Geschwindigkeitsmessung mit PoliScan Speed: Mögliche Zuordnungsprobleme bei Messung mehrerer Fahrzeuge derselben Fahrtrichtung

Autounfall Verkehrsunfall
06.02.20124608 Mal gelesen
Bis vor wenigen Jahren war eine eindeutige Zuordnung des Messwertes zum Fahrzeug des betroffenen Temposünders nicht möglich, wenn sich bei der Messung mehrere Fahrzeuge in derselben Fahrtrichtung im Messbereich befinden. Inzwischen gibt es zwei Messgeräte, die spurselektiv messen.

Diese Messsysteme sollen eine Zuordnung der Geschwindigkeit zu richtigen Fahrzeug ermöglichen: Vitronic PoliScan Speed und ESO ES 3.0. 

Bei PoliScan Speed erfolgt die Zuordnung des gemessenen Geschwindigkeitswertes zum richtigen Fahrzeug anhand des sogenannten Auswertrahmens im Beweisfoto. 

Die eingeblendete Spurnummer darf, da nicht verlässlich, nicht als Hilfsmittel zur Messwertzuordnung verwendet werden. 

Der Auslösezeitpunkt des Messfotos wird bei PoliScan geräteintern entsprechend der Geschwindigkeit des Fahrzeugs und der Fahrtstrecke, die es ab dem Ende der Messung bis zum optimalen Fotopunkt zurücklegt, berechnet. Wird das Messfoto zum berechneten Zeitpunkt ausgelöst, liegt der Auswertrahmen im Beweisfoto korrekt auf der Front des gemessenen Fahrzeugs. 

Die Breite des Auswertrahmens auf dem Messfoto muss derzeit 0,40 m betragen. Das erscheint nach Auffassung des Freiburger Sachverständigen Dipl.-phys. Dr. Ulrich Löhle, im Hinblick auf die Zuordnungssicherheit bei zwei oder mehr Fahrzeugen der gemessenen Fahrtrichtung aber zu gering. Erst mit Einführung der Softwareversion 3.2.4 als Nachfolgeversion der Testversion 3.0.2 und der bislang flächendeckend eingesetzten Version 1.5.5 wird dieses Problem durch Einführung eines mindestens 80 cm breiten Auswertrahmens abgestellt werden. 

Der Sachverständige kritisiert zudem, dass es in Grenzsituationen allein vom Zufall abhänge, ob nach den vom Gerätehersteller vorgegebenen Zuordnungskriterien (bei einer Frontmessung dürfen Messungen nicht ausgewertet werden, wenn sich weder ein Vorderrad noch Teile des vorderen Kennzeichens zumindest teilweise innerhalb des Auswertrahmens befinden, die Unterseite des Rahmens muss sich immer unterhalb der Radaufstandspunkte der Räder auf der Fahrbahn befinden) eine Messung verwertet werden darf oder nicht.

Abgesehen von diesen Ausschlusskriterien gibt es keine Vorgabe für eine optimale oder allein zulässige Position des Auswertrahmens an der Front des gemessenen Fahrzeugs. Der Auswertrahmen kann bei Einzelfahrzeugen teilweise mehr im linken Frontbereich, teilweise mittig auf dem vorderen Kennzeichen oder auch mehr im Bereich der rechten Fahrzeugfront aufliegen. Er kann teilweise sehr geringe, teils sehr große Breiten aufweisen.

Dies erscheint zufällig.

Bei einer nur geringfügig geänderten Position des Auswertrahmens können sich bei gleicher Relativposition zweier Fahrzeuge auf benachbarten Fahrstreifen Teile oder aber keine Teile des anderen Fahrzeugs innerhalb des Auswertrahmens befinden.

Messungen müssen verworfen werden, wenn zwei oder mehrere Fahrzeuge der gemessenen Fahrtrichtung auf benachbarten Fahrstreifen ganz oder teilweise innerhalb des Auswertrahmens zu sehen sind.   

Somit kann es vom Zufall abhängen, ob nach dieser Zuordnungsregel eine Messung Gültigkeit erlangt oder nicht.

Eine Problematik entsteht auch dann, wenn zwar nur Teile eines Fahrzeugs der gemessenen Fahrtrichtung innerhalb des Auswertrahmens liegen, jedoch möglicherweise Teile eines zweiten Fahrzeugs durch dieses erste Fahrzeug verdeckt werden, dass sich - wäre es auf dem Foto sichtbar - ebenfalls ganz oder teilweise innerhalb des Auswertrahmens befindet und sich auch die untere Begrenzung des Auswertrahmens in Bezug auf das zweite Fahrzeug unterhalb der Aufstandspunkte seiner Vorderräder auf der Fahrbahn befindet (Bürkle-Effekt).                

Löhle kritisiert, dass nicht nachzuvollziehen sei, weshalb in solchen Konstellationen das Messfoto ausgewertet und der Geschwindigkeitsmesswert dem vorderen Pkw zugeordnet werden darf, nur weil sich von dem daneben befindlichen Pkw keine sichtbaren Teile innerhalb des Auswertrahmens befinden, jedoch sämtliche Anforderungen an eine Zuordnung des Auswertrahmens auch zu dem zweiten Pkw erfüllt sind. Der Gutachter berichtet von Fällen, bei denen das weitere Fahrzeug vollständig verdeckt ist, so dass man die Existenz dieses anderen Fahrzeugs nur vermuten, aber nicht ausschließen kann.

Zu den verschiedenen und teilweise falschen Positionierungen des Auswertrahmens beim Messsystem PoliScan Speed kommt es nach den Erkenntnissen des Gutachters Löhle aus verschiedenen Gründen. Das kann zusammengefasst durch Beschleunigen Abbremsen oder Schrägfahrt längs des 30 m langen Messbereichs oder auch auf der Strecke nach dem Ende des Messbereichs bis zum Erreichen des Fotopunktes erklärt werden oder auch an einer verzögerten und/oder verfrühte Fotoauslösungen aufgrund eines Kameradefekts liegen.

Mein Rat an Betroffene:

  • Niemals Angaben zur Sache machen.
  • Als Empfänger eines Anhörungs- oder Zeugenfragebogens sind Sie nur verpflichtet, Angaben zu Ihrer Person (Name, Adresse, Geburtsdatum und Geburtsort) zu machen
  • Klären Sie Familienangehörige auf, dass diese nicht preisgeben müssen, wer der Fahrer auf dem Beweisfoto ist 
  • So früh wie möglich anwaltlichen Rat in Anspruch nehmen. Im Gegensatz zu Ihnen hat Ihr Anwalt die Möglichkeit, Einsicht in die Bußgeldakte zu nehmen und sämtliche Beweismittel zu sichten, die für eine umfassende Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung auf Schwachstellen erforderlich sind.     
 

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Der Beitrag nimmt Bezug auf Löhle, Mehrzielige Geschwindigkeitsmessungen Einseitensensor ESO ES 3.0 und Lasersystem PoliScan Speed, in DAR 2011, 758 ff.

Der Verfasser, Rechtsanwalt Christian Demuth, verteidigt bundesweit Betroffene gegen Vorwürfe im Straßenverkehr. Näheres unter: www.cd-recht.de