Privatinsolvenz anmelden: Nach 3 Jahren schuldenfrei | Update 2022

Privatinsolvenz Selbstbehalt - Voraussetzungen und Anmeldung
26.08.202263 Mal gelesen
Haben Sie hohe Schulden? Die Privatinsolvenz kann die Lösung sein. Erfahren Sie mehr über die Voraussetzungen, den Ablauf und das Ziel der Privatinsolvenz.

Privatinsolvenz: Nach drei Jahren schuldenfrei

Mögliche Alternativen zur Privatinsolvenz und das Verfahren im Überblick:

Leben Sie zur Zeit in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage oder gar in wirtschaftlicher Not, ist die Frage, wie Sie da wieder herauskommen. Die Lösung ist eine Entschuldung, entweder durch einen außergerichtlichen Vergleich oder eine Privatinsolvenz.

Bevor Sie einen Insolvenzantrag stellen, haben Sie die Möglichkeit ein Insolvenzverfahren durch einen außergerichtlichen Vergleich zu verhindern. Dabei wird in der Regel den Gläubigern eine Raten- oder Einmalzahlung angeboten, um die Schulden zu tilgen. 

Haben Sie die finanziellen Mittel nicht, um eine außergerichtliche Einigung zu erzielen, steht Ihnen der Weg der Privatinsolvenz frei - mit dem Ziel, dass die Schulden nach 3 Jahren gelöscht werden.

In Deutschland wurden seit Einführung der Privatinsolvenz im Jahr 1999 bis ins Jahr 2021 über 1,5 Millionen Privatinsolvenzverfahren durchgeführt. (1)  Allein im Jahr 2021 gab es 109.031 Privatinsolvenzen. (2)  Die Privatinsolvenz ist der gängigste Weg, eine Schuldenkrise zu beenden.

 

Privatinsolvenz anmelden | Welche Voraussetzungen gibt es?

Das Privatinsolvenzverfahren kann von jeder natürlichen Person betrieben werden, die keine selbstständige Tätigkeit ausübt bzw. ausgeübt hat oder im Falle der Selbstständigkeit nicht mehr als 19 Gläubiger hat, § 304 InsO

Ob und welchen Beruf Sie haben, ist völlig irrelevant. Sie können ein Privatinsolvenzverfahren durchführen, wenn Sie Arbeitnehmer, Student, Rentner, Beamter oder Hausfrau etc. sind. Auch als Bezieher von Arbeitslosengeld (I oder II) oder als ausländischer Staatsangehöriger (Aufenthaltserlaubnis und Wohnsitz in Deutschland, § 2 InsO notwendig) können Sie selbstverständlich Privatinsolvenz beantragen. Alle EU-Staaten müssen eine deutsche Restschuldbefreiung anerkennen. Ein Einkommen ist ebenfalls keine Voraussetzung! 

 

Es spielt auch keine Rolle wie viele Gläubiger Sie haben und wie hoch die Schulden sind, § 301 InsO. Ihnen wird ein Neuanfang nach drei Jahren gewährt (Übergangsregelungen zwischen 17.12.2019 - 30.09.2020 beachten).

 

Wichtige Voraussetzung ist, dass Sie zahlungsunfähig sind, also Ihre bestehenden Schulden nicht weiter bezahlen können. Darüber hinaus benötigen Sie als Privatperson eine Bescheinigung gem. § 305 InsO, die bescheinigt, dass Sie einen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch durchgeführt haben und dieser gescheitert ist, d.h. es haben nicht alle Gläubiger dem Einigungsvorschlag zugestimmt.

 

Überblick über das Insolvenzverfahren

Das Privatinsolvenzverfahren unterteilt sich grob in drei Phasen, die im Folgenden näher beschrieben werden.

 

1. Vorbereitungsphase (ca. 6 Wochen)

Der Beginn eines jeden Privatinsolvenzverfahrens stellt die Einschätzung Ihrer individuellen Schuldensituation dar. Um die richtigen Maßnahmen auswählen zu können, ermitteln wir mit Ihnen gemeinsam die Schuldenhöhe, die (ungefähre) Anzahl der Gläubiger, Ihr Einkommen und ggf. bestehende Unterhaltspflichten sowie Ihr vorhandenes Vermögen (v.a. Immobilien und KfZ). 

Stellt sich heraus, dass die Privatinsolvenz der richtige Schritt für Sie ist, ermitteln wir Ihre Gläubiger und stellen Ihren Insolvenzantrag. 

 

Achtung: Sollte einer Ihrer Gläubiger bereits einen Insolvenzantrag (Gläubigerantrag) gestellt haben, müssen Sie schnell handeln und mit Hilfe einer auf das Insolvenzrecht spezialisierten Kanzlei innerhalb einer bestimmten Frist einen Eigenantrag auf Privatinsolvenz stellen. Worst-case-scenario ist eine Privatinsolvenz ohne Restschuldbefreiung.

 

Für die Vorbereitung Ihres Insolvenzverfahrens sollten Sie zudem 

  • Ihr noch vorhandenes Vermögen sichern (ein Rechtsanwalt kann Ihnen dabei helfen)
  • Ein neues Konto bei einer neuen Bank eröffnen (eröffnen Sie dieses zunächst als Girokonto und beantragen dann ein paar Tage später, dass dieses Konto nun als Pfändungsschutzkonto eingerichtet wird, da Banken nicht verpflichtet sind, ein Konto ganz neu als Pfändungsschutzkonto einzurichten, wohl aber ein bestehendes Konto umwandeln müssen, vgl. § 850k VII ZPO). Alle neuen Einkünfte sollten nun auf dieses Konto überwiesen werden
  • Alle Zahlungen an Ihre Gläubiger einstellen. Nur solche, die zur Existenzsicherung notwendig sind (Miete, Strom, Internet etc.) zahlen wie weiter, da Sie sich sonst strafbar machen könnten. Sie dürfen einzelne Gläubiger nicht (bevorzugt) befriedigen, vgl. § 283c StGB
  • Sämtliche Korrespondenz mit Ihren Gläubigern sammeln und ordnen, während wir Ihre Gläubiger ausfindig machen und die Schuldenstände einholen (über Anfragen bei gängigen Schuldnerregistern wie der Schufa etc.)
 

2. Insolvenzverfahren (insg. 3 Jahre)

Nach ca. einem Monat ab Antragstellung wird das Privatinsolvenzverfahren eröffnet, welches dann drei Jahre dauert. Ab diesem Zeitpunkt werden alle Pfändungen Ihrer Gläubiger gestoppt, vgl. §§ 88, 89 InsO. Jedwede Korrespondenz läuft ab diesem Moment über Ihren Insolvenzverwalter. Sie behalten einen pfändungsfreien Teil Ihres Einkommens (Selbstbehalt), über den Sie frei verfügen können (Höhe ist unterschiedlich). Unpfändbares Vermögen, wie Hausstand, Fernseher, benötigtes KfZ, Möbel, Computer etc. dürfen Sie selbstverständlich behalten.

Ihr Insolvenzverwalter wird beauftragt, Ihr vorhandenes Vermögen zu verwerten, er ist jedoch nicht Ihr Rechtsbeistand! Er ist eine Art Schiedsrichter für Sie und Ihre Gläubiger. Am Ende des Jahres verfasst der Insolvenzverwalter den Schlussbericht.

Nach dem ersten Jahr des Insolvenzverfahrens beginnt die Wohlverhaltensperiode, in welcher Sie mit Ihrem Insolvenzverwalter nur jährlich per schriftlichen Fragebogen kommunizieren. Ihr Leben sollte sich ab diesem Zeitpunkt erleichtern. Sie können praktisch wie vor der Privatinsolvenz leben, bis auf die Ausnahme, dass Sie monatlich einen pfändbaren Betrag schulden. 

Des Weiteren müssen Sie sich um eine Anstellung bemühen, falls Sie vorher arbeitslos waren, Sie müssen für den Insolvenzverwalter erreichbar sein, einen Wohnsitzwechsel müssen Sie anzeigen und jegliche Veränderungen Ihrer Vermögenslage. Das wichtigste ist jedoch, keine neuen Schulden anzuhäufen!

 

3. Restschuldbefreiung

Nach drei Jahren ab Eröffnung der Privatinsolvenz tritt die Restschuldbefreiung ein (§ 300 I InsO), was bedeutet, dass Sie schuldenfrei sind. Alle Schulden, unabhängig von der Höhe und der Anzahl der Gläubiger (ausgenommen sind Forderungen aus unerlaubter Handlung, Steuerhinterziehung sowie Strafen und Bußgeldern oder vorsätzlich nicht bezahltem Unterhalt), gelten als getilgt.

 

Ab nun können Sie mit Ihrem Leben wieder neu starten!

 

Haben Sie Fragen?

Wachsen Ihnen Ihre Schulden über den Kopf, aber Sie haben Angst vor einem Privatinsolvenzverfahren? Schreiben Sie uns eine Nachricht oder rufen Sie uns in unserer Kanzlei unter der 04202 63 83 70 an. Wir beraten Sie gerne über Ihre Möglichkeiten und helfen Ihnen, aus Ihren Schulden herauszukommen.

Wir sind eine auf das Insolvenzrecht spezialisierte Kanzlei und stehen Ihnen mit unserer Expertise zur Seite!

 

Dieser Artikel gilt lediglich zu Informationszwecken und ersetzt keine Beratung im Einzelfall!

Quellen zum Thema Privatinsolvenz

  1. https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Vermoegen-Schulden/Tabellen/verbraucherinsolvenzen-jahren.html 
  2. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/150565/umfrage/privatinsolvenzen-in-deutschland-seit-2000/ 
  3. https://rechtsanwaltkaufmann.de/insolvenzrecht/privatinsolvenz-anmelden-selbstbehalt-voraussetzungen