Das BAG hat in einem Urteil vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) entschieden, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) keine Spitzenorganisation ist, die in eigenem Namen Tarifverträge abschließen kann. Diese Entscheidung soll für die betroffenen Leih- und Zeitarbeitsunternehmen Folgen haben. Denn die Spitzenorganisationen der deutschen Sozialversicherungsträger haben angekündigt, dass sie ab Juli 2011 zur Kontrolle Betriebsprüfungen durchführen werden. Da alle mit der CGZP geschlossenen Tarifverträge von Anfang an unwirksam seien, müssten Leiharbeitnehmer genauso bezahlt werden wie die Stammbelegschaft des Betriebs, in dem sie eingesetzt werden. Die "Equal pay"-Ansprüche seien Bemessungsgrundlage für die zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge. Die Spitzenorganisationen vertreten die Auffassung, dass die Leiharbeitgeber, die die unwirksamen CGZP-Tarifverträge angewendet haben beziehungsweise anwenden, deshalb gesetzlich verpflichtet seien, auf Grundlage des "Equal pay"-Anspruches für ihre Beschäftigten Beiträge nachzuzahlen und Entgeltmeldungen und Lohnnachweise entsprechend zu korrigieren.
Die Wirtschaftswoche meldete am 28.05.2011, dass die Zeitarbeitsfirmen "Manpower" sowie "USG People Germany" und "Trenkwalder Personaldienste" Sozialbeiträge "nachzahlen" müssen. USG habe die Forderung angeblich bestätigt. Die anderen Unternehmen hätten sich nicht geäussert. Weitere konkrete Belege werden in dem Beitrag nicht genannt.
Diese Ansicht sollte man nicht leichtfertig übernehmen, sondern Nachforderungen kritisch prüfen und ggf. auch anfechten. Denn: Die Entscheidung des BAG dürfte zunächst nur Auswirkungen für die Zukunft, nicht jedoch für die Vergangenheit haben. Diese Auffassung wird inzwischen sowohl von Arbeitsgerichten, als auch in der Literatur vertreten. Vor diesem Hintergrund müssen im Zusammenhang mit Beitragsforderungen der Sozialversicherungsträger, die für die Vergangenheit geltend gemacht werden, drei Fallkonstellationen unterschieden werden:
- Der Arbeitgeber ist bereit, einen Anspruch auf höheres Entgelt tatsächlich zu erfüllen, die betroffenen Leiharbeitnehmer erhalten eine Nachzahlung oder
- Der Leiharbeitnehmer fordert ein höheres Entgelt (ggf. gerichtlich) ein, der Arbeitgeber lehnt die Nachzahlung jedoch ab oder
- Der Leiharbeitnehmer stellt von sich aus überhaupt keine Nachforderungen.
Im erstgenannten Fall sind die Entgelte selbstverständlich zu verbeitragen. In den beiden anderen Fällen ist folgendes zu beachten:
Ob ein Entgeltanspruch für die Vergangenheit tatsächlich besteht, ist fraglich. Die Entscheidung des BAG gilt nach dem Wortlaut der Entscheidungsgründe ausdrücklich nicht für die Vergangenheit. Solange die fehlende Tariffähigkeit der Gewerkschaft nicht auch für die Vergangenheit in einem speziellen Beschlussverfahren durch ein Arbeitsgericht festgestellt worden ist (§ 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG), sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber an den Tarifvertrag gebunden. Die Arbeitsgerichte dürfen die Frage der Tariffähigkeit nicht einmal im Rahmen eines anderweitigen Prozesses klären. Statt dessen müssen sie, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits davon abhängt, ob eine Vereinigung tariffähig ist, das Verfahren bis zur Erledigung des Beschlussverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 aussetzen. Solange die fehlende Tariffähigkeit einer Vereinigung nicht für den fraglichen Zeitraum festgestellt wird, bleibt es bei der Bindung an den Tarifvertrag.
Von dieser Rechtslage ausgehend hat z.B. das Arbeitsgericht Freiburg durch Beschluss vom 13.04.2011 ein Verfahren, in dem ein ehemaliger Leiharbeitnehmer gegen den Verleiher auf Zahlung des Lohns vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers nach dem Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrag für das Schreinerhandwerk in Baden-Württemberg ab 01.01.2007 klagt, ausgesetzt und ausdrücklich betont, dass das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 14.12.2010 die Tarifunfähigkeit der CGZP nicht rückwirkend geklärt habe. Das BAG habe lediglich festgestellt, dass die CGZP gegenwartsbezogen tarifunfähig ist. Auf das Urteil vom 14.12.2010 könnten rückwirkende Entgeltansprüche somit nicht gestützt werden.
Was bedeutet dies für die Beitragspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung?
Der Rechtsgrund für die nachträgliche Erhebung von Beiträgen für nichtgezahlte Entgelte ist das sogenannte Entstehungsprinzip. Maßgebend für die Entscheidung über die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und die Beitragshöhe ist das tariflich geschuldete und nicht lediglich das tatsächlich gezahlte (ggf. niedrigere) Arbeitsentgelt. Es kommt also auf den "entstandenen" Anspruch an (deshalb Entstehungsprinzip). Solange die Tarifunfähigkeit einer Gewerkschaft nicht für die Vergangenheit festgestellt wurde, gelten Tarifverträge weiter und es besteht eben kein Anspruch auf die Nachzahlung von Entgelten, somit auch keine Ansprüche auf höhere Beiträge. Bis zum Beschluss des BAG vom 14.12.2010 wären Klagen auf erhöhte Lohnzahlungen (equal-pay) unbegründet gewesen (so z.B. Plagemann/Brand, NJW 2011, 1488). Desgleichen wären rückwirkende Beitragsansprüche unbegründet.
Beitragsforderungen, die sich auf einen Equal-Pay-Anspruch stützen, sollten daher nicht ungeprüft erfüllt werden.
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