Recht des Silvesterkrachers: Feuerwerkskörper und "bengalische Fackeln" im Stadion

Recht des Silvesterkrachers: Feuerwerkskörper und "bengalische Fackeln" im Stadion
17.12.2015214 Mal gelesen
Während eines Fußballspieles kam es – vermutlich aus einem mit Anhängern der Gegnermannschaft besetzten Block heraus – zur Zündung mehrerer Feuerwerkskörper. Ein Fußball-Fan klagt, weil zumindest ein Feuerwerkskörper in der Nähe seines Kopfes explodiert sei.

Verkehrssicherungspflichten des Veranstalters von Fußballspielen - OLG Frankfurt, Urt. v, 24.02.2011 - 3 U 140/10, MDR 2011, 725 - von Kim Oliver Klevenhagen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

 
  1. Zu den Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters eines Bundesliga-Fußballspiels.
  1. Inwieweit ist dieser verantwortlich für das Abbrennen von nicht erlaubtem Feuerwerk durch Besucher eines Fußballspiels?
  1. Welche Vorkehrungen müssen durch den Veranstalter getroffen werden?

(Leitsätze des Gerichts)

 

Einleitung:

Jeder Fußballbegeisterte kennt das: Oftmals werden im Stadion trotz des allgemein bekannten Verbotes Feuerwerkskörper oder sog. "bengalische Fackeln" abgebrannt. Neben der zu erwartenden Rauchentwicklung ist natürlich auch in einem vollen Fußballstadion eine Verletzungsgefahr gegeben. Schlimmstenfalls droht durch den Schiedsrichter ein Spielabbruch.

 

Sachverhalt (verkürzt):

Die Beklagte des Rechtsstreits ist ein bekannter Bundesligaverein, der im Jahre 2008 ein Bundesliga Fußballspiel in seinem Heimatstadion veranstaltete. Beklagt war ebenfalls eine Firma, die von dem Bundesligaverein als Rasenpfleger eingesetzt war. Während des Spiels kam es - vermutlich aus einem mit Anhängern der Gegnermannschaft besetzten Block heraus - zur Zündung mehrerer Feuerwerkskörper. Der Kläger ist ein Fußball-Fan, der behauptet, zumindest ein Feuerwerkskörper sei in der Nähe seines Kopfes explodiert. Er habe dadurch einen Tinnitus verbunden mit einer Minderung der Hörfähigkeit auf einem Ohr um 35 % als Dauerschaden erlitten. Zudem leide er unter Kopfschmerzen, Schwindel und Schlafstörungen.

Er begehrt mit der Klage ein unbeziffertes Schmerzensgeld, Ersatz seines Verdienstausfalls und Feststellung der Ersatzpflicht aller sonstigen Schäden.

Der beklagte Bundesligaverein macht geltend, alles ihm Mögliche und Zumutbare zur Vermeidung des Mitführens von Sprengkörpern durch Stadionbesucher getan zu haben.

Das erstinstanzliche Landgericht hat die Klage nach Vernehmung von zwei Zeugen, die für die Einlasskontrollen verantwortlich waren, mit Urteil vom 22.04.2010 abgewiesen, weil eine Verletzung der Sicherungspflichten durch die Beklagte nicht festgestellt werden konnte.

Der Kläger ist in Berufung gegangen und vertritt die Auffassung, es sei möglich, zumutbar und erforderlich gewesen, Kontrollen, insbesondere der Gäste-Fans, in größerer Zahl und mit höherer Intensität durchzuführen.

 

Kommentierte Entscheidungsgründe:

Das OLG Frankfurt hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Nach dessen Auffassung wurde die Klage zu Recht abgewiesen, weil dem beklagten Bundesligaverein eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten, wie sie bei einem Bundesligaspiel üblich sind, nicht vorzuwerfen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes umfasst eine rechtlich gebotene Verkehrssicherung diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Sie kann sich auch auf Gefahren erstrecken, die erst durch den unerlaubten und schuldhaften Eingriff eines Dritten entstehen.

Eine solche Verkehrssicherungspflicht trifft auf den Veranstalter einer Sportveranstaltung gegenüber den Zuschauern. Für deren Verletzung muss er einstehen. Denn der Veranstalter eines solchen planmäßig durchgeführten sportlichen Wettkampfes, wie es ein Bundesligaspiel eben ist, verbunden mit öffentlichem Interesse, zu dem Zuschauer gegen Entgelt eingeladen werden, "schafft" die Gefahr, wenn er von einer Gefährdung ausgehen kann, diese herbeiführt oder sie andauern lässt.

Zur Klageabweisung im Berufungsverfahren führte jedoch die Ansicht des Gerichtes, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar.

Haftungsbegründend wird eine Gefahr daher erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eine Schadenseintrittsvorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden.

Wenn dabei die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet wird, ist derjenige Sicherheitsgrad erreicht, der bei solchen Bundesligaspielen üblicherweise erwartet werden kann.

Insbesondere legte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt auch einen Schwerpunkt darin, dass der Kläger selbst bedenken muss, dass es zu den verbreiteten Risiken von Bundesliga - Fußballspielen gehört, dass es ein Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände gibt und dass bengalische Fackeln, Rauchpulver, Feuerwerks und Knallkörper zu den Mitteln gehören, mit denen Fans seit Jahren das Geschehen auf dem Spielfeld begleiten, sei es, um damit die eigene Begeisterung zum Ausdruck zu bringen, sei es zur bewussten Störung des Spielbetriebs oder einfach nur, um Aufmerksamkeit zu erregen. Es sei Alltag, dass pyrotechnische Zwischenfälle beinahe zu jedem Spieltag zu beobachten sind.

In diese Risikosphäre hat sich der Kläger wissentlich begeben. Eine besondere Verletzung von Sicherungspflichten konnte dem Bundesligaverein nicht nachgewiesen werden. Insbesondere waren die Kontrollen ausreichend und haben nicht das übliche Maß unterschritten.

Allein der Umstand, dass es unbefriedigend erscheinen mag, wie der Bundesligaverein mit der Verletzung des in ihrem Interesse tätig gewordenen Kläger umgegangen ist, begründet einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch nicht.

 

Fazit: In der Öffentlichkeit lauern Gefahren

Es gilt also weiterhin der archaische Grundsatz: Wer sich wissentlich Gefahren aussetzt, muss damit rechnen, dass diese sich auch realisieren können und er möglicherweise auch verletzt werden kann. Wer absolut sichergehen will, nicht bei einem Fußballspiel durch Feuerwerkskörper verletzt zu werden, sollte sich in einer gemütlichen, warmen Gaststätte das Fußballspiel bei einem kühlen Bier im HD-Fernsehen ansehen. Aber Vorsicht: Auch Kneipen-Fans können ihre Mannschaft lautstark und mit Hilfsmitteln anfeuern! Es drohen im Extremfall Bierduschen.

 

V.i.S.d.P.:

Kim Oliver Klevenhagen

Rechtsanwalt und Fachanwalt

für Bank und Kapitalmarktrecht