Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel

Verkehrsrecht
23.08.2017319 Mal gelesen
Eine Dashcam ist eine im Auto installierte Kamera, die während des Betriebs das Verkehrsgeschehen aufzeichnet. Die Frage ist, inwieweit diese Aufnahmen verwertet werden können.

Grundsätzlich verstößt dies gegen § 6b des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG), der die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen nur in engen Grenzen zuläßt. Da die anderen Verkehrsteilnehmer, die anlaßlos gefilmt werden, identifizierbar sein können, ist außerdem deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung tangiert.

Dashcam-Aufnahmen können nach dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Verfolgung schwerwiegender Verkehrsordnungswidrigkeiten jedoch grundsätzlich verwertet werden (Beschl. v. 04.05.2016; AZ: 4 Ss 543/15).  Dabei hat das Gericht offen gelassen, ob bzw. unter welchen Umständen die Nutzung einer Dashcam durch einen Verkehrsteilnehmer gegen § 6b des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) verstoße. Denn jedenfalls enthalte § 6b, Abs. 3, Satz 2 BDSG kein Beweisverwertungsverbot für das Straf- und Bußgeldverfahren. Somit folge aus einem (möglichen) Verstoß gegen diese Vorschrift nicht zwingend eine Unverwertbarkeit der Videoaufnahme. Über die Verwertbarkeit sei vielmehr im Einzelfall unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden.

Auch das Landgericht München I (Beschl. v. 14.10.2016; AZ: 17 S 6473/16) hat die Verwertbarkeit von Dashcam-Aufnahmen von einer umfangreichen Interessenabwägung abhängig gemacht. Dabei sei zu beachten, ob die Aufnahmen anlassbezogen oder permanent gemacht und ob diese dauerhaft aufgezeichnet oder automatisch überschrieben werden.

Die Rechtsprechung ist insgesamt nicht einheitlich: Das Landgericht Landshut (Beschl. v. 01.12.2015; AZ: 12 S 2603/15) hält die Anwendbarkeit des BDSG für nicht gegeben. Selbst ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz habe aus Sicht des Landgerichts kein Beweisverwertungsverbot nach sich gezogen. Es sei zu beachten, daß mit dem laufenden Filmen des Verkehrsgeschehens durch eine Dashcam kein gravierender Grundrechtseingriff verbunden sei, da das Filmen vom Auto wahllos und ohne bestimmte Absicht erfolge. Eine systematische Erfassung anderer Verkehrsteilnehmer zur Erstellung von Bewegungsprofilen finde nicht statt. Eventuell abgebildete Personen bleiben anonym. Ohnehin müsse jeder Autofahrer zwingend damit rechnen, dass seine Fahrweise von anderen beobachtet werde. Zwar komme den Filmaufnahmen nach einem Unfall eine Relevanz zu. Es sei aber zu beachten, daß nach einem Unfall ständig die Fahrzeuge, die Unfallspuren und auch umstehende Beteiligte zwecks Beweissicherung fotografiert werden. Das Interesse des Unfallverursachers, daß der Unfall nicht aufgeklärt werde, sei demgegenüber nicht schützenswert.

Das Verwaltungsgericht Göttingen (Beschl. v. 12.10.2016; AZ: 1 B 171/16) hat dagegen im Falle eines Autofahrers, der mittels Dashcam-Aufnahmen andere Verkehrsteilnehmer gezielt bei Behörden anschwärzte, entschieden: Die Nutzung von Dashcams im Straßenverkehr zum Selbst- und Eigentumsschutz sowie zur Beweisdokumentation stelle keine ausschließlich persönliche oder familiäre Tätigkeit i. S. d. § 1, Abs. 2, Nr. 3 und § 27, Abs. 1 S. 2 BDSG dar, so daß der Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes eröffnet sei. Die Beobachtung anderer Verkehrsteilnehmer zur Dokumentation von Verkehrsordnungswidrigkeiten ohne eigene Betroffenheit stelle keine Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne des § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG dar und bei der permanenten anlasslosen Beobachtung des Straßenverkehrs mittels Dashcam bestehen Anhaltspunkte i. S. d. § 6, Abs. 1 BDSG dafür, daß die schutzwürdige Interessen der betroffenen Verkehrsteilnehmer die auf Selbst- und Eigentumsschutz gerichteten Interessen des Beobachtenden überwiegen.

Das Landgericht Memmingen (Urt. v. 14.01.2016; AZ: 22 O 1983/13) urteilte, daß die Aufzeichnung mit einer Dashcam rechtswidrig sei und daß Personen, die sich regelmäßig im Aufzeichnungsbereich aufhalten, einen Unterlassungsanspruch geltend machen können, wenn aus einem parkenden Fahrzeug automatisch aufgezeichnet werde. Die theoretische Möglichkeit Sachbeschädigungen oder Straftaten nachzuweisen genüge nicht für ein überwiegendes Interesse des Dashcam-Besitzers, wenn ohne Anlass  der Zugang zum Anwesen des Nachbarn gefilmt werde.

Es ist zu erwarten, daß sich eine die Verwertbarkeit bejahende Rechtsprechung erst recht bei Verkehrsstraftaten (Unfallflucht, u. a.) und auch bei der Ermittlung der Haftungsquote und Regulierung von Verkehrsunfällen durchsetzen wird, zumal die Verwendung von Dashcams zunimmt.

 

Rechtsanwalt Holger Hesterberg

Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein.

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