Kein Anspruch des Arbeitgebers auf Akteneinsicht in die Behandlungsunterlagen des Arbeitnehmers bei der Berufsgenossenschaft

Soziales und Sozialversicherung
02.11.20111012 Mal gelesen
Wendet sich ein Arbeitgeber gegen einen Beitragszuschlag der Berufsgenossenschaft, der wegen erhöhter Behandlungskosten eines Arbeitsunfalls erhoben wird, hat er kein Recht auf Akteneinsicht in die Behandlungsunterlagen, um die Wirtschaftlichkeit der Behandlung zu überprüfen.

Dies hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg in einem Urteil vom (L 8 U 3577/10) entschieden. Die Klägerin hatte gegen einen Beitragsbescheid der Berufsgenossenschaft geklagt, der u.a. anteilig einen aus den Lohnnachweisen errechneten Umlagebeitrag und einen Beitragszuschlag enthielt. Die Klägerin verlangte eine Kostenaufstellung über die Behandlungskosten ihres Arbeitnehmers. Die in Ansatz gebrachten Kosten dieses Versicherungsfalls seien nicht allein unfallursächlich, sondern auch durch das Verhalten des Versicherten, Ihres Arbeitnehmers bestimmt, der nicht die naheliegende nächste unfallchirurgische Praxis, sondern ein Krankenhaus aufgesucht habe.

Das LSG entschied, dass der Arbeitgeber als Beitragsschuldner Beteiligter im Verwaltungsverfahren um die Festsetzung des Beitrags ist und daher grundsätzlich einen Anspruch auf Akteneinsicht in alle Schriftstücke hat, die im Beitragsverfahren herangezogen wurden. Dies betreffe grundsätzlich auch Schriftstücke, die nicht in der von der BG geführten Beitragsakte abgelegt wurden, sondern bei der Beitragserhebung berücksichtigt wurden, indem sie - auch verwaltungsintern von anderen Fachabteilungen - beigezogen oder in Kopien in Beiakten abgelegt wurden.

Der Arbeitgeber habe aber kein Recht auf Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen des Arbeitnehmers und zwar selbst dann nicht, wenn dieser sich mit der Einsichtnahme einverstanden erklärt habe. Hier sei eine faktische Zwangssituation zu unterstellen, die eine freiwillige Einwilligung ausschließe. Darüber hinaus sah das Gericht aber auch berechtigte Interessen der Versicherten betroffen, die künftig Entschädigungsleistungen beziehen, die wiederum Grundlage eines Beitragszuschlags werden können. Der Sozialdatenschutz beinhaltet in diesen Fällen die Vermeidung des Loyalitätskonflikts der Beschäftigten, den eigenen Gesundheitszustand zu offenbaren oder dem Arbeitgeber die Mitwirkung zu verweigern. Die berechtigten Interessen eines nach diesen Kriterien bestimmbaren Personenkreises sind darauf gerichtet, dass eine Einwilligung zur Einsichtnahme des Arbeitgebers in Arztunterlagen des Beschäftigten rechtlich unbeachtlich ist und einer Akteneinsicht des Arbeitgebers entgegensteht. Müsste der Versicherungsträger im Einzelfall die Einwilligung eines Beschäftigten als wirksam akzeptieren und dem Arbeitgeber Akteneinsicht gewähren, würde die zur Vermeidung des Loyalitätskonflikts mit dem Arbeitgeber und zur Sicherung persönlicher Daten des Beschäftigten grundsätzlich angenommene Schutzbedürftigkeit leerlaufen. Der Arbeitgeber hätte Handhabe, zur Einwilligungserklärung zu drängen und könnte aus der Verweigerung für den Arbeitnehmer nachteilige Schlüsse ziehen. Die Unfallversicherung kann deshalb auch berechtigte Interessen dritter Personen an der Geheimhaltung i.S. von § 25 Abs. 3 SGB X aus generalpräventiven Gesichtspunkten dem Akteneinsichtsgesuch der Klägerin entgegenhalten.

LSG BWB Urteil - 01.07.2011 - L 8 U 3577/10

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