Wenn Punkte in Flensburg den Führerschein in Gefahr bringen, macht die Not erfinderisch. In Ausnutzung einer Gesetzeslücke hat sich daher, zumeist übers Internet, ein handfester Handel mit der Übernahme von Punkten in Flensburg und von Fahrverboten etabliert.
Dies läuft in etwa wie folgt ab:
Jemand ist mit deutlich zu hoher Geschwindigkeit geblitzt worden oder hat einen sonstigen punktepflichtigen Verstoß begangen. Dann erhält er als Halter des Fahrzeugs von der Bußgeldstelle einen Anhörungsbogen mit der Möglichkeit zur Stellungnahme, wer das Fahrzeug zur Tatzeit gefahren hat, denn das Bußgeld darf nur gegen den Fahrer verhängt werden.
Der Verkehrssünder antwortet jedoch nicht, sondern stellt Kontakt zu einem unbeteiligten Dritten her, der anbietet, den Verstoß auf seine Kappe zu nehmen. Oft steckt hinter dem "Übernehmer", der in einem Internet-Forum oder einer Annonce unter einem Pseudonym auftritt, ein Hartz IV- Empfänger oder ein Student ohne Auto. Manchmal ist es einen Hausfrau oder ein Lebenskünstler, immer aber eine Person, die ihre Kasse aufbessern möchte und das Autofahren entbehren kann. Unser Verkehrssünder einigt sich mit diesem Übernehmer auf einen stattlichen Preis und überlässt ihm den Anhörungsbogen. Preise von 250 Euro pro Punkt und 1000 € für einen Monat Fahrverbot sind nicht unüblich.
Der Übernehmer teilt dann der Bußgeldstelle mit, dass er gefahren sei.
Der Bußgeldbescheid wird jetzt gegen den Übernehmer erlassen, der den Verstoß fälschlich zugegeben hat. Die Bußgeldentscheidung geht mit den entsprechenden Konsequenzen wie Punkte in Flensburg und gegebenenfalls einem Fahrverbot zu Lasten des Übernehmers.
Der wahre Verkehrssünder ist fein raus. Punkte, Fahrverbot und Bußgeld bekommt nur der andere.
Interessanterweise gehen die Beteiligten eines solchen Punkte-Deals ein nur minimales strafrechtliches Risiko ein. Zwar leitet die Staatsanwaltschaft, wenn der Schwindel einmal aufliegt in manchen Fällen ein Verfahren wegen "falscher Verdächtigung" ein. Wenn dies geschieht, dann aber eher nur symbolisch, um der abschreckenden Wirkung willen. Es ist nämlich mittlerweile anerkannt, dass dieser Vorwurf, wenn es um eine Ordnungswidrigkeit geht, juristisch nicht haltbar ist. Ebenso kommen die Behörden mit dem Vorwurf "mittelbare Falschbeurkundung" in eine Sackgasse, denn das Verkehrszentralregister ist kein "öffentliches Register". Einen speziellen Paragraphen, der den Handel mit Punkten unter Strafe stellt gibt es nicht. Die bestehenden Paragraphen des Strafrechts können den Punktehandel nicht auffangen. In dieser rechtlichen Grauzone mag Punktehandel zwar nicht legal sein. Strafbar ist er aber auch nicht.
Ein gewisses strafrechtliches Risiko anderer Art besteht lediglich, wenn der Übernehmer eine Person ist, die Sozialleistungen wie z.B. Hartz IV oder BAföG bezieht. Dann könnte er sich durch die Annahme der Zahlungen unter Umständen wegen Betruges strafbar machen und seine Leistungsansprüche verlieren.Dieses Risiko ist aber nur dann denkbar, wenn einer der Beteiligten des Punkte-Deals nicht dicht hält und Zahlungen zugibt. Das ist nicht nötig. Denn jeder Verdächtige hat das gute Recht zu schweigen und braucht Fragen, die ihn belasten könnten, nicht zu beantworten. Auch einen gültigen Führerschein sollte der Übernehmer schon besitzen, um nicht den Verdacht des strafbaren Fahrens ohne Fahrerlaubnis heraufzubeschwören.
In den allermeisten Fällen wird der Übernehmer aufgrund seiner Angaben ohne weitere Prüfung als Fahrer in das Verfahren übernommen. Die Bußgeldverfahren sind bei den Behörden standardisierte Massenverfahren, die Blitzerfotos von minderer Qualität. So erklärt sich, dass in der Regel nicht näher nachgehakt wird, solange Kunde und Übernehmer nicht gerade unterschiedlichen Geschlechts oder von großem Altersunterschied sind. Selbst wenn der Sachbearbeiter der Bußgeldstelle doch mal Verdacht schöpft, bleibt der Behörde oft nur die Einstellung des Verfahrens übrig. Wegen der nur dreimonatigen Verfolgungsverjährung hat sie gegen den wahren Fahrer keine Handhabe mehr.
Früher wurde die Punkteübernahme übrigens sogar auf großen Internetplattformen wie Ebay angeobten. Auf Anzeigen des Kraftfahrtbundesamtes hin wurden in den Jahren 2003 und 2004 Ermittlungsverfahren bei der für den Ebay-Rechnerstandort zuständigen Staatsanwaltschaft Cottbus gegen einige Punktehändler betrieben. Zu einer Bestrafung kam es aus den oben erwähnten rechtlichen Gründen zwar nicht, der Online-Auktionator lässt jedoch seither diese Art von Angeboten nicht mehr zu.
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Hinweis des Verfassers:
Die Beteiligten eines Punktedeals dürfen von Gesetzes wegen nicht bestraft werden. Doch vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand und auch die Justiz ist nicht unfehlbar. Wer sich im Zusammenhang mit einem solchen Handel doch einmal einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ausgesetzt sieht oder gar einen Strafbefehl erhält, sollte daher auf anwaltliche Hilfe nicht verzichten.
Der Verfasser steht zur Vermittlung von Punkteübernahmen weder zur Verfügung noch rät er grundsätzlich dazu an. Es gibt andere Methoden zur Rettung des Führerscheins bzw. des Punktemanagements, die zunächst ausgeschöpft werden sollten.