"Morpheus" - Urteil des BGH - Schwere Niederlage der "Abmahnindustrie"? Ist das wirklich so?

Internet, IT und Telekommunikation
16.11.2012732 Mal gelesen
Das gestrige Urteil des BGH zur Haftung der Eltern bei Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing wird - auch von Kollegen - teilweise geradezu euphorisch gefeiert und als "Wende" und Niederlage der "Abmahnindustrie" gewertet. Wenn man die Entscheidungsbegründung betrachtet, erscheint der Jubel

...jedoch verfrüht. Ein sehr wesentlicher Punkt wird offenbar übersehen: Zwar hat der BGH eine Haftung der Eltern verneint, wenn ein verständiges minderjähriges Kind ausreichend belehrt wurde und im allgemeinen zu erwarten ist, dass es sich an Ge- und Verbote hält und somit begrüßenswerter Weise die teilweise lebensfern erscheinenden Anforderungen an elterliche Fähigkeiten bezüglich der Überwachung und auch technischen Kenntnisse eingeschränkt. Jedoch sagt dieses Urteil nichts über die Haftung des Kindes, des eigentlichen Täters.

Kinder sind ab dem 7. Lebensjahr deliktsfähig und eine Haftung besteht dann, wenn das Kind über die nötige EInsichtsfähigkeit verfügt. Wenn man die Einschränkung des BGH zur Frage der Haftung der Eltern nun genau betrachtet, so kann das Urteil dahingehend verstanden werden, dass immer dann, wenn eine Haftung der Eltern verneint wird, eine Haftung des Kindes gegeben wäre. Dies aus folgender Überlegung: Wenn dasKind belehrt und davon ausgegangen werden darf, dass das Kind sich an die Belehrung halten wird, dann ist eine Einsichtsfähigkeit des Kindes Vorraussetzung. Falls die Eltern davon ausgehen müssen, dass das Kind nicht einsichtsfähig ist, dann ist eine Belehrung letztlich sinnlos und Eltern müssten weitergehende Überwachungspflichten erfüllen.

Falls nun die Rechteinhaber "ernst" machen und zukünftig Kinder in Anspruch nehmen, ist die Situation letztlich fast noch unangenehmer, wenn man berücksichtigt, dass die Forderung letztlich in der Familie verbleibt. Mal angenommen ein 13-jähriger würde - wie im zu entscheidenen Fall - zur Zahlung von 3000,-- € Schadensersatz verurteilt, dann ist davon auszugehen, dass dieser die Summe durchschnittlich erst mit seiner ersten Anstellung, sagen wir 10 Jahre später, begleichen kann. Da die Forderung jedoch verzinst wird, hat er dann im Ergebnis fast 5.000,-- € zu bezahlen. Um dem Kind das zu ersparen, würde wohl in der Praxis regelmäßig eine Vorleistung durch die Eltern erfolgen.

Keinesfalls sollten daher Eltern zukünftig auf Abmahnungen dahingehend reagieren, dass einfach das minderjährige Kind als Täter benannt wird und im Gefühl der Rechtssicherheit durch das BGH-Urteil davon ausgehen, dass nun alles erledigt sei! Dies hätte die Konsequenz, dass das Kind als "Täter" benannt würde - die Haftung des Täters ist im Übrigen weitergehend als die des Störers! - und diese Darstellung als eingeräumt gelten würde. Dann würde es im Ergebnis nur noch darum gehen, ob das Kind "einsichtsfähig" war. Wie bereits ausgeführt, ist davon auszugehen, dass zumindest eine Vermutung in die Einsichtsfähigkeit besteht, wenn selbst die Eltern, dass Kind für so einsichtsfähig halten, dass eine "nur" eine Belehrung ausreicht. 

Es bleibt daher abzuwarten, ob zukünftig Kinder von den Rechteinhabern direkt verklagt werden. Der einzige Hinderungsgrund, den der Verfasser erkennen kann, ist der, dass diese Klagen noch unpopulärer wären.

Die Verfasser ist Rechtsanwalt und im Medien- / Urheberrecht spezialisiert