Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments zur wechselseitigen Verfügung

Erbschaft Testament
12.12.2007410 Mal gelesen

Berlin, 12.12.2007: Die Kanzlei Gansel Rechtsanwälte informiert über einen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) München zur Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments von Ehegatten hinsichtlich der Frage, ob die dort getroffenen Verfügungen wechselbezüglich sind.



Der Fall
Die Erblasserin verstarb am 05.01.2005 im Alter von 91 Jahren. Ihr Ehemann war vorverstorben. Die Erben sind sowohl leibliche Abkömmlinge der Erblasserin als auch Enkel der Erblasserin und Abkömmlinge eines bereits vorverstorbenen Sohnes. Der Ehemann der Erblasserin verfasste am 04.02.1971 folgendes von ihr mit unterzeichnete Schriftstück:



"Erklärung
Die Endunterzeichneten bekunden gemeinsam, dass bei Ableben des einen Elternteils der überlebende Teil das gesamte Erbe übernimmt und eine Aufteilung des Erbgutes auf die erbberechtigten Kinder erst nach dem Ableben beider Elternteile erfolgen soll.
Im Fall einer Wiederverheiratung des überlebenden Elternteils bleibt das Erbe den leiblichen Kindern der Unterzeichnenden vorbehalten.

(Ort), den 4. Februar 1971
H.W.
E.W."

Unter dieses Schriftstück setzte der Ehemann der Erblasserin am 14.03.1976 folgenden von ihr mit unterzeichneten Text:

"Zusatz:
Die auf den Namen E.W. (Erblasserin) eingetragene Eigentumswohnung in St., .. unterliegt nicht der vorstehenden Vereinbarung, da sie nicht unter den Begriff des gemeinsamen Vermögens fällt.

(Ort), 14.3.1976
H.W.
E.W."



Die Erblasserin errichtete am 08.12.2004 ein notarielles Testament, in dem sie abweichend von den Verfügungen in den vorstehenden Erklärungen Erben mit und ohne verschiedene Vermächtnisse einsetzte. Bei der Erteilung eines Erbscheins gab es Streit, der schließlich zum vorliegenden Beschluss führte.



Die Entscheidung
Das Gericht stellte fest, dass die Erblasserin an das gemeinsame Ehegattentestament vom 04.02.1971 gebunden war. Nur im testamentarischen Zusatz vom 14.03.1976 hätten die Erblasserin und ihr Ehemann einen testamentarischen Änderungsvorbehalt vorgesehen und damit stillschweigend zum Ausdruck gebracht, dass in Bezug auf das übrige Vermögen die Wechselbezüglichkeit der Verfügung vom 04.02.1971 gelten solle. Die Erblasserin habe demgegenüber im notariellen Testament vom 08.12.2004 insgesamt neu letztwillig verfügen wollen und nicht allein das ihr noch möglicherweise aus dem Abänderungsvorbehalt vom 14.03.1976 zukommende Verfügungsrecht ausüben wollen.
Die Wechselbezüglichkeit der bezeichneten Verfügungen hätten die Eheleute aber dadurch unterstrichen, dass auch im Falle der Wiederverheiratung des überlebenden Elternteils das alleinige testamentarische Erbrecht der Kinder des Vorversterbenden bestehen bleiben solle. Die Erblasserin habe von ihrem eingeräumten Änderungsvorbehalt keinen Gebrauch gemacht.
Lediglich die Erblasserin war in Bezug auf die in ihrem Eigentum stehende Eigentumswohnung von der gemeinsam getroffenen Vereinbarung zu einer anderweitigen Verfügung berechtigt.
Die Änderungsbefugnis der Erblasserin vom 14.03.1976 in Bezug auf ihre Eigentumswohnung lasse die Anordnung einer gänzlich anderen Erbfolge als im Testament vom 04.02.1971 vorgesehen nicht zu.



Oberlandesgericht München, Beschluss vom 06.07.2007, Az.: 31 Wx 33/07



Der Kommentar
Die ursprüngliche Erbeinsetzung hätte die Erblasserin durch notarielles Testament vom 08.12.2004 nur dann wirksam widerrufen können, wenn sie nicht wechselbezüglich zu einer Verfügung ihres Ehemannes war. So war sie nach dem Tod ihres Mannes am Widerruf dieser in dem gemeinschaftlichen Testament getroffenen letztwilligen Verfügung gehindert. Es sei denn, man hat sich einseitig oder beidseitig im Testament das Recht vorbehalten, nach dem Tod des Erstversterbenden dennoch neu testieren zu dürfen.
Die Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament ist dann wechselbezüglich und somit für den überlebenden Ehegatten bindend, wenn angenommen wird, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre. Maßgeblich ist insofern der übereinstimmende Wille der Ehegatten bei Testamentserrichtung. Enthält das gemeinschaftliche Testament keine eindeutige Festlegung, dann muss es ausgelegt werden.
Im vorliegenden Fall ließ die Interessenlage der Erblasser den Schluss zu, dass jeder Ehegatte die Enterbung der eigenen Kinder für den ersten Todesfall wechselseitig sieht, so dass nicht nur er selbst, sondern auch der jeweils andere Ehegatte im Gegenzug dafür als Schlusserben des beiderseitigen Vermögens die Kinder einsetzt.
Ein Widerruf der wechselbezüglichen Verfügungen hätte hier nur nach den für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Vorschriften erfolgen können. Doch die hierfür erforderlichen Formvorschriften erfüllte das Testament vom 20.5.1982 nicht.



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