Kindeswille vs. Kindeswohl?

Familienstiftung als Instrument der Nachfolge
24.09.2019109 Mal gelesen
Darf das Kind entscheiden, dass eines seiner Elternteile das volle Sorgerecht zugesprochen bekommen soll?

Der Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts (OLG) Köln entschied kürzlich in einem Urteil über die Bedeutung des Kindeswillens bei Sorgerechtsstreitigkeiten der Eltern.  

Kindeswille als Entscheidungsfaktor

Wenn die Eltern nach einer Trennung streiten, geraten vor allem minderjährige Kinder häufig zwischen die Fronten. In dieser oft misslichen Lage springen ihnen nun die Richter des OLG Köln zur Seite.

Sie entschieden, dass zwar der Wille des Kindes ein beachtlicher Faktor in der Entscheidung über das Sorgerecht ist. Der Kindeswille sei aber nur einer von vielen Faktoren, entschieden die Richter. Allem voran entscheide das Kindeswohl über den Entzug des Sorgerechts - auch wenn dies dem geäußerten Willen des Kindes im Einzelfall widerspricht.

Doppelte Prüfung des Kindeswohls

In der zugrundeliegenden Entscheidung hatte die Mutter des Kindes vor Gericht das alleinige Sorgerecht für ihre 13jährige Tochter beantragt. Da der Vater hiermit nicht einverstanden war, musste das Familiengericht eine doppelte Kindeswohlprüfung vornehmen. Maßstab einer solchen Entscheidung ist dann eine zweistufige Prüfung durch die Richter: Einerseits muss die Aufhebung des Sorgerechts des Vaters, andererseits die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Mutter dem Kindeswohl entsprechen.

Davon war das Gericht aber im konkreten Fall nicht überzeugt. Das Mädchen hatte zwar geäußert, dass es den Antrag seiner Mutter befürworte. Es habe seine Meinung aber im Laufe des Verfahrens auch immer wieder geändert. So äußerte die Tochter etwa gegenüber dem Jugendamt auch, die Sache sei ihr "egal".

Loyalitätskonflikte berücksichtigen

Die Richter sahen in dem schwankenden Willen den klassischen Ausdruck von Loyalitätskonflikten des Kindes. Dem Kindeswillen komme daher nur verminderte Bedeutung zu. Weiterhin sei dieser grundsätzlich ohnehin nur ein Faktor im Rahmen einer Gesamtbetrachtung. Die Entscheidung dürfe nicht auf das Kind abgewälzt werden, sondern es müsse weiterhin eine Prüfung anhand objektiver Kriterien stattfinden.

Insgesamt konnte das Gericht im konkreten Einzelfall unverzichtbare Voraussetzungen für die gemeinsame Ausübung des Sorgerechts aber nicht feststellen. Denn obwohl die Eltern wenig Kooperationsbereitschaft zeigten, bestünden doch keine Gründe für die Annahme, dass ihnen allein aufgrund ihres Streits eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge unmöglich wäre.