Massezugehörigkeit von Bargeld, welches dem Insolvenzschuldner gar nicht gehört

Massezugehörigkeit von Bargeld, welches dem Insolvenzschuldner gar nicht gehört
30.10.2013596 Mal gelesen
„Besorgt“ sich der Insolvenzschuldner von dritter Seite Bargeld, um damit seine Schulden bei einem Gläubiger zu bezahlen, so muss nach Ansicht des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auch diesem Fall der auf diese Art und Weise befriedigte Gläubiger die Insolvenzanfechtung fürchten.

Rechtshandlungen des Schuldners, die die Gläubiger benachteiligen, können unter bestimmten Voraussetzungen vom Insolvenzverwalter angefochten werden. Die Gläubiger können indes nur benachteiligt werden, wenn der Schuldner durch seine Handlung die Masse geschmälert hat. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main meint im Ergebnis, dass eine Masseschmälerung auch dann vorliegt, wenn der Schuldner Geld weggibt, welches ihm gar nicht gehört:

 

Im Jahr 2006 ersteigerte eine Gläubigerin das dem Insolvenzschuldner gehörende Grundstück in Eschwege. Der Insolvenzschuldner durfte das Grundstück gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung weiterhin nutzen. Die Zahlung war für jedes Kalenderhalbjahr im Voraus zu leisten. Nachdem der Insolvenzschuldner im Jahr 2009 die vereinbarte Nutzungsentschädigung nicht mehr geleistet hatte, beauftragte die Gläubigerin den Gerichtsvollzieher mit der Zwangsräumung des Grundstücks.

Am 26. Mai 2009 wurde dann das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet.

Der Gerichtsvollzieher setzte als Termin für die Zwangsräumung den 12. Juli 2009, 9:30 Uhr, fest. Kurz vor diesem Termin begab sich der Insolvenzschuldner zu einem Kreditinstitut und hob € 12.770,00 von einem Konto einer gewissen "B" ab. Für dieses Konto besaß der Schuldner Kontovollmacht. Diesen Betrag überreichte er am 12. Juli 2009 dem Gerichtsvollzieher in bar, der ihn wenige Tage später an die Gläubigerin auskehrte.

Der Insolvenzverwalter focht die Zahlung an. Der Zahlbetrag sei aus der Masse geleistet worden und müsse ihr auch zurückgegeben werden.

Die Gläubigerin meint, sie müsse nichts zurückzahlen, denn der Insolvenzschuldner habe nichts aus der Masse geleistet, weil ihm das Geld, was sie von ihm bekommen habe, gar nicht gehört habe.

Der Insolvenzverwalter erhob Klage, die das Landgericht abgewiesen hat. Eine Anfechtung sei ausgeschlossen, weil die Handlung des Schuldners nach Insolvenzeröffnung erfolgt ist und zudem weil der Schuldner keine der Masse gehörenden Geldbestände weggegeben habe.

 

Auf die Berufung des Insolvenzverwalters ist die Gläubigerin zur Rückzahlung verurteilt worden.

Hat der Insolvenzschuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über einen Gegenstand der Insolvenzmasse verfügt, so ist diese Verfügung unwirksam. Zur Insolvenzmasse gehört das gesamte Vermögen, das dem Insolvenzschuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens "erlangt". Die Gläubigerin habe hier den durch den Gerichtsvollzieher überwiesenen Betrag in Höhe von € 12.770,00 im Sinne der Insolvenzordnung erlangt.

Der Insolvenzschuldner habe den Betrag in Höhe von € 12.770,00 im Sinne der Insolvenzordnung nämlich zumindest dadurch "erlangt", dass er die entsprechenden Geldscheine in seinen Besitz genommen hat, bevor er sie an den Gerichtsvollzieher weitergereicht habe. Sie gehörten in diesem Moment zur Masse. Die Insolvenzordnung setzt für die Frage der Massezugehörigkeit einer Sache nicht zwingend voraus, dass der Insolvenzschuldner Eigentümer der betreffenden Sache ist. Für eine solche Auslegung sprechen auch die folgende Überlegung: Wenn die Inbesitznahme von Geldscheinen durch den Insolvenzschuldner, die dieser sodann zur Begleichung von Verbindlichkeiten bei einem Gläubiger benutzt, massefrei wäre, würde dieser Gläubiger des Insolvenzschuldners gegenüber allen anderen Gläubigern bevorzugt. Das würde dem im Insolvenzrecht geltenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung widersprechen.

Der erhaltene Geldbetrag ist daher an die Masse zurückzuzahlen.

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Fazit: Man muss diese Entscheidung nicht für richtig halten, zumal sich der Bundesgerichtshof ihrer noch annehmen wird. Die Entscheidung macht indes deutlich, dass Insolvenzverwalter jede Möglichkeit einer Anfechtung wahrnehmen und manchmal auch dann mit ihr durchkommen, wenn dies nicht für jedermann nachvollziehbar ist. Bevor man dem Anfechtungsverlangen eines Insolvenzverwalters nachkommt, sollte man jedenfalls unbedingt anwaltlichen Rat einholen.

(Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 13.08.2013; 15 U 8/12

Vorinstanz: Landgericht Kassel, Urteil vom 09.12.2011; 9 O 2220/10)

 

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