BGH Urteil vom 18.11.2009 - XIII ZR 65/09

Unterhaltsrecht
14.01.2010 1357 Mal gelesen
Gleichbehandlung von Unterhaltsansprüchen aus erster und zweiter Ehe im Hinblick auf den Unterhaltsbedarf
 
Leitsätze der Entscheidung (auszugsweise)

a)

Der Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten ist bei der Wiederverheiratung des unterhaltspflichtigen Ehegatten zur gleichmäßigen Aufteilung des Einkommens der Beteiligten nach der sogenannten Drittelmethode zu bemessen.

b)

Auf Seiten des neuen Ehegatten kommt es bei der Unterhaltsbemessung nicht auf dessen Anspruch auf Familienunterhalt an, sondern auf den hypothetischen Unterhaltsanspruch im Fall der Scheidung. Kommt hierfür ein Anspruch wegen Kinderbetreuung in Frage, so haben elternbezogene Gründe, die auf der Rollenverteilung in der neuen Ehe beruhen grundsätzlich außer Betracht zu bleiben.
 
 
Anmerkung RA Kummer:
Mit diesem Urteil hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung aus dem Jahre 2008 bestätigt, derzufolge nach der Scheidung entstandene Unterhaltspflichten gegenüber Kindern und auch gegenüber dem neuen Ehegatten schon bei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfs zu berücksichtigen sind. Aus dem Gedanken der Teilhabe des Unterhaltsberechtigten (ersten Ehegatten) am Lebensstandard des unterhaltspflichtigen (wieder verheirateten) Ehegatten folge nämlich zugleich dessen Begrenzung auf den Standard, der dem Unterhaltspflichtigen selbst jeweils aktuell zur Verfügung stehe. Dessen Lebensstandard sinke durch hinzugetretene Unterhaltspflichten ebenso wie bei anderen unverschuldeten Einkommensrückgängen.
Der geschiedene Ehemann kann also die Herabsetzung des Unterhalts für die geschiedene Ehefrau verlangen, wenn er wieder geheiratet hat und er nunmehr auch gegenüber seiner neuen Ehefrau unterhaltspflichtig ist.
Nach der bis 2007 geltenden Rechtsprechung wurde das Einkommen des Unterhaltspflichtigen zum Stichtag der Ehescheidung zwischen ihm und dem geschiedenen Ehegatten aufgeteilt. Nur das verbleibende Einkommen stand ihm für sich und seine neue Familie zur Verfügung. Nach der geänderten Rechtsprechung ist das Einkommen nunmehr gleichmäßig aufzuteilen.
 
Berechnungsbeispiele des Unterhaltsbedarfs (stark vereinfacht) - zu unterscheiden ist zwischen Unterhaltsbedarf und Unterhaltsbedürftigkeit - nach früherer und aktueller Rechtsprechung:
 
Das Einkommen des Unterhaltspflichten beträgt EUR 4.000,00. Sowohl geschiedener als auch neuer Ehegatte sind vollständig unterhaltsbedürftig.
Frühere Rechtsprechung:
Der Unterhalt des geschiedenen Ehegatten beträgt EUR 2.000,00 (EUR 4.000,00:2). Der Unterhalt des neuen Ehegatten beläuft sich auf EUR 1.000,00 (EUR 2.000,00:2). Dem Unterhaltspflichtigen verbleiben EUR 1.000,00.
Neue Rechtsprechung:
Der Unterhaltsbedarf sowohl des geschiedenen Ehegatten wie auch des neuen Ehegatten beträgt EUR 1.333,00 (EUR 4.000,00 :3). Dem Unterhaltspflichtigen verbleiben EUR 1.333,00.
Auf der Ebene der Unterhaltsbedürftigkeit hat der BGH hingegen nicht akzeptiert, dass die neue Ehefrau, anders als die geschiedene Ehefrau, nicht erwerbstätig ist. Für die geschiedene wie für die neue Ehefrau seien die gleichen Maßstäbe anzuwenden. Die in der neuen Ehe vereinbarte Rollenverteilung (Hausfrauenehe) sei selbstverständlich gesetzlich zulässig, betreffe indessen nur das Innenverhältnis der neuen Ehegatten. Im Verhältnis zum geschiedenen Ehegatten dürfe diese Rollenverteilung nicht ausschlaggebend sein. Dies ergäbe sich bereits aus der vom Gesetzgeber im anderen Zusammenhang getroffenen Entscheidung (zum Rang der Unterhaltsansprüche) wonach für den geschiedenen und den neuen Ehegatten im Hinblick auf die Erwerbsverpflichtung die gleichen Maßstäbe gelten sollen.
Der BGH folgert daraus, dass der Unterhalt der neuen Ehefrau zum Zwecke der Gleichbehandlung so zu ermitteln ist, als wäre die neue Ehe ebenfalls geschieden.
Wäre die neue Ehefrau unter diesem Gesichtspunkt erwerbsverpflichtet, muss für die Unterhaltsberechnung das (fiktive) Einkommen der neuen Ehefrau berücksichtigt werden.