Amazon-Händler haftet ohne Kenntnis für Bootleg-DVD

Geistiges Eigentum und Urheberrecht
25.02.2016183 Mal gelesen
Das AG Hamburg hat mit Urteil vom 18.02.2016 entschieden, dass ein Amazon-Händler auch ohne Kenntnis für urheberrechtswidrige Bootleg-DVD hafte. Eine verschuldensunabhängige Haftung verstoße nicht gegen die nach Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Medienfreiheit.

Sachverhalt: Gutgläubige Bootleg-Angebote auf Amazon

Die Klägerin ist eine beim Amtsgericht Charlottenburg eingetragene Partnerschaftsgesellschaft. Die Beklagte ist gewerbliche Verkäuferin gebrauchter Tonträger mit Sitz in der Schweiz.

Eric Clapton gab 1988 gemeinsam mit weiteren Musikern ein Konzert in Kalifornien. Einige Jahre später erschienen unautorisierte DVD-Bildtonträger sowie ein 2-LP-Tonträger mit bei diesem Konzert entstandenen Ton- und Bildaufnahmen, jeweils unter dem Titel "Eric Clapton - After Midnight Live". Auf der DVD befinden sich insgesamt vierzehn Musikaufnahmen von Eric Clapton,auf der LP insgesamt zwölf.

Der Beklagte bot auf Amazon jeweils eine DVD und LP zum Verkauf an. Daraufhin erhielt sie eine Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung (Bootleg-Angebot), in der sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 984,60 EUR (berechnet nach einem Gegenstandswert von 20.000 EUR) aufgefordert wurde.

Die Beklagte gab eine modifizierte strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, lehnte jedoch Zahlungen ab. Zur Begründung gab sie an, dass sie keine Kenntnis davon hatte, dass es sich bei der DVD und LP um Bootlegs gehandelt habe. Daher erhob die Klägerin nach Abtretung Zahlungsklage.

Urteil: Amazon-Händler haftet bei Bootleg-Angeboten

Das Amtsgericht Hamburg gab der Zahlungsklage in voller Höhe statt.

Amazon-Händler haftet auch ohne Kenntnis von Bootleg auf Abmahnkosten

Das Amtsgericht wies zunächst darauf hin, dass der urheberrechtliche Unterlassungsanspruch verschuldensunabhängig ist und daher der darauf basierende Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ebenfalls kein Verschulden voraussetzt:

"Ein Verschulden der Beklagten ist mit Blick auf die Verbreitungshandlung nicht erforderlich. Im Unterschied zu § 97 Abs. 2 UrhG, in dem die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aufgeführt sind, richtet sich der Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 UrhG auch gegen Personen, die weder fahrlässig noch vorsätzlich gehandelt haben."

Verschuldensunabhängige Haftung im Urheberrecht verstößt nicht gegen Medienfreiheit

Die Ansicht der Beklagten, eine verschuldensunabhängige Unterlassungspflicht eines Medienhändlers sei verfassungswidrig, wies das Gericht zurück, da das Vorliegen eines Bootlegs ohne weiteres erkennbar sei. In diesem Zusammenhang wies das Gericht auf den Beschluss des Lg Hamburg vom 13.04.2012 (Az: 308 O 125/12), in dem dieses wie folgt ausführte:

"Eines Verschuldens bedarf es nicht, und dass die Handlung rechtswidrig ist, muss dem Handelnden nicht bewusst sein (...). Eine unter Berücksichtigung der Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) gebotene verfassungsmäßige Einschränkung dieser Täterhaftung bedarf es allenfalls, wenn der rechtswidrige Inhalt des Angebots nur bei aufwendiger Recherche erkennbar wäre und dies für den Händler eine unzumutbare Belastung darstellen würde. Demzufolge hat die Kammer in o. g. Entscheidung entschieden, dass ein Buchhändler nicht als Täter haftet, wenn auf fünf Seiten eines mehrere hundert Seiten umfassenden Bildbandes einzelne rechtsverletzende Fotos wiedergegeben sind. Vorliegend handelt es sich jedoch nicht um einzelne rechtswidrige Aufnahmen, sondern ein insgesamt rechtswidrig erstelltes Album. Dessen Rechtswidrigkeit ist ohne weiteres durch Vergleich minder Diskographie des Antragstellers, abrufbar beispielsweise unter www..., feststellbar. Eine solche Überprüfung ist einem Händler zumutbar."

Angebotene DVD und LP waren als Bootleg erkennbar

Nach Ansicht des AG Hamburg hätte die Beklagte auch Anlass gehabt, die angebotene DVD und LP daraufhin zu überprüfen, ob es sich um ein Bootleg handele:

"Das gegenständliche Musikalbum bietet für eine solche Prüfung Anlass, da keine Unternehmen auf den jeweiligen Cover genannt sind und im Übrigen die Aufmachung deutlich abweicht von sonstigen gerichtsbekannten Musikalben des (...), als dass sie sehr einfach gehalten ist. Bei einem Blick auf die offizielle Diskografie der Band wäre zudem ohne weiteres erkennbar gewesen, dass die Aufnahmen nicht mit Zustimmung des (...)in den Verkehr gebracht worden sind."

Streitwert bei Bootleg DVD 20.000 EUR

Nach Ansicht des AG Hamburg ist auch der für die Berechnung der Abmahnkosten angesetzte Gegenstandswert von 20.000 EUR angemessen. Hierbei orientierte sich das AG an dem Streitwertgefüge des OLG Hamburg und LG Hamburg.

AG Hamburg, Urteil vom 18.02.2016, Az. 25b C 342/15