AG Bielefeld: Filesharing Ermittlungssoftware "Observer" der Guardalay Ltd. unbrauchbar

Geistiges Eigentum und Urheberrecht
11.02.2016229 Mal gelesen
Das Amtsgericht Bielefeld wies mit Urteil vom 19.10.2015 eine Filesharing-Klage der Kanzlei BaumgartenBrandt ab, da nicht nachgewiesen wurde, dass die verwendete Ermittlungssoftware "Observer" zuverlässig IP-Adressen ermittelt.

Sachverhalt

Die Kanzlei BaumgartenBrandt mahnte im Auftrag der KMS GmbH einen Anschlussinhaber wegen Anbietens des Films "Never Surrender" in einer Tauschbörse ab. Wie üblich, verlangte BaumgartenBrandt in der Filesharing Abmahnung neben der Abgabe einer Unterlassungserklärung Schadensersatz in Höhe von 400 EUR sowie Abmahnkosten in Höhe von 550,60 EUR.

Da der Anschlussinhaber jegliche Zahlungen verweigerte, erhob BaumgartenBrandt Zahlungsklage - und verlor!

Entscheidung

Das Amtsgericht Bielefeld wies die Filesharing Klage als unbegründet ab. Das Gericht war nicht davon überzeugt, dass der richtige Anschlussinhaber ermittelt worden war.

Filesharing Ermittlungssoftware Observer nicht zuverlässig

Nach Ansicht des Gerichts ist die zur Ermittlung der IP-Adresse von der Guardaley Ltd. verwendete Software "Observer" nicht zur zuverlässigen Feststellung von Urheberrechtverletzungen im Internet geeignet.

"Die anderen Teilnehmer müssen aber in die Lage versetzt sein, auf das gesamte Werk oder zumindest auf verwertbare Teile davon zuzugreifen. Der nach der Darstellung der Klägerin vom Beklagten eingesetzte File-Sharing-Client basiert auf dem BitTorrent-Protokoll. Es erlaubt Teilnehmern, jeweils einzelne Stücke einer Dateien, die Chunks genannt werden, herunterzuladen und diese nach ihrer Komplettierung zu der ganzen Datei zusammenzufügen. Diese Chunks müssen eine Mindestgröße von 9 MB aufweisen (vgl. http:bittorrent-faq.de/). Ein üblicher DSL-16.000-Anschluss erlaubt ein maximales Uploadvolumen von 2.400 Kbit/Sek,. so dass das Hochladen von 9 MB mehr als 30 Sekunden benötigt. Die Feststellung der Firma Guardaley Ltd. lasten dem Beklagten aber nur 1 Sekunde oder sogar nur einen Bruchteil davon während der Verletzungshandlung an, denn sie gibt für sie keinen Zeitraum, sondern einen einzelnen sekundengenau festgehaltenen Zeitpunkt an. In einer Sekunde lassen sich aber höchstens 0,29 MB hochladen. [...] Folglich ist es ebenso gut möglich und nach allgemeiner Lebenserfahrung sogar naheliegend, dass der Nutzer im Moment der ihm angelasteten Verletzungshandlung eine völlig andere als die geschützte Dabei heruntergeladen hat. (...)

Nach alldem ist die von der Guardaley Ltd. angewandte Ermittlungsmethode ungeeignet, Rechtsverletzungen im Wege des öffentlichen Zugänglichmachens geschützter Werke nachzuweisen oder auch nur plausibel erscheinen zu lassen."

AG Bielefeld, Urteil vom 19.10.2015, Az. 117 C 2852/15

Hinweis

Auch andere Gerichte haben die Ermittlungssoftware "Observer" bereits als unzuverlässig eingestuft (so z.B. AG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 02.01.2015, Az. 153 C 3184/14; AG Frankenthal, Urteil vom 23.06.2014, Az. 3b C 145/14; OLG Köln, Beschluss vom 20.01.2012, Az. 6 W 242/11). Daher sollten Abgemahnte, die Abmahnungen mit Hinweis auf die Nutzung von "Observer" erhalten, nicht voreilig strafbewehrte Unterlassungserklärungen abgeben oder gar Zahlungen leisten. Ein Gang zum Anwalt lohnt sich hier auf jeden Fall.