Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer bei Hinterziehung der Einkommensteuer trotz Selbstanzeige kündigen

Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer bei Hinterziehung der Einkommensteuer trotz Selbstanzeige kündigen
02.07.2013421 Mal gelesen
Haben Arbeitgeber mit Sitz im Vereinigten Königreich und Arbeitnehmer vereinbart, dass der Arbeitnehmer seine Einkommensteuer und seine Sozialabgaben direkt entrichtet und kommt der Arbeitnehmer dem über 35 Jahre lang nicht nach und erstattet erst nach Aufforderung durch seinen Arbeitgeber eine

steuerliche Selbstanzeige, so rechtfertigt dies nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts München seine Kündigung.

Wir haben an dieser Stelle bereits erfahren, dass Beamte, die eine Nacherklärung ihrer vergessenen Einnahmen abgeben, zwar unter gewissen Voraussetzungen Straffreiheit genießen, indes wird ihre Verfehlung von der Finanzbehörde den Dienstvorgesetzen gemeldet, sodass die sich selbst anzeigenden Beamten mit einem Disziplinarverfahren überzogen werden, an dessen Ende die Entfernung aus dem Dienst oder der Entzug der Ruhegehaltsbezüge stehen kann. Das Landesarbeitsgericht München zeigt auf, dass auch sich selbst anzeigende Arbeitnehmer arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchten müssen:

Ein Arbeitnehmer ist seit dem 5. März 1973 aufgrund diverser  Arbeitsverträge  für verschiedene britische Arbeitgeberinnen zuletzt als Regional Marketing Manager tätig gewesen. Er ist seit dem 1. Januar 2000 für britische Arbeitgeber im X.-Konzern tätig. Der Arbeitnehmer ist stets auf Grundlage von Entsendungsvereinbarungen in Deutschland tätig gewesen. Seit dem Jahre 1998 erbringt er seine Tätigkeit von seinem Home-Office  aus.

Sein letzter Arbeitgeber  ist ein weltweit tätiges Unternehmen, das sich mit der Entwicklung, der Lieferung und der Betreuung von hochentwickelten Verteidigungs- und Luftfahrtsystemen befasst. Seit dem 1. September 2008 arbeitet er als International Business Development Manager.

Hinsichtlich der Steuern lautete der Arbeitsvertrag:

"Von Ihrem erhöhten Gehalt werden vor der Überweisung auf Ihr Bankkonto keine Steuern abgezogen. Sie sind dafür verantwortlich, Ihre Steuerangelegenheiten mit den deutschen Finanzbehörden zu regeln; das Unternehmen wird keine Verantwortung für die Zahlung etwaiger Steuerschulden tragen. .. Das Unternehmen ist bereit, Ihnen nach Ihrer Rückkehr in das Vereinigte Königreich bei steuerlichen Problemen .., beratend zur Seite zu stehen; das Unternehmen wird jedoch für die Zahlung etwaiger Steuerschulden keine Verantwortung übernehmen"

In einem weiteren Vertrag hieß es:

"Ihr Gehalt wird ..  auf das von Ihnen benannte Bankkonto überwiesen. Sie sollten ein Guthabenkonto einrichten, welches in einer Bank Ihrer Wahl in der Nähe Ihres Arbeitsortes auf Ihren Namen geführt wird, und die Zahlstelle  entsprechend darüber informieren. Sie sind dafür verantwortlich, Ihrer Steuerpflicht nachzukommen und Steuern oder andere Sozialabgaben zu bezahlen, die in dem auswärtigen Land anfallen, in welchem Sie ihren ständigen Wohnsitz haben."

Die frühere Arbeitgeberin unseres Arbeitnehmers. hat  ihren Mitarbeiter mitgeteilt, sie habe erfahren, dass nach Deutschland entsandte Mitarbeiter keine Steuern in Deutschland abführen würden und unter anderem darauf hingewiesen, dass die Mitarbeiter für die Regelung ihrer Steuerangelegenheit selbst verantwortlich seien. Unser Arbeitnehmer wurde aufgefordert, umgehend eine steuerliche Selbstanzeige zu erstatten. Die tat er auch. Es kam heraus, dass er in den letzten 10 Jahren um 632.000 Euro Steuern nicht entrichtet hat.

Unserem Arbeitnehmer wurde trotzdem die außerordentliche fristlose und hilfsweise die verhaltensbedingte ordentliche Kündigung ausgesprochen.

Der Arbeitgeber begründet die Kündigung damit, dass unser Arbeitnehmer seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nicht nachgekommen sei, die darin bestanden, seinen steuerlichen Pflichten nachzukommen. Immerhin hafte er als Arbeitgeber für die die Steuerschulden.

Unser Arbeitnehmer erhebt Kündigungsschutzklage. Zugleich beantragt er, dass der Arbeitgeber ihn von seiner Verpflichtung gegenüber dem Finanzamt freistellen möge Zug-um-Zug gegen Zahlung eines symbolischen Betrages in Höhe von 27.063 GBP.

Das Landesarbeitsgericht gab der Klage insoweit statt, als das es die außerordentliche fristlose Kündigung für unwirksam erklärte. Im Übrigen wurde die Klage vollends abgewiesen.

Der Arbeitnehmer besitzt keine Anspruchsgrundlage, die zu einer Verpflichtung des letzten Arbeitgebers führen könnte, ihn von seinen Steuerschulden gegenüber den deutschen Finanzbehörden aus den Jahren 1996 bis 2008 Zug um Zug gegen Zahlung eines symbolischen Betrags von 27.063,00 GBP freizustellen, die überwiegend nicht aus dem Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem letzten Arbeitgeber, sondern aus rechtlich mit diesem nicht in Zusammenhang stehenden Vorarbeitsverhältnissen stammen.

Der Arbeitnehmer geriere sich  als Opfer; in Wahrheit sei er Täter. Er sei nach seinen eigenen Angaben seit Juli 1974 für verschiedene ausländische Arbeitgeberinnen durchgehend in Arbeitsverhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt gewesen. Als Arbeitnehmer unterliegt er der Einkommenssteuer, das heißt, er hat die auf sein Arbeitseinkommen entfallenden Einkommenssteuern als Schuldner bei Fälligkeit an die zuständige Finanzbehörde abzuführen. Die jeweiligen Arbeitgeberinnen sind nicht Schuldnerinnen der Einkommenssteuerschulden, sondern nur zur Abführung dieser Steuerbeträge an die zuständigen Finanzbehörden verpflichtet,  sofern sich diese Pflicht aus den steuerrechtlichen Vorschriften auch für ausländische Unternehmen ohne Betriebe im Inland der Bundesrepublik Deutschland ergibt.

Die Kündigung des Arbeitgebers ist wirksam, sie verstößt nicht gegen Treu und Glauben. Das Kündigungsschutzgesetz sei auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anzuwenden, da der Arbeitgeber keine betriebliche Organisation in Deutschland betreibe.

Der Arbeitgeber konnte sich vom Kläger trennen, weil er befürchten musste, von den deutschen Finanzbehörden für vom Arbeitnehmer nicht an diese bezahlte Steuerschulden als Abführungsschuldnerin haften zu müssen, ohne die Chance zu besitzen, von diesem Ersatz für entrichtete Steuerschulden zu erhalten.

  

(Quelle: Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 03.05.2011; 7 Sa 847/10

Vorinstanz: Arbeitsgericht München, Urteil vom 20.04.2010; 14 Ca 11085/09)

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