OLG Hamm: Urteil zur rechtsmissbräuchlichen Abmahntätigkeit

Internet, IT und Telekommunikation
22.04.2013998 Mal gelesen
In seinem Urteil vom 26.07.2012 hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Hamm ein weiteres Mal ausführlich mit der Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit von Abmahnungen auseinandergesetzt (Az. I-4 U 49/11). Die Frage, ob ein Abmahnmissbrauch vorliegt, sei dabei stets von Amts wegen zu prüfen.

Rechtsmissbräuchliche Abmahnung nach § 8Abs. 4 UWG

Von einem Rechtsmissbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG ist auszugehen, wenn bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele eindeutig überwiegen. Als sachfremde Ziele kommt u.a. ein Kostenbelastungsinteresse in Betracht. Ein solches liegt vor,

"wenn es dem Gläubiger des Unterlassungsanspruchs in erster Linie darum geht, einen bestimmten oder mehrere Wettbewerber mit Kosten und Risiken zu belasten, die geeignet sind, seine personellen und finanziellen Kräfte zu binden".

Ob sachfremden Erwägungen bei der Anspruchsverfolgung überwiegen, hat das Gericht im Einzelfall im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände zu bestimmen. Indizien können dabei die Art und die Schwere der Zuwiderhandlung sowie auch das Vorgehen des Anspruchstellers bei der Rechtsverfolgung etwa in vergleichbaren Fällen sein.

Zum Fall

Der Kläger mahnte als Inhaber eines Onlineshop für Badeenten den beklagten Konkurrenten, der in seinem Sortiment unteranderem ebenfalls Badeenten anbot, ab. Grundlage für die Abmahnung waren eine fehlerhafte Produktbeschreibung und 2 Klauseln der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Widerrufsbelehrung sowie zur Möglichkeit der Warenrückgabe. Dem Verlangen zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie der Erstattung der Abmahnkosten kam der Beklagte nicht nach. Der Kläger beantragte in der Folge eine einstweilige Verfügung, deren Erlass gewährt wurde. Auf Verlangen des Klägers gab der Konkurrent keine Abschlusserklärung ab, so dass der Kläger seinen Unterlassungsanspruch nunmehr in einem Hauptsacheverfahren verfolgte. Der abmahnende Onlineshop-Betreiber klagte gegen den Konkurrenten auf Erstattung der Abmahnkosten i.H.v. 1.379,80 Euro und begründete sein Vorgehen damit, dass der Auftritt der Beklagten unlauter sei. Nachdem das Landgericht Bochum die Klage für unbegründet hielt, musste sich das Oberlandesgericht Hamm mit der Berufung befassen.

OLG Hamm: Abmahnung war rechtsmissbräuchlich

Das Oberlandesgericht Hamm entschied, dass der Kläger von der Beklagten nicht die Unterlassung und Freistellung von den Kosten der Abmahnung verlangen kann. Zudem stellten die Richter fest, dass der Kläger bei seiner Rechtsverfolgung rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG gehandelt hatte.

Für ein überwiegend von sachwidrigen Erwägungen bestimmtes Vorgehen des Klägers sprachen nach der Ansicht der Richter folgende Umstände:

  • Erheblicher Umfang von Abmahnungen

Alleine eine umfangreichere Abmahntätigkeit, wie sie hier angesichts der 37 Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Bochum gegeben war, begründen noch keinen Rechtsmissbrauch. Es müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Missbräuchlichkeit der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs begründen können. Dies kann bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen dem operativen Umsatz und der Abmahntätigkeit liegen. Im vorliegenden Fall befand das Gericht, dass bei einem Jahresumsatz von 490.000,- EUR die Abmahntätigkeit in keinem Verhältnis zur regulären Geschäftstätigkeit des Klägers stand. Demzufolge sei die Abmahntätigkeit verselbständigt und verfolge vorrangig Behinderungszwecke.

Gleichzeitig wies das Gericht aber ein weiteres Mal auf die allgemeine rechtliche Bewertung von Abmahnungen hin. Demnach sind Abmahnungen grundsätzlich ein geeignetes Mittel, das Interesse der Allgemeinheit an einem lauteren Wettbewerb zu schützen und diesen Wettbewerb zu fördern.

  • Unbegründet überhöhte Gegenstandswerte

Ein weiteres Indiz für rechtsmissbräuchliche Abmahnung sieht das OLG Hamm als gegeben an, wenn der Abmahner seiner Abmahnung einen völlig überhöhten Streitwert zu Grunde legt. Im konkreten Fall hatte der Abmahner einen Streitwert von 60.000,- EUR beim Ausspruch der Abmahnung angenommen. Vergleichbare Angelegenheiten, die sich ebenfalls auf Verstöße im Fernabsatzrecht bezogen, waren von den Gerichten regelmäßig mit Streitwerten zwischen 10.000,- EUR und 15.000,- EUR behandelt worden. Das Verhalten des Klägers macht nach Ansicht des Gerichts deutlich, dass hier auch mit überhöhten Streitwerten als Druckmittel gearbeitet wurde.

  • Öffentliche Aussage zu den Beweggründe der Abmahnungen

Zudem fiel der Kläger in Internetforen damit auf, dass er wörtlich vom "Ausschalten" der Konkurrenz mittels Abmahnungen sprach. Er beteiligte sich rege an einer Diskussion über das Abmahnwesen in Deutschland und bedauerte, dass er noch immer nach einer passenden Möglichkeit suche, wie er mittels Abmahnungen seine Konkurrenz ausschalten könne. Sein vorrangiges Ziel sei es demnach, seine Produkte zu einem höheren Preis anbieten zu können.

  • Verkopplung von Zahlungs- und Unterwerfungsfrist

Weitere Umstände legen nahe, dass ein übermäßiger Entscheidungsdruck auf die Abgemahnten ausgeübt werden sollte. So enthielt die Abmahnung die Verkoppelung der Frist zur Zahlung der Abmahngebühren mit der Frist für die Erfüllung des Unterwerfungsverlangens. Durch dieses Vorgehen entsteht der unzutreffende Eindruck, dass der Schuldner die Gefahr gerichtlicher Inanspruchnahme nur verhindern könne, wenn er neben der Unterlassungserklärung auch die Abmahnkosten umgehend erstattet.

Fazit

Jede einzelne, der vorgenannten Maßnahmen eines Abmahners ist für sich genommen noch nicht als missbräuchliche Verhaltensweise zu bewerten. Doch zeigt die vom OLG Hamm vorgenommen Gesamtbetrachtung, dass ein Zusammenwirken einzelner Indizien sehr wohl eine Rechtsmissbräuchlichkeit nach § 8 Abs. 4 UWG begründen kann. Dies gilt umso mehr, sofern mit einer Abmahnung vorrangig sachfremde Ziele, wie die Generierung von Einnahmen oder das "Ausschalten" einer Konkurrenz verfolgt wird.