Reiserecht und Luftverkehr: Flugverspätung und Flugannullierung

Reise und Verbraucherschutz
15.03.20074214 Mal gelesen

Bei einem isoliert gebuchten Flug kann der Fluggast gegen die den Flug ausführende Fluggesellschaft diverse Ansprüche bei Flugzeitverzögerungen geltend machen, wobei auch eine entscheidende Rolle spielt, ob eine bloße Verspätung oder aber eine Annullierung anzunehmen ist.

Es finden sich hierzu in den einschlägigen rechtlichen Regelungen, wie dem Montrealer Übereinkommen, der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 und den reiserechtlichen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) keine Abgrenzungen. Die Gerichte sind deshalb vermehrt mit dieser Abgrenzungsfrage befasst. Insoweit geht die Tendenz in der jüngsten Rechtsprechung dahin, bei einem zeitlichen Rahmen einer "Verspätung" von 22 bis 48 Stunden von einer Annullierung auszugehen.

Bei einer bloßen Verspätung, die über eine bloße Unannehmlichkeit hinausgehen muss, kann der Reisende Unterstützungsleistungen (z.B. anderweitige Beförderung) und Betreuungsleistungen (z.B. Hotelunterbringung,Verpflegung) verlangen. Die Ausgleichspauschalen der VO (EG) Nr. 261/2004 stehen ihm nicht zu. Er kann aber auch gem. §§ 634 Nr. 3, 638 BGB eine Minderung und damit teilweise Rückerstattung des Flugpreises beanspruchen. Da Art 12 VO (EG) Nr. 261/2004 ausdrücklich weiter gehende Schadenersatzansprüche zulässt, können die dem Reisenden konkret entstandenen Schäden gem. Art 19 Montrealer Übereinkommen und gem. §§ 280, 283-285 BGB mit einer Haftungshöchstgrenze von etwa 4800,00 ? unter dem Gesichtspunkt geltend gemacht werden, dass die Fluggesellschaft ihre Pflichten aus dem zustande gekommenen Luftbeförderungsvertrag verletzt hat. 

Liegt nicht lediglich eine Verspätung, vielmehr die Annullierung oder die Überbuchung eines Fluges vor, so stehen dem Reisenden zusätzlich zu den Unterstützungs- und Betreuungsleistungen die Ausgleichspauschalen nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zu, die sich gestaffelt nach Entfernungskilometern auf 250,00 ? - 600 ? belaufen. Insoweit handelt es sich um einen pauschalierten abstrakten Schadenersatz. Der Fluggast muss also keinen konkreten Vermögensschaden nachweisen. 

Ein konkret bei dem Fluggast entstandener Schaden  ist bei Annulierung oder Nichtbeförderung gem. §§ 631,283,281 Abs. 1 BGB im Hinblick auf die Verletzung der Beförderungspflicht .zu erstatten. Der Fluggast hat darüber hinaus gem. § 280 Abs. 1 BGB auch bei Verletzung einer Nebenpflicht einen Anspruch auf Erstattung des Schadens.

Die Fluggesellschaft kann sich nur mit den Umständen entlasten, die außerhalb ihres unmittelbaren Einfluss- und Organisationsbereichs liegen und dem Bereich höherer Gewalt zugeordnet werden müssen. Insbesondere ein Flugausfall aus technischen Gründen ist der betrieblichen Sphäre des Unternehmens zuzurechnen und entlastet die Fluggesellschaft gerade nicht, was diese in der Praxis gegenüber den Kunden jedoch häufig bestreiten.

Verletzt die Fluggesellschaft darüber hinaus auch die ihr obliegende Organisations-und Informationspflichten, indem sie etwa die Reisenden hinsichtlich des Ausfalles des Fluges sich selbst überlässt, so schuldet sie auch Schadenersatz wegen Verletzung einer Nebenpflicht. Verpasst beispielsweise ein Künstler seinen Auftritt im Ausland, weil die Gesellschaft im Rahmen der Annullierung des Fluges die Frage des Weitertransports erst einmal offen lässt, so dass dieser nicht in die Lage versetzt wird, ggf. noch anderweitig einen anderen Flug zu buchen, so schuldet sie ggf. dessen entgangenes Auftrittshonorar.

Im Zusammenhang mit der Haftung ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Fluggesellschaften diese in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig gemäß dem Montrealer Übereinkommen auf einen Betrag von etwa 5000,00 ? beschränkt haben. Diese Haftungsbegrenzung wird regelmäßig auch im nationalen Recht Anwendung finden, auch wenn hier noch vieles unsicher ist.

Handelt es sich nicht um einen isolierten Flug, vielmehr um eine Flugpauschalreise, so ist der Reisende nicht auf Ansprüche gegen die Fluggesellschaft beschränkt. Er wird und kann in erster Linie dem Reiseveranstalter auf Reisepreisminderung und Schadenersatz in Anspruch nehmen.

Die Reiseveranstalter versuchen zwar häufig, die Kunden bei Flugzeitverzögerungen an die Fluggesellschaft zu verweisen. Der Reisende muss und sollte sich auch nicht darauf einlassen. Der Reiseveranstalter selbst ist vielmehr in einem solchen Fall einstandspflichtig und kann unmittelbar in Anspruch genommen werden. Dieser wird sich alsdann im Innenverhältnis seinerseits mit der Fluggesellschaft auseinander setzen, was den Kunden aber nicht zu kümmern hat.

Rechtsanwalt Ralf Sonnhoff, Koblenz