Betriebsbedingte Kündigung in der Corona-Krise

Arbeitsrecht Kündigung
16.04.202090 Mal gelesen
Das Coronavirus ändert die Anforderungen der Rechtsprechung an den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung nicht.

Das Coronavirus ändert die Anforderungen der Rechtsprechung an den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung nicht! Dieser Klarstellung scheint es zu bedürfen, wenn man die mediale Darstellung der Auswirkungen der sog. Corona-Krise auf die Arbeitswelt betrachtet. Derzeit wird vielfach kolportiert, dass neben der fast schon üblichen Anordnung von Kurzarbeit, die mit Zustimmung des Arbeitnehmers vorgenommen werden kann, betriebsbedingte Kündigungen unter Rückgriff auf die verschlechterte Ertragslage und die Auswirkungen der Krise nahezu unproblematisch möglich sein sollen.

Tatsächlich ist allerdings das Gegenteil der Fall: Ist das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anwendbar - dies ist in Betrieben mit mehr als 10 Mitarbeitern der Fall und wenn der Arbeitnehmer länger als sechs Monate dort beschäftigt ist -, so kann nur nach den strengen Maßstäben des § 1 KSchG gekündigt werden, also nur dann, wenn die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, was wiederum nur dann der Fall ist, wenn sie durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder eben durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.

Damit aber ist der nunmehr zu beobachtenden Praxis, dass "wegen der Corona-Pandemie" bzw. "wegen Auftragsrückgangs aufgrund Corona" gekündigt werden kann, eine klare Absage zu erteilen. Dringende betriebliche Bedürfnisse müssen vom Arbeitgeber, der insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt, im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens - eine Kündigungsschutzklage ist zwingend binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung bei dem zuständigen Arbeitsgericht zu erheben - bewiesen werden. Der Arbeitgeber muss darlegen und im Zweifel beweisen, dass der Bedarf an der jeweiligen individuellen Arbeitskraft weggefallen ist, d.h. ein allgemeiner Wegfall am Bedarf der Arbeitskraft reicht hierfür nicht aus; zudem muss er dies ggf. auch entsprechend quantifizieren und muss die Kündigung den Erfordernissen einer entsprechenden Sozialauswahl genügen.

Die Rechtsprechung hat weder die Anforderungen modifiziert, noch steht dies zu erwarten, da sich im Bereich der betriebsbedingten Kündigung neben den relativ sparsamen Vorgaben des Gesetzgebers über das Kündigungsschutzgesetz über Jahrzehnte sehr ausdifferenzierte Anforderungen entwickelt haben und nicht zu erwarten steht, dass die Rechtsprechung von dem einmal entwickelten und gesetzten Recht ohne Weiteres abweichen oder dies modifizieren oder einem entsprechenden Rechtsprechungswandel unterwerfen wird.

Soweit im Rahmen größeren Personalabbaus mit Betriebsräten Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt und vereinbart werden, ändert dies nichts an den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast für den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung. Selbst im Fall sog. Namenslisten, d.h. wenn der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber eine Reihe von Namen vereinbart hat, die zu kündigen sind, führt dies zwar zur Umkehr der Beweislast, entbindet dies den Arbeitgeber aber keineswegs davon, dringende betriebliche Gründe darzutun. Im Rahmen der sog. gestuften Darlegungs- und Beweislast hat der betroffene Arbeitnehmer sehr wohl die Möglichkeit, auch insoweit einer Kündigung entgegenzutreten und den Arbeitgeber dazu zu zwingen, konkret darzulegen, warum ausgerechnet er gekündigt werden muss.

Es ist zu beobachten, dass häufig genau die Arbeitnehmer vom Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung betroffen sind, sei es über einen Sozialplan oder ohne, bei denen man bereits vor der Corona-Krise versucht hat, diese zu kündigen.

Es ist daher unbedingt anzuraten, gegen eine Kündigung vorzugehen, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und ggf. binnen einzuhaltenden Klagefrist von drei Wochen Kündigungsschutzklage)zu erheben. Wird die Klagefrist versäumt, gilt die Kündigung, unabhängig von ihrer materiellen Berechtigung, als wirksam.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass auch im Zuge umfangreicherer Kündigungen der Arbeitgeber ein stark formalisiertes Verfahren zu beachten und bspw. eine sog. Massenentlassungsanzeige zu erstatten hat, die häufig versäumt wird oder nur fehlerhaft erfolgt. Gleiches gilt für die Betriebsratsanhörung. Eine solche ist auch nicht etwa bei Erstellung eines Sozialplans entbehrlich, wie entgegen eindeutiger Rechtsprechung immer wieder zu hören oder zu lesen ist.

Mithin erscheint gerade in den Zeiten der Corona-Krise die Erhebung der Kündigungsschutzklage umso eher angezeigt, als vielfach wohl der Versuch unternommen werden wird, sich in diesem Zuge von unliebsam gewordenen Arbeitnehmern zu trennen und die Krise als Vorwand hierzu genutzt wird. Der Arbeitnehmer genießt unter der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes auch weiterhin den vollen gesetzgeberischen Schutz. Arbeitsrecht ist auch immer Arbeitnehmerschutzrecht, sodass es auf jeden Fall angezeigt scheint, sich gegen eine Kündigung zu wehren, unabhängig davon, dass derjenige, der nicht kämpft, bereits verloren hat.

Hierbei dürfte auch kaum auf anwaltliche Hilfe verzichtet werden können. Fürchtet auch der Arbeitnehmer ohne Rechtsschutzversicherung gelegentlich die Kostenlast, so steht zum einen das Mittel der Prozesskostenhilfe zur Verfügung; zum anderen hat sich häufig erwiesen, dass mit qualifizierter anwaltlicher Vertretung entweder der Arbeitsplatz wieder erlangt oder durchaus erhebliche Abfindungen erzielt werden können, sodass hiervon auch zwanglos die Kosten eines entsprechenden Verfahrens bestritten werden können, da es sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren so verhält, dass jede Seite, d.h. auch der Arbeitgeber, die eigenen anwaltlichen Kosten zu tragen hat und nur der Unterlegene eines Rechtsstreits die Gerichtskosten. Kommt es wie in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle zum Vergleich, entfallen im Wesentlichen die Gerichtskosten, da der Vergleich eine entsprechende (Kosten-) Privilegierung erfährt.

Gerade auch unter finanziellen Aspekten bestehen also keine Bedenken gegen die Erhebung der Kündigungsschutzklage.

Als Ansprechpartner und Fachanwalt für Arbeitsrecht steht Ihnen der Unterzeichner mit über 20-jähriger Expertise in allen Bereichen des Arbeitsrechts gerne zur Verfügung.

Erich Hünlein
Fachanwalt für Arbeitsrecht