisch auch künftig zahlbaren Betrag als eine Einmalzahlung von Dritter Seite in Höhe von €.... .zur Abgeltung seiner Schulden an . Dabei wurde die Belastbarkeitsgrenze bereits ausgereizt, um ein vergleichsweise hohes Abzahlungsangebot ohne Gefährdung der eigenen Existenz des selbständig/freiberuflich als ... tätigen Schuldners unterbreiten zu können. Zu berücksichtigen waren dabei u.a. auch die voraussichtlich für die nächsten 6 Jahre fortbestehenden ..... Unterhaltspflichten, weil... Gesundheitszustand, Alter des Schuldners, Branche = keine Chance auf Job am ersten Arbeitsmarkt ....usw. ( ausführlich zu begründen).

Der Schuldner möchte mit dieser Verfahrensweise vermeiden, förmlich die Insolvenz beantragen zu müssen, was unabdingbar ist, sollte der Schuldenbereinigungsplan nicht von allen Gläubigern laut Gläubigerliste angenommen werden. Diesseits sei allen Gläubigern dringend angeraten, den "Abfindungsvergleich" in der dargelegten Form anzunehmen. Kommt es nicht zu einer einvernehmlichen Lösung, wird der Schuldner das Regelinsolvenzverfahren betreiben, gleichzeitig aber nach legalen Alternativen Ausschau halten, die ihm ein von insolvenzrechtlicher Bevormundung weitgehend freies Tätigsein entweder sofort oder nach 1 ½ bis 2 Jahren gestatten. Dass diesbezüglich ernstzunehmende Alternativen bestehen, mittels derer das volkswirtschaftlich durch nichts zu rechtfertigende deutsche Insolvenzverfahren nach geltendem deutschen Recht umgangen werden kann, steht außer Frage und wurde in der Vergangenheit bereits zig Mal erfolgreich erprobt und umgesetzt.

Vorrangig zu nennen sind in diesem Zusammenhang die Auswechselung der Handlungsform bei gleichzeitiger Fortsetzung der geschäftlichen Aktivitäten durch eine insolvenzrechtlich nicht vorbelastete natürliche oder juristische Person, und die Durchführung des Insolvenzverfahrens unter Einhaltung der insoweit jeweils geltenden Regeln in einem zur EU gehörenden Drittland (vornehmlich England oder Frankreich), wo die erstrebte Restschuldbefreiung - auch und gerade für inländisch begründete Schulden - nicht wie in Deutschland erst nach 6 Jahren sondern bereits nach 1 bis 1 ½ Jahren gewährt wird .

Falls sich der Schuldner also entschließen sollte, zur Vermeidung eines im Endeffekt oftmals ruinösen, langwierigen und gesamtökonomisch unsinnigen Regelinsolvenzverfahrens nach deutschem Insolvenzrecht eine der vorgenannten Alternativen zu wählen, würde mutmaßlich keiner der Gläubiger auch nur ansatzweise diejenigen Beträge realisieren können, die jetzt im SBP angeboten werden.

Die in einer Vielzahl vergangener Verfahren gemachte Erfahrung lehrt, dass der einfache, mittelständische Gläubiger aufgrund vorstehender Erwägungen nach vernünftiger Abwägung in aller Regel die erbetene Zustimmung erteilt, nicht so aber institutionelle Gläubiger (z.B. Banken, Versicherungen, Finanzamt etc.). Dies mag wohl daran liegen, das letztere "Gläubigergruppe" weitgehend frei von wirtschaftlichen Sachzwängen ökonomisch noch so fragwürdige Entscheidungen zu treffen in der Lage ist, geht es doch bei denen nicht um die Sicherung eigener Vermögenswerte. Durch Ablehnung des Einigungsangebotes erkennbar eintretende finanzielle Verluste werden im Falle dieser Gläubiger vom Steuerzahler oder von den Anteilseigner, Aktionären etc.. ausgeglichen. Die ihnen gleichwohl obliegende Verpflichtung zu sachgerechter und effizienter Vermögensbetreuung und Vermögensverwaltung tritt dabei schon mal in den Hintergrund, ein nach Ansicht des Unterzeichners nicht nur individuelles sondern auch gesamtwirtschaftliches Fehlverhalten, bedenkt man, dass jeglicher Insolvenz belastete Schuldner auch und gerade für diese Gläubigergruppe über mindestens 6 Jahre, oftmals gar für alle Zeiten, ein "toter" Kunde ist, weder willens noch in der Lage, seine unternehmerischen Fähigkeiten kreativ und innovativ auszuspielen.

Gelingt andererseits die Vermeidung der Insolvenz, besteht die handgreifliche Möglichkeit, dass der - durch das in letzter Sekunde mittels Planannahme vermiedene wirtschaftliche Fiasko - geläuterte Selbständige/freiberuflich tätige Unternehmer kurzfristig wieder aktiv, unbeschränkt und ohne Bevormundung am Wirtschaftsleben teilzunehmen in der Lage ist, und zwar ohne Ausnutzung der oben dargestellten legalen Umgehungsaktivitäten, und so schon bald wieder für von ihm selbst geschaffenen Mehrwert Steuern und sonstige öffentliche Abgaben zahlen und ebenso erneut die Zusammenarbeit mit Banken und Versicherungen anstreben wird, freilich nun mit erheblich verminderter Risikobereitschaft.

Abschließend lässt sich also feststellen, das die Ablehnung des Planangebotes individuell wie auch gesamtwirtschaftlich betrachtet keine ernstzunehmende Option ist und in jedem Falle eine im Zweifel teure Fehlentscheidung sein würde, jedenfalls solange der 6-Jahreszeitraum für die Restschuldbefreiung nach deutschem Insolvenzrecht gilt und legale, höchstrichterlich abgesegnete Methoden zu dessen drastischer Verkürzung existieren. Denn Folge davon wäre (fast) zwangsläufig eine erhebliche Schlechterstellung der Gläubigergemeinschaft gegenüber dem aktuellen Planangebot.

Anmerkung: Dem Unterzeichner erschien es wichtig, vorstehende Erwägungen der Gläubigergemeinschaft mitzuteilen in der Hoffnung, sie mögen in den jeweiligen Entscheidungsfindungsprozess einfließen.

Dabei handelt es sich ausdrücklich nicht um - anwaltlich vermittelten-  Sachvortrag des Schuldners, sondern um allgemein gehaltene, höchstpersönliche Einschätzungen der insolvenzrechtlichen Lage durch den Unterzeichner.

Im übrigen sei auf www.offensive-insolvenzler.de verwiesen, sowohl auf den Inhalt der Website als auch auf die Organisation an sich.

Heinz Egerland

Strafverteidiger/Rechtsanwalt/Treuhänder