Nach EuGH-Urteil: sind jetzt alle Streaming-Seiten legal?

Geistiges Eigentum und Urheberrecht
14.06.2014568 Mal gelesen
Der EuGH hat entschieden, dass die Vervielfältigungen im Browser-Cache keine Urheberrechtsverletzung darstellen. Welche Folgen hat die Entscheidung für das Anschauen von Streaming-Seiten? RA Christian Solmecke analysiert das Urteil im Detail.

Was hat der EuGH entschieden?

Bei der Entscheidung des EuGH ging es um die Frage, ob die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke im Cache des Browsers durch die Schranken des Urheberrechts gerechtfertigt ist. Dabei musste der EuGH über die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 der Informationsrichtlinie entscheiden, der durch § 44a UrhG beinahe wortgleich in deutsches Recht umgesetzt wurde.

Danach sind Vervielfältigungen unter folgenden Voraussetzungen ohne Zustimmung des Urhebers zulässig:

1. die Vervielfältigung ist vorübergehend

2. sie ist flüchtig oder begleitend,

3. sie stellt einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens dar

4. ihr alleiniger Zweck ist es, entweder eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder eine rechtmäßige Nutzung eines Werks oder sonstigen Schutzgegenstands zu ermöglichen, und

5. sie hat keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung.

Der EuGH musste jedoch in diesem Fall nur über die ersten drei Voraussetzungen entscheiden, da das nationale Gericht bereits festgestellt hatte, dass Browser-Kopien der 4. und 5. Voraussetzung genügen.

Was heißt das für Streaming-Fälle?

Das Urteil trifft lediglich eine Aussage für Streaming-Content, der mit Zustimmung des Rechteinhabers, also rechtmäßig, im Netz zugänglich gemacht worden ist. Der entscheidende Punkt ist in vielen Streaming-Fällen jedoch, ob auch solche Vervielfältigungen im Cache erlaubt sind, die beim Abspielen eines rechtswidrig zugänglich gemachten Streams (z.B. bei kinox.to und Co.) entstehen. In diesen Fällen nämlich streitig, ob die 4. Voraussetzung, über die der EuGH hier nicht entscheiden musste, vorliegt. Es kommt darauf an, ob es der "alleinige Zweck der Vervielfältigung" ist, eine "rechtmäßige Nutzung eines Werkes zu ermöglichen". Im Kern wird dabei darum gestritten, wann eine rechtmäßige Nutzung eines Werkes vorliegt.

Dazu enthält das EuGH-Urteil leider keine Aussage. Wir (und mit uns viele andere Juristen) vertreten jedoch schon seit langem die Auffassung, dass auch das Ansehen rechtswidriger Streams eine rechtmäßige Nutzung des Werkes ist. Der Werkgenuss, also das Ansehen oder Anhören eines urheberrechtlich geschützten Werkes, ist nämlich urheberrechtsfrei. Das gilt für das Anhören einer rechtswidrig kopierten CD und muss daher auch für das Ansehen rechtswidriger Streams im Internet gelten. Zumal der Nutzer gar nicht erkennen kann, ob ein Stream mit Einwilligung des Urhebers hochgeladen wurde oder nicht.

Hinweise des EuGH zum Dreistufen-Test

Der EuGH beschäftigt sich in dem vorliegenden Urteil jedoch auch mit dem sog. Dreistufen-Test (Art. 5 Abs. 5 der Info-RL). Zweck des Dreistufen-Tests ist es sicherzustellen, dass die Schranken des Urheberrechts nicht zu weit ausgedehnt werden. Er stellt also gewissermaßen weitere Voraussetzungen für das Eingreifen einer Schrankenregelung wie Art. 5 Abs. 1 der RL bzw. § 44a UrhG auf.

Er regelt, dass die Schrankenbestimmungen des Urheberrechts:

1. nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden dürfen,

2. die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt werden darf und

3. die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden dürfen.

Hierzu macht der EuGH interessante Ausführungen, die unter Umständen auf seine Auffassung zu rechtswidrigen Streams hindeuten könnten (Tz. 55 ff. des Urteils):

Zunächst werden die Bildschirm- und die Cachekopien nur zum Zweck der Betrachtung der Internetseiten erstellt und stellen daher einen Sonderfall dar.

Sodann verletzen diese Kopien die berechtigten Interessen der Urheberrechtsinhaber nicht ungebührlich, obwohl sie den Internetnutzern den Zugang zu den auf den Internetseiten dargestellten Werken grundsätzlich ohne die Zustimmung dieser Inhaber erlauben.

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Werke den Internetnutzern von den Herausgebern der Internetseiten zugänglich gemacht werden, die ihrerseits nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 die Zustimmung der betreffenden Urheberrechtsinhaber einholen müssen, da diese Zugänglichmachung eine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieses Artikels darstellt.

Die berechtigten Interessen der betroffenen Urheberrechtsinhaber werden auf diese Weise gebührend gewahrt.

Unter diesen Umständen ist es nicht gerechtfertigt, von den Internetnutzern zu verlangen, dass sie eine weitere Zustimmung einholen, um in den Genuss derselben, vom betreffenden Urheberrechtsinhaber bereits genehmigten Wiedergabe gelangen zu können.

Schließlich beeinträchtigt die Erstellung der Bildschirm- und der Cachekopien nicht die normale Verwertung der Werke.

Die Betrachtung der Internetseiten mittels des in Rede stehenden technischen Verfahrens stellt eine normale Verwertung der Werke dar, durch die die Internetnutzer in den Genuss der von den Herausgebern der betreffenden Internetseite bewirkten öffentlichen Wiedergabe der Werke gelangen können. Da die Erstellung der betreffenden Kopien einen Bestandteil der Betrachtung bildet, kann sie eine solche Verwertung der Werke nicht beeinträchtigen.

Das könnte im Umkehrschluss bedeuten, dass der EuGH in den Fällen, in denen der Betreiber einer Internetseite, die Streaming-Inhalte anbietet, nicht die Einwilligung der Rechteinhaber eingeholt hat (es sich also um rechtswidrige Streams handelt), die berechtigten Interessen des Urhebers nicht als gewahrt ansieht und normale Verwertung des Werkes beeinträchtigt ist. Dies hätte zur Folge, dass das Ansehen eines rechtswidrigen Streams dem Drei-Stufen-Test nicht standhielte, sodass die Schranke des § 44a UrhG nicht eingreifen und eine Urheberrechtsverletzung vorliegen würde. Ob der EuGH dies ausdrücken wollte, kann jedoch nur gemutmaßt werden. Es bleibt daher abzuwarten, bis der EuGH die Gelegenheit hat, über die urheberrechtliche Bewertung beim Ansehen rechtswidriger Streams zu entscheiden.

Fazit

Das EuGH-Urteil stellt keinen Freibrief für die Nutzung rechtswidriger Streaming-Angebote wie kinox.to & Co. dar. Auch wenn wir der Auffassung sind, dass das bloße Ansehen dieser Streams keine Urheberrechtsverletzung darstellt: die Rechtslage ist und bleibt umstritten.

 

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