Keine Restschuldbefreiung beim Fehlen einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegen Haftstrafe

Keine Restschuldbefreiung beim Fehlen einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegen Haftstrafe
22.08.2013299 Mal gelesen
Ein langjährig inhaftierter Straftäter ist kein redlicher Schuldner im Sinne der Insolvenzordnung. Ihm ist nach Ansicht des Landgerichts Hannover die Restschuldbefreiung zu versagen, weil er nicht die reale Möglichkeit hat, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben.

Der Schuldner war bis zum 12. Juli 1998 Kleingewerbetreibender und verbüßt seitdem eine 12-jährige Haftstrafe. Er beantragte am 14. Februar 2000 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie die Erteilung der Restschuldbefreiung. Am 15. August 2000 wurde das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet.

Im Prüfungs- und Schlusstermin vom 26. September 2001 stellte die Stadtsparkasse Hannover als Gläubigerin den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung. Sie führte aus, der Schuldner könne die Anforderungen der Insolvenzordnung nicht erfüllen. Er verfüge über kein Einkommen und werde in absehbarer Zeit auch keines erzielen, so dass er keine pfändbaren Forderungen abtreten könne. Auch sei ersichtlich, dass der Schuldner aufgrund seiner Inhaftierung seiner in der Insolvenzordnung normierten Pflicht, einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachzugehen, nicht nachkommen könne.

Das Insolvenzgericht versagte dem Schuldner daher die Restschuldbefreiung.

Seine sofortige Beschwerde wurde vom Landgericht zurückgewiesen.

Dem Schuldner sei darin zuzustimmen, dass die Versagung der Restschuldbefreiung vor Beginn der Wohlverhaltensperiode nur auf die in der Insolvenzordnung genannten Gründe gestützt werden könne. Der vom Amtsgericht angeführte Versagungsgrund des Verstoßes gegen die Verpflichtung, in zumutbarer Weise Einkommen zu erwerben, ist darin nicht aufgeführt. Daraus in strikter Anwendung der Insolvenzordnung die Konsequenz zu ziehen, zuerst die Restschuldbefreiung anzukündigen und sodann während des Laufes der Abtretungserklärung die Voraussetzungen für eine Versagung zu prüfen, stelle jedoch eine unnötige Förmelei dar und werde zudem Sinn und Zweck der Vorschriften für die Restschuldbefreiung nicht gerecht.

Restschuldbefreiung soll nach der Zielsetzung des Gesetzgebers nur der Schuldner erlangen können, der redlich ist und sich bei Beachtung der berechtigten Interessen der Gläubiger nichts hat zu schulden kommen lassen. Dies sei bei der jetzigen Lebenssituation des Schuldners nicht gegeben. Er ist aufgrund seiner langjährigen Straftat nicht in der Lage, seiner Obliegenheit, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben oder sich zumindest um eine solche zu bemühen, nachzukommen. Diese Beschränkung seiner Erwerbsmöglichkeiten ist dem strafgefangenen Schuldner als Verstoß gegen seine Obliegenheitsverpflichtung vorzuhalten, auch wenn der Grund für die Beschränkung seiner Erwerbsmöglichkeiten vor dem Antrag auf Restschuldbefreiung liegt.

Ein langjährig inhaftierter Straftäter sei nicht als redlicher Schuldner im Sinne der Insolvenzordnung anzusehen, gleich wann die Ursache für seine Strafhaft gesetzt wurde.

Wollte man dieses anders entscheiden, hieße dieses im Ergebnis, dass jeder langjährige Strafgefangene zwangsläufig mit dem Ende seiner Strafhaft zum Nachteil seiner Gläubiger von seinen Verbindlichkeiten ohne Schuldentilgung befreit werden würde, ohne dass er tatsächlich Wohlverhalten gegenüber seinen Gläubigern zu leisten hatte.

Dies würde aber gegen Sinn und Zweck der Restschuldbefreiung verstoßen und sei auch nicht durch den Gedanken der Resozialisierung zu rechtfertigen, die durch eine Schuldenfreiheit am Ende der Strafhaft zweifelsohne gefördert werden würde.

Vielmehr sei es jedem Strafgefangenen unter Berücksichtigung der Interessen seiner Gläubiger zumutbar, seine Resozialisierung durch Entschuldung über die Restschuldbefreiung unter eigener Verantwortung erst dann zu betreiben, wenn er in der Strafhaft als Freigänger die reale Möglichkeit zur Erzielung von Erwerbseinkommen hat oder dazu nach Ende der Strafhaft in der Lage ist.

Das Insolvenzgericht hat dem Schuldner zu Recht die Restschuldbefreiung versagt.

(Quelle: Landgericht Hannover, Beschluss vom 12.02.2002; 20 T 2225/01

Vorinstanz: Amtsgericht Hannover, Beschluss vom 30.10.2001)

 

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