Rechtsanwalt Nico Werdermann Berufsrecht als Abmahnfalle: Zweite Zahnarztmeinung

Internet, IT und Telekommunikation
30.06.2011232 Mal gelesen
Die Werbung für medizinische Dienstleistungen unterliegt starken Einschränkungen. Über das Wettbewerbsrecht können Verstöße gegen diese Regeln zu echten Kostenfallen werden. Anhand einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 1.12.2010 - I ZR 55/08) wird deutlich, wie genau die scheinbar klaren Berufsordnungen zu lesen sind.

Rechtsanwalt Nico Werderman ( Werdermann von Rüden Rechtsanwälte ) erläutert den Fall

Der Beklagte ist der Betreiber einer Internetplattform, die den Vergleich von Preisen für Zahnbehandlungen ermöglicht. Patienten veröffentlichen hier anonym Heil- und Kostenpläne, damit diese von registrierten Zahnärzten eingesehen und im Preis unterboten werden. Nach Ablauf einer bestimmten Frist sucht sich der Patient eines der fünf preisgünstigsten Angebote aus. Der Plattformbetreiber stellt dann den Kontakt her. Letzterer erhält einen Teil des zahnärztlichen Honorars, wenn ein Behandlungsvertrag tatsächlich zustande kommt.


Weiter erläutert Rechtsanwalt Nico Werdermann

Hiergegen klagten Zahnärzte vor dem Landgericht München. Sie sahen in der Plattform eine Beihilfe zu Verstößen gegen die Bayrische Berufsordnung für Zahnärzte und das Wettbewerbsrecht. Das Landgericht gab der Klage statt (Urteil vom 15.11.2006- 1 HK O 7890/06). Es sah als Hauptzweck jeden einzelnen Gebots, einen Kollegen zu verdrängen. Dies wäre unlauter, da unter dem Preisdruck die Qualität der zahnärztlichen Behandlung und damit die Gesundheit der Patienten leide. Außerdem wäre jeder unterbietende Kostenvoranschlag eine unzulässige vergleichende Werbung. Die Plattform selbst verstoße gegen das Verbot, Patienten entgeltlich zuzuweisen.

Der Bundesgerichtshof sieht in der Verdrängung lediglich die Folge eines grundsätzlich erwünschten Wettbewerbs. Der bezweckte Preisvergleich sei nicht unlauter, sondern sichere das Recht des Patienten auf freie Arztwahl ab. Qualitätseinbußen seien nicht belegt.  Das jeweilige Gebot erfolge nur auf Initiative des Patienten. Es vergleiche nur den Preis und nicht die Leistung. Dabei würden auch die Interessen des Patienten an einem Vorteil im Verhältnis Kosten-Nutzen berücksichtigt. Daher läge keine unzulässige Werbung vor. Letztlich erhalte der Plattformbetreiber keine Provision für die Kontaktvermittlung, sondern nur ein Entgelt für die Nutzung des virtuellen Marktplatzes.

Nun hat auch das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Auktionsteilnahme grundsätzlich mit der Bayrischen Berufsordnung für Zahnärzte vereinbar ist (Beschluss vom 8.12.2010 - 1 BvR 1287/08). Gleiches wird auch für vergleichbare Regelungen in anderen Bundesländern gelten.

 

Weitere Informationen zum Thema Arzt und Werbung:

http://www.wvr-law.de/olg-koeln-augenaerzte-duerfen-nicht-mit-pauschalpreisen-werben/

http://www.wvr-law.de/werbung-fur-haarfarbemittel-mit-uneingeschrankter-arztlicher-empfehlung-ist-irrefuhrend/

http://www.wvr-law.de/angebot-kostenloser-seminarteilnahme-fur-arzte-nicht-wettbewerbswidrig/

http://www.wvr-law.de/eugh-zur-offentlichen-wiedergabe-von-tontragern-im-rahmen-von-radiosendungen-die-in-einer-zahnarztpraxis-ausgestrahlt-werden/