Agenturrecht: Vergütung bei unterlassener Mitwirkung des Kunden

Agenturrecht: Vergütung bei unterlassener Mitwirkung des Kunden
15.05.2014539 Mal gelesen
Wie und wann können Agenturen und IT-Dienstleister bei Projektverzögerungen aufgrund fehlender Mitwirkung des Kunden die Vergütung verlangen?

Agenturen und IT-Dienstleister kennen die Schwierigkeiten, wenn der Kunde in einem Projekt nicht oder nur verzögert mitwirkt. Texte oder Fotos werden nicht geliefert, Freigaben oder wichtige Informationen bleiben aus. Es ist eine Zwickmühle: Die Leistungen können nicht fertiggestellt werden, aber man kann nicht abrechnen, weil die Arbeiten eben nicht abgeschlossen sind und mangels Abnahme die Vergütung nicht fällig ist. Man kann auch nicht einfach selbst kündigen und dann abrechnen.

Sinnvoll ist immer die Vereinbarung von Abschlägen, deren Zahlung an bestimmte Meilensteine geknüpft wird. Doch selbst wenn nur noch ein Teil der Vergütung aussteht: Wie muss man vorgehen, um aus dem Vertrag heraus zu kommen und im Falle der vorzeitigen Beendigung der Zusammenarbeit einen wesentlichen Teil der Vergütung zu bekommen?

Aufhebung des Vertrages

Mitwirkungspflichten sind bei einem Werkvertrag keine echten Pflichten, sondern sogenannte Obliegenheiten des Kunden. Das bedeutet, dass diese bei Unterbleiben der Mitwirkung nicht eingeklagt werden können und dass deren Verletzung keine Schadensersatzpflicht auslöst. Die Unterlassung führt lediglich zu der Möglichkeit der Agentur, den Vertrag vorzeitig zu beenden. Hierzu muss der Kunde mehrmals zur Mitwirkung unter Fristsetzung aufgefordert werden. Bei der zweiten Aufforderung sollte ihm gleichzeitig mitgeteilt werden, dass nach Ablauf der Frist der Vertrag aufgehoben wird. Verstreicht die Frist ohne Wirkung, gilt der Vertrag automatisch als aufgehoben. Die Agentur kann dann die Vergütung für die bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten Leistungen verlangen.

Kündigung durch den Kunden

Vorteilhafter für die Agentur ist es, wenn der Kunde den Vertrag selbst kündigt. Hat sie bis zur Kündigung ihre Leistungen ordentlich erfüllt, kann sie gem. § 649 S. 2 BGB die volle vereinbarte Vergütung geltend machen. Sie muss sich allerdings diejenigen Aufwendungen anrechnen lassen, die sie durch die frühzeitige Beendigung des Auftrages erspart hat. Darunter fallen zum Beispiel ersparte Kosten für Subunternehmer. Kosten für eigene angestellte Mitarbeiter werden grundsätzlich nicht abgezogen, weil sie als allgemeine Fixkosten nicht erspart sind. Nachteilig ist, dass der Kunde von sich aus kündigen muss und man dies nicht "erzwingen" kann.

Beispiel

Folgendes schematisches und vereinfachtes Beispiel soll die Folgen der genannten Beendigungsmöglichkeiten verdeutlichen: Die Agentur bekommt einen Auftrag zur Konzeption und Erstellung einer Website zu einem Pauschalpreis. Die Präsentation des Konzeptes findet die Zustimmung des Kunden. In der Umsetzungsphase liefert er jedoch die vereinbarten Texte nicht. Es sind bereits 70 % der Leistungen von der Agentur erbracht worden. Variante A: Die Agentur fordert den Kunden mehrfach, zuletzt unter Nachfristsetzung, zur Mitwirkung auf: Der Termin verstreicht, ohne dass die Texte geliefert werden. Der Vertrag endet mit Ablauf der Frist, und die Agentur kann 70 % der vereinbarten Vergütung verlangen, da diese Arbeiten bereits erbracht wurden. Variante B: Die Agentur fordert zur Mitwirkung auf. Der Kunde teilt mit, dass er an dem Projekt kein Interesse mehr habe und beendet die Zusammenarbeit. Hier hat der Kunde von sich aus gekündigt, die Agentur kann also die volle Vergütung verlangen, muss sich jedoch ihre ersparten Aufwendungen anrechnen lassen. Sie kann zunächst 70 % der Vergütung für die bereits erbrachten Leistungen beanspruchen; von den restlichen 30 % muss sie sich dann denjenigen Betrag abziehen lassen, den sie durch das vorzeitige Ende erspart hat.

Fazit

Die Mitwirkung des Kunden kann nicht erzwungen werden. Wenn bereits wesentliche Teile des Projektes fertig sind, sollte der Kunde nachweislich mehrfach, schlussendlich innerhalb einer angemessenen Frist, zur Mitwirkung aufgefordert werden. Damit kann der Vertrag beendet und die erbrachten Arbeiten können abgerechnet werden. Setzt die Agentur auf die gesamte Vergütung abzüglich der ersparten Aufwendungen, muss sie warten, bis der Kunde kündigt. Damit die Obliegenheit zur Mitwirkung zu einer echten Pflicht wird und man nicht lediglich die erbrachten Leistungen abrechnen kann, sollten die Mitwirkungspflichten vertraglich fixiert werden. Hierdurch können neben der anteiligen Vergütung auch noch Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden.

Rechtsanwalt Jörg Bange

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Fachanwalt für Informationstechnologierecht