In den meisten Fällen werden Anträge auf Witwenrente abgelehnt, wenn die Ehe vor dem Tod des verstorbenen Ehepartners weniger als ein Jahr gedauert hat.
Das Gesetz stellt eine Vermutung dahingehend auf, dass die Erlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung war, wenn die oder der Versicherte innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung stirbt. Die "klassische" Versorgungsehe besteht darin, dass nach nur kurzer Bekanntschaft, die Ehe zu Versorgungszwecken missbraucht wird.
Diese gesetzliche Vermutung kann allerdings widerlegt werden. Dazu müssen besondere Umstände vorliegen und von dem Berechtigten geltend gemacht werden, dass trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. "Besondere Umstände des Falls" im Sinne des Gesetzes sind alle Umstände, aus denen auf den Zweck der Heirat geschlossen werden kann. Dabei sind vor allem solche Umstände von Bedeutung, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund schließen lassen.
Das Landesozialgericht Schleswig-Holstein hat aber in zwei Fällen den Klagen der betroffenen Witwer stattgegeben. Das Gericht sah im ersten Fall besondere Umstände u.a. darin, dass die späteren Ehepartner bereits vor der Eheschließung mehrere Jahre miteinander gelebt haben und sich die Heirat als Fortsetzung einer langjährigen Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft aufgrund einer Liebesbeziehung darstellt, in der beide Eheleute durch annähernd gleiches Einkommen finanziell abgesichert waren.
Des Weiteren sei die später verstorbene Ehefrau schwer erkrankt gewesen und die Heirat habe ihr in dieser einschneidenden Lebenssituation neuen Mut machen sollen. Denn - so das Gericht - nicht in allen Fällen, in denen Versicherte bei der Heirat schwer krank sind, wird alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat der Versorgungszweck sein. Im Vordergrund könne z. B. auch die Absicht stehen, eine schon länger bestehende Gemeinschaft zu legitimieren oder der Wunsch, dem Partner in seiner Krankheit zur Seite zu stehen.
In dem entschiedenen Fall habe die plötzliche Erkrankung der Versicherten lediglich den Zeitpunkt der Eheschließung beeinflusst; dies jedoch nicht überwiegend aus Gründen der Versorgung. Die Heirat sei zwar in Kenntnis der lebensbedrohenden Erkrankung der Ehefrau erfolgt, denn es habe eine so genannte Nottrauung im Krankenhaus stattgefunden, die üblicherweise nur bei einer lebensbedrohenden Erkrankung durchgeführt werde. Das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung sei jedoch zum einen nicht gleichbedeutend damit, dass der Tod tatsächlich in naher Zukunft eintreten werde. Zum anderen habe auch die subjektive Vorstellung der Versicherten und des Klägers über die Lebenserwartung Bedeutung. Diese hätten die Hoffnung aber nicht aufgegeben. Die Eheschließung sollte der Versicherten vielmehr neuen Lebensmut vermitteln und der Kläger habe auch öffentlich deutlich machen wollen, dass er gerade in dieser Situation zu seiner 15 Jahre älteren Lebensgefährtin stehe. Dies ist ein plausibles Motiv für die plötzliche Hochzeit und sei auch gegenüber Zeugen bekundet worden.
Desweiteren würdigte das LSG den Umstand, dass der Kläger auch ohne die Eheschließung abgesichert war und über eine ausreichende eigene Versorgung verfügt. Denn die Versorgungsvermutung tritt im Vergleich zu anderen Motiven umso mehr in den Vordergrund, je bedeutsamer materielle Vorteile durch die Hinterbliebenenrente sind.
Auch in dem zweiten Fall gab den Ausschlag, dass beide Ehepartner schon vor der Eheschließung lange miteinander zusammengelebt hatten und unabhängig von der Eheschließung materiell abgesichert waren. Ferner hatte die schon seit längerem geplante Eheschließung wegen unvorhergesehener Ereignisse mehrfach verschoben werden müssen.
Aufgrund dieser besonderen Umstände wurde der Versicherungsträger verurteilt, Witwenrente zu bewilligen.
LSG Schleswig-Holstein - 07.03.2007 - L 8 R 207/06
LSG Schleswig-Holstein - 11.05.2009 - L 8 R 162/07
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