Der Kostenfestsetzungsantrag des obsiegenden Prozesskostenhilfemandanten gem. §§ 91 ff. ZPO und das Liquidationsrecht des beigeordneten Anwalts nach § 126 ZPO

Der Kostenfestsetzungsantrag des obsiegenden Prozesskostenhilfemandanten gem. §§ 91 ff. ZPO und das Liquidationsrecht des beigeordneten Anwalts nach § 126 ZPO
28.04.200829998 Mal gelesen
Der Anwalt ist zu Bedingungen der Verfahrenskostenhilfe beigeordnet und gewinnt. Er bekommt seine mickrigen PKH-Gebühren von der Landeskasse. Muss er nun im eigenen Namen die Differenzgebühren gegen den Verlierer festsetzen lassen nach § 126 ZPO, oder kann er die Differenz auch namens der Partei festsetzen lassen, so dass Vollstreckung aus einer Hand erfolgen kann und Geld nach § 367 BGB zuerst auf die Kosten und dann auf die Hauptforderung verrechnet wird?

Einer armen Partei ist für ihre Klage oder Rechtsverteidigung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts bewilligt worden. Der Gegenstandswert liegt über € 3.000,00, sodass zwischen den Wahlanwaltsgebühren und den Prozesskostenhilfegebühren eine Lücke klafft. Der  Anwalt liquidiert die Prozesskostenhilfegebühren gegen die Landeskasse. 

Wie ist nun kostenrechtlich mit der Gebührendifferenz zwischen den Wahlanwaltsgebühren und den Prozesskostenhilfegebühren zu verfahren?

 

Die eine vom Gesetz vorgegebene Möglichkeit ist selbstverständlich die des § 126 ZPO: Der beigeordnete Rechtsanwalt kann wegen der Differenz zwischen seinen Wahlanwaltsgebühren und den ihm von der Landeskasse zu zahlenden Gebühren im eigenen Namen die Festsetzung gegen den unterlegenen Gegner betreiben. (Er könnte sogar die volle Wahlanwaltsgebühr festsetzen lassen, solange er nicht die Prozesskostenhilfe-Gebühren gegen die Landeskasse liquidiert)

 

Nachdem die ganz überwiegende Zahl aller Prozesskostenhilfefälle sich im Bereich des Familienrechts abspielt, und dort wegen § 93 a Abs. 1 ZPO es im Scheidungsverfahren ganz überwiegend keine in die Kosten verurteilte "Verliererpartei" gibt, sondern es typischerweise zumeist nur im Unterhaltsprozess einen in die Kosten verurteilten Verlierer gibt, entstünde für den nach § 126 ZPO vorgehenden Anwalt die Situation, dass er als Kostentitel-Gläubiger sich so ziemlich als Letzter in die Schlange der Gläubiger des Unterhaltsschuldners einreihen müsste.

 

Andererseits hätte der arme Mandant als Unterhaltsgläubiger die Möglichkeit, wegen des im Laufe des Prozesses aufgelaufenen Unterhaltsrückstandes, der Zinsen und der Kosten die Zwangsvollstreckung gegen den auch in die Kosten verurteilten Unterhaltsschuldner zu betreiben, wobei nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.02.1999 (XI ZR 49/98) den Gesetzesinhalt bestätigend feststeht, dass der Schuldner im Rahmen der Zwangsvollstreckung kein Leistungsbestimmungsrecht im Sinne der §§ 366 Abs. 1 und 367 Abs. 2 BGB mehr hat.

 

Also taucht die Frage auf, ob es nicht Sinn gibt, statt im eigenen Namen Festsetzung nach § 126 ZPO zu betreiben, die Festsetzung im Namen des Mandanten durchzuführen.

 

Von Eicken in Gerold / Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 16. Auflage, Anmerkung 36 zu § 45 RVG), lehnt dies ab unter Hinweis auf § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, letztlich mit der semantischen Begründung, dass, weil der Rechtsanwalt der armen Partei keine Gebühren abfordern dürfe, diese auch keine Kostenbelastung habe und deshalb auch keine Kostenerstattung verlangen könne.

 

Das begegnet durchgreifenden Bedenken:

 

Nach § 91 Abs. 1 Satz 3 ZPO sind dem Anwalt in eigener Sache "die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte".

 

Damit steht zunächst einmal fest, dass § 91 ZPO, wenn darin das Wort "Erstattung" auftaucht, keineswegs davon ausgeht, dass zunächst der Ausgleichsberechtigte die Kosten schon aufgewendet haben müsse, bevor er diesen Aufwand erstattet verlangen könne.

 

In § 91 Abs. 1 ZPO wird der Begriff "Erstattung" verwendet einmal im Wortsinne, zum anderen aber auch in dem Sinne, dass auch Zahlung dessen verlangt werden kann, was an gesetzlichen Gebühren aufzuwenden war oder aufzuwenden ist.

 

Das entspricht nicht nur dem Wortverständnis, sondern auch der täglichen Praxis: Noch nie nämlich hat von einem nicht auf Prozesskostenhilfe angewiesenen Kostengläubiger ein Rechtspfleger den Nachweis verlangt, dass der die Anwaltsgebühren, deren "Erstattung" er verlange, an seinen Anwalt auch schon gezahlt habe, also den Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom Nachweis nicht nur der Entstehung, sondern auch von der Zahlung der Gebühren und Auslagen abhängig gemacht, mit Ausnahme der Gerichtskosten.

 

Geht es um Kostenausgleichung, hat also die arme Partei teilweise gesiegt, verlangt der Rechtspfleger von beiden Seiten eine Berechnung der auf beiden Seiten "erwachsenen" gesetzlichen Gebühren, wobei nun nicht mehr darauf abgestellt wird, dass die arme Partei diese Kosten ja gar nicht gehabt habe. Motiv ist allein die Überlegung, dass die nicht arme Partei von der Armut der anderen Partei profitieren würde, wenn nur die Prozesskostenhilfegebühren und nicht die höhere Wahlanwaltsvergütung in die Ausgleichsberechnung eingestellt werden dürfte.

 

Auch hier: Ersichtlich kommt es auf die Frage, ob die Kosten von der armen Partei gezahlt wurden, nicht an.

 

Der Bundesgerichtshof hat am 12.06.2006 unter II ZB 21/05 sogar angeordnet, dass der Anwalt einer armen, aber zum Vorsteuerabzug berechtigten Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei, dieser eine förmliche Rechnung schreiben müsse (nicht nur eine Kostenberechnung, sondern eine richtige, steuerlich korrekte Rechnung), damit diese arme Partei in die Lage versetzt werde, von der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs Gebrauch zu machen und somit zur Kostenquotelung nur noch den Nettobetrag anmelden könne, weil nur der auf ihrer Seite noch ein Negativposten, also ein Schaden, sei.

 

Also: Zum Zwecke der Kostenquotelung wird von der armen Partei die Einreichung einer Berechnung der Wahlanwaltsvergütung verlangt.

 

Gehen wir methodisch einmal schrittweise vor: Verlangt wird die Berechnung der gesetzlichen Gebühren, wenn die arme Partei 9/10tel der Kosten trägt. Verlangt wird das, wenn sie 1/10tel der Kosten trägt. Verlangt wird das, wenn sie 1/20tel der Kosten trägt. Warum soll schlagartig die Kostenausgleichung nicht mehr möglich sein, wenn die arme Partei in vollem Umfange obsiegt hat, aus der Kostenquotelung die Kostenfestsetzung wird?

 

Darauf kann es nur noch die Antwort geben: Die Festsetzung der Wahlanwaltsvergütung zu Gunsten der armen Partei ist ebenso möglich, wie die Wahlanwaltsvergütung auf ihrer Seite zu berücksichtigen ist, wenn es nur um Kostenquotelung geht.

 

Letztenendes sehen dies die sämtlichen Länderjustizminister genauso.

 

Hier zitiere ich zum Thema Vergütungsfestsetzung nur die Ausführungsverordnung des Justizministers Nordrhein-Westfalen MiJuGS Nr. 10 / 2005 vom 27.06.2005:

   

2.3 Vergütung der beigeordneten Anwältin oder des beigeordneten Anwalts, Kostenfestsetzung,

Übergang auf die Staatskasse

2.3.1 Bei der Festsetzung der von der Gegnerin oder vom Gegner an die Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt ist, oder an deren Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt zu erstattenden Kosten (§§ 103 bis 107, 126 ZPO) prüft die Rechtspflegerin oder der Rechtspfleger, ob bereits eine Vergütung aus der Staatskasse gezahlt worden ist und ob der aus der Staatskasse gewährte Betrag ganz oder zum Teil auf die im Kostenfestsetzungsbeschluss festzusetzenden Kosten anzurechnen ist.

Sie oder er stellt zugleich fest, ob und inwieweit der Erstattungsanspruch gegen die Zahlungspflichtige oder den Zahlungspflichtigen auf die Staatskasse übergegangen ist (§ 59 Abs. 1 Satz 1 RVG). Dabei berücksichtigt sie oder er, dass ein übergegangener Anspruch der Staatskasse nicht zusteht, soweit die an die Rechtsanwältin oder den Rechtsanwalt gezahlte Vergütung durch Zahlungen der Partei an die Staatskasse gedeckt ist. Den auf die Staatskasse übergegangenen Betrag vermerkt sie oder er im Kostenfestsetzungsbeschluss. Nötigenfalls ist eine erläuternde Berechnung aufzunehmen. Soweit ein Erstattungsanspruch auf die Staatskasse übergegangen ist, ist in den Kostenfestsetzungsbeschluss nur den Betrag aufzunehmen, der an die Partei oder an deren Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt noch zu erstatten bleibt.

2.3.2 Macht die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt den Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse erst geltend, nachdem die von der gegnerischen Partei zu erstattenden Kosten bereits nach §§ 103 bis 107 und 126 ZPO festgesetzt worden sind, so fordert die Rechtspflegerin oder der Rechtspfleger die vollstreckbare Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses von der- oder demjenigen zurück, zu deren oder dessen Gunsten er ergangen ist. Nach der Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung vermerkt die Rechtspflegerin oder der Rechtspfleger auf der vollstreckbaren Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses, um elchen Betrag sich die festgesetzten Kosten mindern und welcher Restbetrag noch zu erstatten ist; falls erforderlich, ist eine erläuternde Berechnung beizufügen. Die gleichen Vermerke setzt sie oder er auf den Kostenfestsetzungsbeschluss und bescheinigt dort außerdem, dass die vollstreckbare Ausfertigung mit denselben Vermerken versehen und zurückgesandt worden ist.

2.3.3 Wird die Vergütung festgesetzt, ohne dass die vollstreckbare Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vorgelegt worden ist, so hat die oder der UdG die erstattungspflichtige Gegnerin oder den erstattungspflichtigen Gegner zu benachrichtigen.

 

Nahezu gleich lautend finden sich diese Bestimmungen in allen Vergütungsverordnungen der Länderjustizminister. Also: Auch zu Gunsten der armen Partei, der Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts bewilligt worden ist, kann die Wahlanwaltsvergütung oder die Differenz zwischen Wahlanwaltsvergütung und Prozesskostenhilfeliquidation festgesetzt werden.

 

Für den Anwalt ist es häufig günstiger, wenn sein armer Mandant als Unterhaltsgläubiger auch zum Kostengläubiger wird, zumal - wenn es ihm gelingt, den Unterhaltsrückstand beizutreiben - die Nachzahlung der Gerichts- und Rechtsanwaltskosten angeordnet werden kann (§ 120 Abs. 4 ZPO, siehe OLG Celle, Beschluss vom 16.08.2006, 6 W 82/06), jedenfalls aber die bis dahin arme Partei nach Beitreibung eines Unterhaltsrückstandes und ggf. auch der festgesetzten Kosten nicht daran gehindert ist, dem Rechtsanwalt freiwillig die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und der Prozesskostenhilfevergütung der Landeskasse zu zahlen, es so sogar zu einem bereicherungsrechtlichen Anspruch des beigeordneten Anwalts gegen seinen Mandanten kommen kann.

      Eckhard Benkelberg

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht

Emmerich am Rhein

(Der Aufsatz ist erschienen in AGS (Anwaltsgebühren Spezial) 2008, 105 ff)