Krankheit im Arbeitsverhältnis - Teil 3

Arbeitsrecht Kündigung
29.07.202328 Mal gelesen
Lohnfortzahlung vom Arbeitgeber und Krankengeld von der Krankenkasse - was ist dafür erforderlich?

4) Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber

Wer außerstande ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen, ist dazu auch nicht verpflichtet (§ 275 Abs. 1 BGB). Allerdings entfällt dabei zugleich der Anspruch auf die Gegenleistung, das vom Arbeitgeber zu zahlende Arbeitsentgelt (§ 326 Abs. 1 BGB). Ein erkrankter Arbeitnehmer benötigt immer eine besondere Anspruchsgrundlage, um während des eigenen Nichtarbeitens weiterhin das übliche Entgelt verlangen zu können, diese findet sich z. B. im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG).

Die Grundnorm ist § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG, danach muss eine Krankheit zu einer Arbeitsunfähigkeit führen, die es dem betreffenden Arbeitnehmer unmöglich macht, die nach seinem individuellen Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Eine Suchterkrankung kann eine Krankheit sein, eine Schwangerschaft ist es z. B. nicht, wobei dies schon wieder anders aussieht, wenn die Schwangerschaft zu Beschwerden führt, die über das gewöhnliche Maß hinausgehen.

Krank ist ebenfalls nicht, wer seinen Hausarzt für eine Impfung oder einen "Gesundheitscheck" aufsucht. Wer infolge einer Infektion ansteckend ist, etwa bei SARS-CoV ("Corona"), und keine Symptome hat, muss vielleicht zuhause bleiben, ist aber nicht krank, in diesem speziellen Fall kann ein Anspruch nach § 616 BGB bestehen.

Wer aufgrund eines Sportunfalls eine Fußverletzung hat, ist vielleicht daran gehindert, zum Arbeitsplatz zu fahren, kann seine Arbeitsleistung aber möglicherweise erbringen. Auch hier könnte es an einem Anspruch auf Entgeltfortzahlung fehlen, obwohl die Fußverletzung als solche eine Krankheit ist.

Die Arbeitsunfähigkeit darf auch nicht auf einem Verschulden des Arbeitnehmers beruhen. Selbst ein Unfall während der Arbeit kann selbst verschuldet sein, etwa wegen eines Verstoßes gegen Unfallverhütungsvorschriften oder weil man die zur Verfügung gestellte Sicherheitskleidung nicht getragen hat. Eine Verletzung durch einen Verkehrsunfall kann selbstverschuldet sein, bei Sportunfällen kommt es auf den Einzelfall an: nicht die abstrakte Gefährlichkeit der Sportart (z. B. Bergsteigen) ist entscheidend, sondern ob in dem konkreten Fall die Grenzen der individuellen Leistungsfähigkeit leichtsinnig überschritten wurden.

Selbst wenn alle Voraussetzungen des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung erfüllt sind, gibt es weitere Beschränkungen zu beachten, schon am Anfang und im weiteren Verlauf:

Wer gestern seinen ersten Arbeitstag hatte, und heute krank ist, hat noch keinen Anspruch, dieser entsteht vielmehr erst nach einer Wartezeit von vier Wochen. Wer in dieser Zeit arbeitsunfähig wird und über den Ablauf dieser Wartezeit hinaus bleibt, erwirbt den Anspruch mit Ende der Wartezeit, aber nicht rückwirkend.

Der Anspruch besteht grundsätzlich für die Dauer von sechs Wochen bzw. 42 Kalendertage. Problematisch sind die Fälle, in denen der Arbeitnehmer wegen derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig wird. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EFZG muss seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit eine Frist von sechs Monaten abgelaufen sein, innerhalb derer man nicht wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig gewesen sein darf, danach entsteht trotz gleicher Krankheit ein neuer Anspruch.

Anders sieht es aus, wenn man in dieser sechsmonatigen Sperrfrist wegen einer anderen Krankheit ein weiteres Mal arbeitsunfähig wird. In diesem Fall entsteht sofort mit Beginn der zweiten Erkrankung ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Bestreitet der Arbeitgeber das Vorliegen einer anderen Krankheit, muss sich der Arbeitnehmer von seinem Arzt bescheinigen lassen, dass es sich bei der zweiten Erkrankung nicht um eine Fortsetzungserkrankung handelt.

Wieder anders ist es, wenn man sich während eines laufenden sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums eine zweite Erkrankung zuzieht, z. B. zusätzlich zu einem Rückenleiden eine schwere Erkältung, die zu einer weiteren Arbeitsunfähigkeit von zwei Wochen führt. Man spricht hier von einer "Einheit des Verhinderungsfalls", nach sechs Wochen endet die Entgeltfortzahlung, auch wenn die Erkältung weiter anhält; hier springt dann die Krankenkasse ein.

5) Krankengeld von der Krankenkasse

Es wurde soeben schon angesprochen: sobald die Pflicht des Arbeitgebers endet, kann sich der Arbeitnehmer an seine Krankenkasse wenden und Krankengeld beantragen.

Der Anspruch auf Krankengeld entsteht im Grunde schon mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit (§ 44 SGB V: "wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht"), er ruht allerdings, solange der erkrankte Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V).

Das Krankengeld hat eine Auffangfunktion: wann immer der Arbeitgeber keine Entgeltfortzahlung schuldet, sei es weil das Arbeitsverhältnis noch keine vier Wochen besteht, oder weil der Arbeitnehmer vor Ablauf der sechsmonatigen Sperrfrist erneut wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig wird.

Krankengeld wird grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung gewährt, wegen derselben Krankheit jedoch höchstens 78 Wochen. Nach Ablauf von drei Jahren ist eine Neubewilligung für erneut bis zu eineinhalb Jahre möglich, selbst wenn es sich wieder um dieselbe Krankheit handelt (§ 48 SGB V).

Anders als bei der Entgeltfortzahlung, die der Arbeitgeber schuldet, kann Krankengeld sogar in Fällen beansprucht werden, in denen man als Arbeitnehmer nicht selbst krank ist, sondern das eigene, betreuungsbedürftige Kind. Für jedes Kind können pro Kalenderjahr zehn Arbeitstage in Anspruch genommen werden, von alleinerziehenden Versicherten sogar bis zu 20 Arbeitstage, bei mehreren Kindern liegt die Grenze bei insgesamt 25 bzw. 50 Arbeitstagen (§ 45 SGB V).

Rechtsanwalt Lars Finke, LL.M., Fachanwalt für Arbeitsrecht, Mülheimer Str. 85, 47058 Duisburg - anwaltfinke.de