Abstandsmessung durch Nachfahren mit Polizeifahrzeug unterliegt strengen Anforderungen

Abstandsmessung durch Nachfahren mit Polizeifahrzeug unterliegt strengen Anforderungen
03.09.20121938 Mal gelesen
Die Genauigkeit der Abstandsmessung aus einem nachfahrenden Polizeifahrzeug begegnet im Einzelfall Bedenken, so dass sich eine Nachprüfung des Bußgeldbescheids für Betroffene lohnen kann. Die Messung mit Provida ist kein standardisiertes Messverfahren.

Erfolgte die Messung der Abstandsunterschreitung durch eine Schätzung der nachfahrenden Polizeibeamten, muss es sich bei den feststellenden Personen um geübte Polizeibeamte handeln. Das ist eine Mindestvoraussetzung für eine anzuerkennende Messung, da eine hinreichend genaue Abstandsschätzung durch ungeübte Personen in der Regel nicht möglich ist. Außerdem muss das Gericht sich davon überzeugen können, dass es den Beamten auf der Messstrecke konkret möglich war, den Abstand zwischen den Fahrzeugen zuverlässig zu beurteilen.

Wurde die Abstandsmessung mittels dem aus einem nachfahrenden Polizeifahrzeug betriebenen Messsystem ProViDa durchgeführt, ist zudem zu beachten, dass es sich hierbei nicht um ein standardisiertes Messverfahren handelt. Dies führt zu erhöhten Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung und der Darstellung der konkreten Messung in den Urteilsgründen. Der Bußgeldrichter darf sich dann im Urteil nicht auf die Mitteilung des Messverfahrens und die - gegebenenfalls nach Abzug der Messtoleranzen ermittelten Ergebniswerte der Messung , namentlich die ermittelten Zeit-, Geschwindigkeits- und Abstandswerte, beschränken.

Die Abstandsmessung aus einem vorausfahrenden Polizeifahrzeug unter Zuhilfenahme des Rückspiegels gilt nicht als beweissicher. Auch eine Abstandsbestimmung durch Nachstellen des Abstands auf einem Autobahnparkplatz reicht zum Nachweis eines Abstandsverstoßes nicht aus.

Die Abstandsmessung mit ProViDa ist schon deshalb kein standardisiertes Messverfahren weil weder festgelegt ist, unter welchen Voraussetzungen ein von den Fahrzeugen passierter Punkt markant und ortsfest ist und deshalb für die Abstandsberechnung geeignet ist, noch wie die Fahrzeugschatten beschaffen sein müssen, um taugliche Grundlage für die Abstandsberechnung sein zu können.

Der Tatrichter wird durch das System nur in die Lage versetzt in Anwesenheit der Polizeibeamten im Wege des Augenscheins im Gerichtssaal anhand der bei der Videoprojekton erkennbaren Fixpunkte die Abstände zwischen den Fahrzeugen zu berechnen. Diese Videoauswertung und Berechnung muss er in den Urteilsgründen verständlich und widerspruchsfrei darstellen. Es muss dem Urteil zu entnehmen sein, an welchen Punkten genau die Fahrzeuge durch die Einzelbildschaltung herangeführt wurden und wie dann die Berechnung erfolgte. Das Urteil muss Auskunft geben, von welchen Paramtern bei der Berechnung ausgegangen wurde (OLG Jena, Beschl. v. 22.4.2010, Az. 1 Ss 355/09).

Der Betroffene kann sich in der Hauptverhandlung über den Einspruch gegen den Bußgelbescheid selbst verteidigen. Jedoch sollte, je nach Schwere des Vorwurfs, möglichst schon im Verfahren vor der Bußgeldbehörde der Rat eines in Ordnungswidrigkeitenverfahren erfahrenen Anwalts in Anspruch genommen werden. Der Anwalt kann, im Gegensatz zum Betroffenen Einsicht in die Ermittlungsakte nehmen und eine Kopie des Beweisvideos anfordern und kennt so den detaillierten Inhalt der Zeugenaussagen des Videos bereits vor einem Gerichtstermin.

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Der Verfasser, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Christian Demuth, Düsseldorf, verteidigt bundesweit schwerpunktmäßig Menschen in Verkehrsstraf- und Bußgeldverfahren : Weitere Infos: www.cd-recht.de