BGH zur Zurechnung eines Unfallschadens bei fehlender Berührung der beteiligten Fahrzeuge

BGH zur Zurechnung eines Unfallschadens bei fehlender Berührung der beteiligten Fahrzeuge
09.01.2017276 Mal gelesen
Bei Unfallgeschehen ohne Berührung der beteiligten Fahrzeuge und unergiebiger Aussage von Zeugen sind die Feststellungen des Sachverständigen von noch größerer Bedeutung.

Die Zurechnung eines Unfallschadens zu einem Fahrzeug bei einem berührungslosen Unfall erfordert neben seiner bloßen Anwesenheit am Unfallort einen weiteren Beitrag zum Schadenseintritt.

Dies hat der BGH mit Urteil vom 22.11.2016 - VI ZR 533/15 entschieden.

Folgendes war geschehen:

Der klagende Motorradfahrer folgte auf einer Bundesstrasse dem vorausfahrenden Motorrad der Beklagten. Diese überholte einen PKW. Der Kläger beschleunigte, um seinerseits die Beklagte und den PKW zu überholen. Er fuhr weiter außen auf der Gegenfahrbahn und geriet in das Bankett, woraufhin er stürzte und sich schwer verletzte.

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe sich noch hinter dem PKW befunden, als er sie schon fast überholt hatte. Dann sei sie plötzlich ohne Schulterblick und Setzen des Blinkers nach links ausgeschert, so dass der Kläger zu einem Ausweichmanöver nach links gezwungen war. Die Beklagte hingegen behauptet, sie habe den PKW ordnungsgemäß überholt ordnungsgemäß überholt und sei dann von dem Kläger in zweiter Reihe überholt worden. Hierbei sei er dem linken Fahrbahnrand zu nahe gekommen, ohne dass sie darauf Einfluss gehabt hätte.

Das Landgericht hatte eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach zu 50% festgestellt und zur Begründung auf eine vom Sachverständigen erwähnte, nach links führende Bremsspur und Hinweis auf eine beginnende Notbremsung verwiesen.

Das Berufungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass nicht mit hinterreichender Sicherheit festzustellen sei, dass der dem Kläger entstandene Schaden dem Betrieb des Motorrads der Beklagten zuzurechnen sei. Die Zurechnung scheitere zwar nicht schon daran, dass sich die beiden Motorräder nicht berührt hätten. Es lasse sich aber nicht feststellen, dass die Fahrweise der Beklagten auf die Schadensentstehung hingewirkt habe. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Fahrlinie des Klägers allein auf dem Umstand beruhte, dass er die bereits im Gegenverkehr befindliche Beklagte zu überholen versuchte. Die Beweisaufnahme habe den Ablauf der Überholmanöver nicht aufklären können.

Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung.

Für die Zurechnung der Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeuges sei weder erforderlich, dass dessen Fahrer sich verkehrswidrig verhalten, noch es zu einer Kollision der Fahrzeuge gekommen ist. Erforderlich für die Zurechnung sei, dass neben der bloßen Anwesenheit des Fahrzeuges am Unfallort das Fahrverhalten des Fahrers das Fahrmanöver des Unfallgegners in irgendeiner Art und Weise beeinflusst und hierdurch zur Entstehung des Schadens beigetragen habe.

Zwar hatte das Berufungsgericht keine Veranlassung zur erneuten Vernehmung der Zeugen, da sowohl g Landgericht wie auch Berufungsgericht von der Unergiebigkeit ihrer Aussagen ausgingen.

Das Berufungsgericht habe aber die Aussage des Sachverständigen hinsichtlich der Bremsspuren unbeachtet gelassen, aufgrund derer das Landgericht, ohne dies weiter zu hinterfragen, sein Urteil gestützt habe.

Vor diesem Hintergrund habe das Berufungsgericht nicht ohne ergänzende Beweisaufnahme z. B. durch Anhörung des sachverständigen davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte den Überholvorgäng des Klägers nicht beeinflusst habe. Dies gelte umsomehr, als weder der Sachverständigen noch das Landgericht der Frage des Vorliegens eines Ausweichmanövers besondere Bedeutung beigemessen hätten.

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