Auch die Steuern eines an Demenz erkrankten Steuerpflichtigen können hinterzogen werden

Auch die Steuern eines an Demenz erkrankten Steuerpflichtigen können hinterzogen werden
22.07.20131923 Mal gelesen
Leitet ein Finanzamt nach Selbstanzeige des Betreuers eines an seniler Demenz erkrankten Steuerpflichtigen ein Strafverfahren gegen den Betreuten ein, so verlängert sich die Festsetzungsfrist auf zehn Jahre. Ob die Tat wegen der Selbstanzeige oder der Demenz des Steuerpflichtigen nicht bestraft

werden kann, ist nach Ansicht des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz für die Frage der Festsetzungsverjährung ohne Belang.

Die Steuerpflichtige war am 19. April 1916 geborenen und verstarb am 26. September 2002. Sie litt an seniler Demenz. Für sie war ab dem 2. Juni 1997 ein Betreuer verpflichtet. Am 2. Juni 1997 überreichte der Betreuer dem Amtsgericht ein Vermögensverzeichnis. Die Steuerpflichtige verfügte hiernach zu jener Zeit über ein Gesamtvermögen in Höhe von 1.092.250,67 DM. Am 21. Dezember 1999 erteilte die Steuerfahndungsstelle einen Ermittlungsauftrag  soweit die Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten ist. Der Betreuer  reichte am 31. Januar 2000 erstmals für die Steuerpflichtige eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 1997 ein.

Die Abgabe der Steuererklärung wertete die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts als Selbstanzeige.

Am 21.Februar 2000 leitete sie ein Ermittlungsverfahren gegen die Steuerpflichtige wegen des Verdachts der Hinterziehung von Einkommen- und Vermögensteuer ab 1993 ein und gab dies dem Betreuer bekannt. Mit Schreiben vom 16.07.2001 wurde er aufgefordert, für die Steuerpflichtige die fehlenden Steuererklärungen ab 1987 abzugeben. Der Betreuer gab trotz Aufforderung keine Erklärung ab. Das Finanzamt konnte die Einkünfte bis auf die aus Vermietung und Verpachtung ermitteln. Die Höhe der tatsächlichen Mieteinnahmen konnte das Finanzamt nicht feststellen und schätzte sie deshalb.

Mit vorläufigem Bescheid vom 19. Dezember 2006  setzte das Finanzamt diverse Steuern für das Jahr 1992 fest. Diesen Bescheid stellte das Finanzamt der vom Amtsgericht am 4. Dezember 2006 amtlich bestellten Nachlasspflegerin zu.

Mit ihrem Einspruch trug die Nachlasspflegerin vor, die Festsetzungsfrist betrage vier Jahre und sei beim Erlass des Bescheides abgelaufen gewesen. Die 10-jährige Festsetzungsfrist sei nicht anwendbar, da die verstorbene Steuerpflichtige unter seniler Demenz gelitten habe.

Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Der Betreuer, der inzwischen Erbe der verstorben Steuerpflichtigen geworden ist, reichte nunmehr Klage gegen den Steuerbescheid ein.

Die Festsetzungsfrist sei abgelaufen. Von einer vorsätzlichen Handlungsweise der Verstorbenen könne nicht ausgegangen werden. Die subjektiven Voraussetzungen lägen aufgrund der Krankengeschichte nicht vor. Er selber habe weder Kenntnis von den Einkünften der Verstorbenen noch davon gehabt, dass diese nicht erklärt gewesen seien. Auch habe für ihn bis zur Aufforderung des Finanzamts keine Veranlassung bestanden, die steuerlichen Verhältnisse  in 1992 zu überprüfen. Die Umstände, die seine eventuelle Handlungspflicht begründet hätten, seien ihm nicht bekannt gewesen. Als Laie und ohne Kenntnis der Einkünfte der Betreuten habe er auch keine Handlungspflicht in Bezug auf einen in eigener Person verwirklicht Tatbestand  der Steuer­hinterziehung erkennen können.

Das Finanzgericht wies die Klage ab.

Für die Anwendung der zehnjährigen Festsetzungsfrist sei es unerheblich, wer die Steuer hinterzogen hat. Es komme nur darauf an, dass es sich objektiv um hinterzogene Beträge handelt. Die Eigenschaft einer Steuer, hinterzogen zu sein, haftet dieser Steuer als solcher an. Die verlängerte Festsetzungsfrist greift deshalb auch dann ein, wenn nicht der Steuerschuldner selbst, sondern ein Dritter die Steuer hinterzogen hat. Täter einer Steuerhinterziehung könne neben dem Steuerschuldner jeder Dritte sein, selbst wenn ihm das Gesetz keine steuerlichen Pflichten zuweist.

Ausgehend von diesen Grundsätzen sei die Festsetzungsfrist bei Erlass des angefochtenen Einkommensteuerbescheides für 1992 noch nicht abgelaufen gewesen.

Für das Jahr 1992 wurde keine Einkommensteuererklärung abgegeben. Damit fiel der Beginn der Festsetzungsfrist  auf das Jahresende 1995. Die reguläre Festsetzungsfrist endete damit mit Ablauf des Jahres 1999, die zehnjährige Festsetzungsfrist  mit Ablauf des Jahres 2005. Vor Ablauf dieser (verlängerten) Festsetzungsfrist, nämlich am 21.02.2000, leitete das Finanzamt aber ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung von Einkommen- und Vermögensteuer ab 1993 ein  und gab dies dem Betreuer der Steuerpflichtigen am 23. Februar 2000 bekannt. Danach ist im Streitfall die Festsetzungsfrist zum Zeitpunkt des Erlasses des Einkommensteuerbescheids am 19. Dezember 2006 nicht abgelaufen, da in der Person des Betreuers als  ein Fall von Steuerhinterziehung anzunehmen ist.

Dem liegen folgende Erwägungen zu Grunde:

Den objektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung erfüllt. wer die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt.

Der Betreuer hat die von der Betreuten erwirtschafteten Kapitaleinkünfte hinterzogen, indem er es pflichtwidrig unterließ, in den Jahren ab 1997, dem Jahr seiner Bestellung, eine Einkommen­steuererklärung für die Betreute für das Streitjahr 1992 abzugeben.

Der Betreuer könne nicht mit Erfolg entgegen halten, er habe nicht über die notwendigen Erkenntnisse zur steuerlichen Situation der Betreuten für frühere Veranlagungszeiträume verfügt.

Ob der Betreuer von seiner Erklärungspflicht positiv wusste, sei unerheblich. Denn die Kenntnis von der Handlungspflicht ist nicht erforderlich; vielmehr genügt es, dass der Steuerpflichtige die tatsächlichen Umstände kennt, die seine Handlungspflicht begründen.

Nach alledem war die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen.

(Quelle: Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.07.2012; 5 K 1348/09)

 

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